Pflegedienst: Ist der Patient ein Kunde?

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Ob eine/​r es nun mag oder nicht. Die Bezie­hung Pfle­ge­dienst — Pati­ent stellt ein Kun­den­ver­hält­nis dar. Dies gilt auch, wenn eine Kran­ken- oder Pfle­ge­ver­si­che­rung oder ande­re Finan­zie­rer die Kos­ten der Pfle­ge übernehmen.
Aber spä­tes­tens dann wird es deut­lich, wenn die Kos­ten­über­nah­me eines Finan­ziers der Pfle­ge nicht aus­reicht und der Pati­ent, eben der Kun­de, bedarf das Pro­dukt Pfle­ge. Der Pfle­ge­emp­fän­ger wird zum direk­ten Zah­ler der Leis­tung und zeigt dadurch an: Ich bin euer Kunde.
Als Pfle­ge­un­ter­neh­men bedeu­tet es, Pati­en­ten­zu­frie­den­heit ist gleich Kun­den­zu­frie­den­heit. Die Kom­mu­ni­ka­ti­on spielt dabei eine bedeu­ten­de Rol­le. Doch ist der Pati­ent wirk­lich ein Kunde?

Ärztlicher Auftrag gleich Kundenauftrag

In der häus­li­chen Kin­der­kran­ken­pfle­ge (Inten­siv­pfle­ge) wird häu­fig die Pfle­ge­leis­tung über eine Zeit­ein­heit erbracht, was bedeutet:

  • Der Kin­der­arzt ver­ord­net zum Bei­spiel 30 Stun­den pro Woche oder 20 Stun­den pro Tag häus­li­che Kran­ken­pfle­ge. Durch die­sen ärzt­li­chen Auf­trag gene­riert sich ein Kundenauftrag.
  • Der Pfle­ge­dienst bekommt den ärzt­li­chen Auf­trag über eine Ver­ord­nung und bestä­tigt die­sen oder das, was er leis­ten kön­ne. Die Ver­ord­nung wird vom Pfle­ge­dienst unter­schrie­ben und somit als Auf­trag ange­nom­men. Die Ver­ord­nung wird der Ver­si­che­rung oder den jewei­li­gen Kos­ten­trä­gern zu gesendet.
  • Die Kran­ken­ver­si­che­rung (Kos­ten­trä­ger) prüft, ob die­ser Auf­trag durch sie finan­ziert wer­den kann, gege­be­nen­falls mit einem Gut­ach­ten. Passt alles, bekommt der Pfle­ge­dienst die Zusa­ge: Wir, die Ver­si­che­rung über­neh­men die Kosten.
  • Wenn der Pfle­ge­dienst bekun­det hat zum ärzt­li­chen Auf­trag, er kön­ne nur ein Teil über­neh­men, soll­te der Kos­ten­trä­ger abklä­ren mit dem Arzt und dem „Hil­fe­be­dürf­ti­gen“, ob der offe­ne Teil vom Auf­trag erfüllt wer­den muss oder nicht. Wenn ja, wird geprüft, wer dies über­neh­men kön­ne und wel­che Fol­gen ent­ste­hen, wenn der Auf­trag unvoll­stän­dig abge­leis­tet wird zum Bei­spiel für die Gesund­heit des Patienten.

Der Pati­ent bekommt die Geneh­mi­gung der Kran­ken­kas­se, der ärzt­li­che Auf­trag kann (im geneh­mig­ten Umfang) durch den Pfle­ge­dienst erbracht wer­den. Der ärzt­li­che Auf­trag ist dabei ein Kun­den­auf­trag, weil:

  • Der Arzt mit sei­nem Pati­en­ten oder des­sen ein­ge­setz­ten Ver­tre­ter bespricht und fest­legt, wie viel exter­ne Unter­stüt­zung (Pfle­ge­dienst) wird gebraucht, um 
    • die ärzt­li­che Behand­lung zu sichern und auszuführen
    • einen Kran­ken­haus­auf­ent­halt zu vermeiden.
  • Dem Pati­en­ten ist ein Wahl­recht zu erkannt, wer die ärzt­li­chen Ver­ord­nung erfül­len kann (Vor­aus­set­zung: Dienst­leis­ter muss aner­kannt sein beim „Zah­ler“ wie Kran­ken­kas­se, was eine Qua­li­täts­si­che­rung darstellt).
  • Der Pati­ent wird zu einem Kun­den, da er aktiv auf die ärzt­li­che Auf­trags­ge­stal­tung ein­wirkt, weil 
    • das Sor­ge­recht /​Selbst­be­stim­mung­recht des Pati­en­ten greift und er fest­legt, wel­che Leis­tun­gen von der ärzt­li­chen Ver­ord­nung erbracht wer­den sol­len vom Pflegedienst
    • er äußert /​sich wünscht, wann die­se Leis­tun­gen erbracht wer­den oder auch gebraucht wer­den, zum Bei­spiel wenn Ange­hö­ri­ge außer Haus sind und nicht die Pfle­ge über­neh­men können
    • er beim Pfle­ge­dienst Zusatz­leis­tun­gen ver­ein­bart /​ein­kau­fen will, die mit der ärzt­li­chen Ver­ord­nung nichts gemein haben, aber in Ver­bin­dung ste­hen kön­nen, zum Bei­spiel Abhol­diens­te oder die Lee­rung des Brief­kas­ten, wenn der Dienst beginnt.

