Charlott 2 (g)

Sie brauchen sich gar nicht so darin rein­hän­gen. Es bringt eh nichts, hat­te mir die Frau am Tele­fon gesagt. Beratung nen­nt sich das, Beratung für das behin­derte Kind. Ich glaub, da hätte ich mir die Mühe sparen sollen. Suchst dir die Num­mern zusam­men, ruf­st einen Vere­in an den näch­sten an und willst es wis­sen, ob das wirk­lich mit dem Ausweis richtig ist: Fritz ist nur noch achtzig Prozent schw­er behin­dert, als ich dies las, da machte es nur klack im Kopf, die Frage tickt sich durch den Schädel, der Kom­men­tar: Geht’s noch?

Am Anfang, mit dem ersten Leben­s­jahr, waren es hun­dert Prozent mit allen wichti­gen Merkze­ichen und jet­zt nur noch achtzig. Ich selb­st habe nichts gemerkt, wo die zwanzig Punk­te plus herkom­men sollen. Es kön­nte sich ja was geän­dert haben, meinte die Stimme am Tele­fon. Ich sehe nichts. Wider­spruch, klar, das war mein erste Gedanke, kenne ich schon von der Krankenkasse. Wider­spruch, dabei wollte ich nur wis­sen, wie das dort so abläuft, welchen Erfolg man hat beim Ver­wal­tungsamt. Ver­wal­tet, das wird man, wie ein Ding, ein Objekt, ohne die Frage, was ich bin, was Fritz ist. Fritz, ein junges Ding mit Merk­malen der Abnorm, doch jet­zt nur noch achtzig Prozent abnorm. Abnorm, so hat mir mal ein alter Rol­li­fahrer gesagt, der Begriff sei falsch. Defiz­it heißt es, ihr Sohn ist hun­dert Prozent defizitär.

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