Mein Kalender schreibt heute: März, der 11. Der Gesetzgeber und Politik schrieben im Jahr 2020: Am 31.10.2023 soll das IPreG (Intensivpflegegesetz) vollständig umgesetzt werden.
Ein Gesetz, was für circa. Stopp, man weiß es nicht genau, wie viele Versicherte es sind. Und dies heute, wo alle Versicherten elektronisch in Datenbanken erfasst sind.
Also wir in der Selbsthilfe, sowie die Kassen der GKV, der MD (Medizinische Dienst der Krankenkassen), die KV (Kassenärztliche Vereinigung), die Politik sprechen von 22.000 bis 25.000 Menschen, die außerklinische Intensivpflege benötigen, kurz AKI.
Davon sind ein hoher Anteil beatmungspflichtig und/oder tracheotomiert. Also diese atmen über einen Tubus durch die Luftröhre, unterhalb des Kehlkopfes.
Damit diese Versicherten außerklinische Intensivpflege bekommen, benötigten diese bisher ein:e Hausärzt:in oder Fachärzt:in ohne besondere Qualifikation.
Diese Person durfte es wie Häusliche Krankenpflege verordnen.
In Zukunft, also ab dem 31.10.23 sieht dies anders aus. Die Versicherten benötigen von einer spezialisierten Fachärzt:in eine Erhebung über ihre Beatmung / Tracheostoma dafür, einen Behandlungsplan und eine Verordnung.
Doch der 31.10. ist nicht mehr weit weg, wenn es um Arzttermine geht.
Denn auf einen Termin bei einer Fachärzt:in warten Versicherte häufig mehrere Monate. Da kann es sein, wenn ich im Juni einen Termin will, dass ich diesen erst im November oder Dezember bekomme.
Wenn ich aber erst im Juni oder Juli erfahre, wer bei uns als Fachärzt:in diese Erhebung macht und auch Kapazität dafür hat, dann wird es wohl nichts mit dem Termin vor dem Oktober.
Außerklinische Intensivpflege — eine Verordnung benötigt zwei Fachärzt:innen
Wie oben geschrieben: Nach dem IPreG braucht es zwei Fachärzt:innen, wenn die/der Hausärztin die AKI nicht verordnen darf. Ansonsten würde ein:e Fachärzt:in ausreichen und die/der Hausärzt:in stellt die Verordnung aus.
Doch muss die/der Hausärzt:in sich dafür qualifizieren, was nicht jede:r machen wird, vermutlich.
Für die ersten drei Verordnungen würde eine Fachärzt:in ausreichen. Doch muss es eine:r sein, welche:r die Erhebung über die Beatmung und Tracheostoma machen darf. Diese:r darf dazu die AKI verordnen und den Behandlungsplan erstellen. Doch ab der vierten Verordnung sind zwei unterschiedliche Ärzt:innen Pflicht.
Viele der bis zu 25.0000 Menschen, die AKI bekommen, benötigen spätestens ab dem 31.10.2023 eine neue Verordnung.
Es wird also eine ärztliche Bescheinigung benötigt, die der Krankenkasse sagt: Mein Patient mit Beatmung, mit Trachealkanüle, mit schwerer Epilepsie oder lebensbedrohlicher Schluckstörung: Diese:r benötigt (weiterhin) professionelle fachpflegerische Hilfe jeden Tag bis zu 24 Stunden.
Dafür haben sich kluge Menschen ausgedacht: Ja, wenn sie/er/es es denn benötigt, dann muss dies vorher geprüft sein: Hey, liebe Ärzteschaft, kann gut sein, dass ihr:e Patient:in es benötigt, doch prüfen sie erst bei eine:r Kolleg:in, ob sie/er/es nicht von der Beatmung entwöhnt werden kann oder sogar dieser Tubus aus der Luftröhre entfernt werden kann.
Das nennen diese schlauen Leute in ihren klimatisierten Büros: Potenzialerhebung. Also hat die/der Versicherte ein Potenzial von der Beatmung oder dem Tracheostoma entwöhnt zu werden.