Jetzt mag ein jeder mir gegen hal­ten, der Auf­trag­ge­ber der Pfle­ge ist doch die Kran­ken­kas­se, denn sie sen­det dem Pfle­ge­dienst über einen Bescheid die Auf­trags­be­stä­ti­gung zu. Dadurch gewinnt der Pati­ent nicht den „Sta­tus“ eines Kun­den; der Pati­ent zahlt ja nicht (Kauf­ver­trag), son­dern ist das Objekt, an dem die Leis­tung der Kran­ken­kas­se vom Dienst­leis­ter aus­ge­führt wird. Dies ist eine Sicht­wei­se, die als Gering­schät­zung des Pati­en­ten gewer­tet wer­den könn­te und sei­ne Rol­le im Gesund­heits­sys­tem entwertet.

Lexika und Kunde

Als ich auf Wiki­pe­dia nach­schla­ge, was Kun­de bedeu­tet, kam mir zuerst eine Unklar­heit ent­ge­gen, doch las­sen sich zwei Din­ge her­aus fil­tern, ich zitiere:

„Bei der Defi­ni­ti­on als Kun­de kommt es dar­auf an, dass der Kun­de min­des­tens ein Geschäft mit sei­nem Geschäfts­part­ner abge­schlos­sen haben muss.[10] Auch DIN EN ISO 9000:2005 – 12 defi­niert den Kun­den als „eine Orga­ni­sa­ti­on oder Per­son, die ein Pro­dukt emp­fängt“ (aus https://​de​.wiki​pe​dia​.org/​w​i​k​i​/​K​u​nde Abruf: 05.02.2017).

Wenn ich ins Bedeu­tungs­wör­ter­buch vom Ver­lag Duden schaue (5. Auf­la­ge 2015), heißt es:

„ … Per­son, die … regel­mä­ßig in einem Geschäft kauft oder bei einer Fir­ma einen Auf­trag erteilt. … Kun­den belie­fern, bedienen“

Dadurch wird der Pati­ent, der einen Pfle­ge­dienst wählt für die Erbrin­gung des ärzt­li­chen Auf­tra­ges zum Kun­den des Unter­neh­mens. Mit sei­ner Wahl erteilt er dem Dienst den Auf­trag, den er aus­ge­sucht hat. Der Pati­ent wird mit dem Pro­dukt „Pfle­ge“ beliefert.

Unklarheit: Auftraggeber des Pflegedienstes

Bei den gesetz­lich Ver­si­cher­ten ergibt sich aber eine Unklar­heit beim Pfle­ge­dienst: Wer ist den nun der Auftraggeber?

  • der Arzt, wel­cher die Ver­ord­nung ausstellt?
  • die Kran­ken­kas­se, die den Pfle­ge­dienst durch die Finan­zie­rungs­zu­sa­ge beauftragt
  • der Pati­ent, wel­cher den Pfle­ge­dienst als Kun­de auswählt

Eine schwie­ri­ge Gemenge­la­ge. Dies liegt dar­an, dass der Mensch, wel­cher die Rol­le eines Pati­en­ten ein­nimmt in unse­rem Gesund­heits­sys­tem, einen Über­blick und das Bewusst­sein über die Leis­tun­gen im Gesund­heits­sys­tem „ver­liert“. Als eine Ursa­che kann das Sach­leis­tungs­prin­zip der Kran­ken­kas­se gese­hen wer­den. Der Ver­si­che­rungs­neh­mer der gesetz­li­chen Kran­ken­kas­se (GKV) erfährt einen Ver­si­che­rungs­schutz, des­sen kleins­te Aus­ge­stal­tung er nicht an hoc und schnell erfas­sen kann. Was die Kran­ken­kas­se leis­tet oder nicht leis­tet, wird ihm häu­fig klar, wenn die Kran­ken­kas­se gewünsch­te Auf­trä­ge oder Leis­tun­gen ablehnt.

Dadurch rutscht der Arzt und der Pfle­ge­dienst in eine Rol­le, für den Pati­en­ten wis­sen zu müs­sen, was leis­tet die Kran­ken­kas­se, was nicht. Der Arzt und Pfle­ge­dienst wer­den zum Bera­ter für den Pati­en­ten, einer „eigent­lich“ grund­le­gen­den Auf­ga­be der Kran­ken­ver­si­che­rung. Die­se Auf­ga­be kön­ne bei­de bei der GKV bis zu einer gewis­sen Qua­li­täts­hö­he auch tra­gen, da die gesetz­li­chen Kran­ken­kas­sen im Gro­ben einen glei­chen Leis­tungs­spie­gel haben.