Diese schlauen Menschen haben sich zur Umsetzung ausgedacht, es braucht zwei Ärzt:innen für eine Verordnung und mindestens eine:r davon muss speziell „zertifiziert“ sein, zum Beispiel muss diese:r länger intensivmedizinisch gearbeitet haben oder Patienten von der Beatmung entwöhnt haben.
Super Idee. Doch es gibt hier ein paar Probleme:
a.) bisher, jetzt im März 2023, sind mir für Jena in 50-km-Umkreis, die diese Erhebung machen, nur drei Praxen bekannt. Dabei gibt es hier allein in Jena mehrere Intensiv-WGs und häusliche Intensivversorgung.
Dies ergab eine Suche auf der Webseite der Thüringer Kassenärztlichen Vereinigung (KV).
Mein Sucherfolg für Ärzt:innen, die eine Potenzialerhebung machen, war bei zwei anderen Bundesländern Null.
Für Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre gab es keine Treffer für Arztpraxen.
b.) Dazu gilt, diese Potenzialerhebung der Fachärzteschaft darf nicht älter sein als drei Monate für die ärztliche Verordnung der AKI, also der Bescheinigung: Luise L. benötigt 24h täglich AKI, weil sie beatmet wird.
c.) Eine ärztliche Verordnung darf auch nicht mehrere Wochen alt sein vor dem Zeitraum, ab wann sie gilt.
d.) … hm, das schreibe ein andermal, wenn es die Pflegezeit bei Linn erlaubt …

AKI und das tagesaktuelle Fazit
Also fasse ich zusammen, ein Fazit:
- Bei der Kassenärztliche Vereinigung in Thüringen, mit ihrer Datenbank, fand ich drei Praxen in 50-km-Umkreis um Jena, die prüfen könnten, ob eine Versicherte mit AKI die Beatmung und ihr Tracheostoma braucht oder nicht. Bei zwei anderen KVs fand ich nichts bei der Arztsuche;
- Für Kinder gab es keine Treffer, so meine Suche bei drei KVs.
- Einen Termin bei einer Fachärzt:in benötigt eine längere Vorlaufzeit, zumeist von mehreren Monaten – beim letzten Check der Beatmung von Linn erhielten wir einen Termin innerhalb sieben Monaten.
- Im Oktober benötigen, spätestens, circa 22.000 Menschen eine neue ärztliche Verordnung und davor, also ab August, brauchen davon die meisten eine Potenzialerhebung;
- Dazu brauchen diese wiederum eine:n zweite:n Ärzt:in bei der vierten Verordnung, die dann die AKI verordnen darf; diese muss sich dafür auch „bereit erklären“ und gegebenenfalls fortbilden. Eine Verordnung braucht es regulär alle 6 Monate; nur in Ausnahmen zukünftig jährlich.
Jetzt erkläre mir ein schlauer Mensch, wie dies logistisch laufen soll, wenn
a.) die Potenzialerhebung auch wohnortnah und ohne hohe Belastung für die beatmeten Versicherten laufen soll, wenn man aber kein:e Fachärzt:in vor Ort hat. Denn für viele Versicherte mit AKI sind längere Krankentransporte eine sehr hohe Belastung, wenn nicht sogar unzumutbar.
b.) Welche Klinik oder Praxis kann bei den bestehenden Engpässen von Fachärzt:innen und Arbeitsaufwand für die bestehende Arbeit, dazu eine hohe Zahl Versicherte nebenher abarbeiten. Also die circa 20.000 Leute bundesweit, die im Spätsommer diagnostiziert werden sollen, mit ihrer Beatmung; und dies wiederum alle 6 Monate.
c.) Denn bisher gibt es keine Meldung vom Gesetzgeber und seiner Gefolgschaft für die Umsetzung: Hey, ja klar, das klappt so nicht, wir setzen das Gesetz erst mal aus oder verschieben diesen Start am 31.10.23 bis auf Weiteres.
Dann sage ich: Danke! Gut wäre noch, wenn bei den Versicherten auf eine Potenzialerhebung verzichtet wird, wo klar ist, die Beatmung ist auf immer ihr Hilfsmittel zur Lebenssicherung wie bei Kurzsichtigen die Brille fürs Lesen, zum Beispiel bei Muskelerkrankten oder Menschen mit hohem Querschnitt.