Der Arzt und Pfle­ge­dienst kön­nen dabei schnell zum Ent­schei­der wer­den, was für den Pati­ent in der Behand­lung rich­tig ist und sei­ne Mei­nung über­ge­hen. Rich­tig ist eben das, was von der GKV finan­ziert wird. Hier kann sich„verschwimmen “ und ver­klä­ren, für wem das Pro­dukt des Pfle­ge­diens­tes oder Arz­tes „her­ge­stellt“ oder geleis­tet wird: Ist es für die GKV? Deren Pro­duk­te aber sind für den Pati­en­ten, er ist der Emp­fän­ger und Ent­schei­der, was er braucht oder will und nicht die GKV. Die Kran­ken­kas­se stellt die Geld­mit­tel bereit, womit die Pro­duk­te (oder ein Teil) bezahlt wird.

Macht das Sacheleistungsprinzip die GKV zum Auftrageber

Durch das Sach­leis­tungs­prin­zip der Kran­ken­kas­se gegen­über Arzt und Pfle­ge­dienst wird es dem Pati­en­ten wie­der­um ein­fach gemacht, Leis­tun­gen für sei­ne Gene­sung zu erhal­ten, was auch wich­tig ist in gesund­heit­li­chen Kri­sen. Der Pati­ent wird von der Preis­ver­hand­lung, wie teu­er ein medi­zi­ni­sches Pro­dukt, eine Leis­tung ist, „befreit“. Der Geld­ge­ber ver­han­delt mit den Leis­tungs­er­brin­ger oder des­sen Ver­tre­ter (Ver­bän­de) die Prei­se aus.

Doch der Pati­ent bleibt Kun­de (End­ver­brau­cher der Leis­tung) und Auf­trag­ge­ber (Wahl­recht /​Bestim­mer des Leis­tungs­um­fangs). Denn bei­de, Arzt und Pfle­ge­dienst, haben selbst ent­schie­den, sie stim­men zu, dass die Finan­zie­rung der (Teil-)Leistungen der Kran­ken­kas­se nicht direkt vom Pati­en­ten bezahlt wer­den, son­dern über die Kran­ken­kas­se. Mit dem Ein­tritt in die­ses Sys­tem der gesetz­li­chen Kran­ken­kas­sen hat sich der Arzt und Pfle­ge­dienst auch ent­schie­den, die aus­ge­han­del­ten Prei­se zu akzeptieren.

Die Kran­ken­kas­se bestä­tigt also gegen­über den Pfle­ge­dienst, dass der ärzt­li­che Auf­trag für den Pati­en­ten X, in dem geneh­mig­ten Umfang bezahlt wird. Ver­zich­tet der Pati­ent auf sein Wahl­recht, kann die Kran­ken­kas­se selbst einen Pfle­ge­dienst aus­wäh­len und „ins­ge­samt“ beauftragen. 

Doch der Pati­ent oder des­sen Ver­tre­ter behal­ten ihre Mün­dig­keit. Sie blei­ben Kun­den und kön­nen sich selbst wei­ter als Auf­trag­ge­ber „sehen“, in dem sie den Auf­trag zu ihren „Wün­schen“ abän­dern, zum Bei­spiel: Der Pfle­ge­dienst soll zum Absau­gen und Kanü­len­wech­sel kom­men. Der Pati­ent wünscht aber nur den Kanü­len­wech­sel. Dem hat der Pfle­ge­dienst fol­ge zu leis­ten, da die Ver­ord­nung häus­li­che Kran­ken­pfle­ge ein­schließt (oder aus­schließt): Leis­tun­gen, die der Pati­ent oder die Ange­hö­ri­gen im glei­chen Haus­halt erbrin­gen kön­nen, sind auch von die­ser Grup­pe zu erbrin­gen. Hin­zu muss der Pati­ent zustim­men, dass die Pfle­ge­per­so­nen des Pfle­ge­diens­tes bei ihm auch die Leis­tun­gen, das Pro­dukt Pfle­ge, erbrin­gen dürfen.

Arzt gleich Auftraggeber?

Der Arzt bil­det die „Grund­la­ge“, war­um ein Pfle­ge­dienst von einer Kran­ken­kas­se finan­ziert wird. Er möch­te die Behand­lung sei­nes Pati­en­ten sichern, um den Krank­heits­ver­lauf bes­ten­falls posi­tiv beein­flus­sen zu kön­nen. Dadurch erklärt er dem Pfle­ge­dienst (auch dem Pati­en­ten), was zu leis­ten sei, mit dem Wis­sen, was bezah­len die Ver­si­che­run­gen (Kran­ken- und Pfle­ge­ver­si­che­rung), was wäre vom Pati­en­ten selbst zu zahlen.

Ist er Auf­trag­ge­ber? Er setzt einen Rah­men, die Basis für einen Auf­trag wie ein Archi­tekt die Pla­nung beim Haus­bau. Die Gesamt­aus­ge­stal­tung des Auf­tra­ges obliegt der Kran­ken­kas­se (was wird finan­ziert) wie der Kre­dit­ge­ber /​Finan­zier für den Bau, dem Pfle­ge­dienst (was kön­nen wir leis­ten) als Bau­fir­ma und dem Pati­en­ten (mit was will er den Pfle­ge­dienst beauf­tra­gen) als Bauherr.

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by dirkstr

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