“Letzte Lebens-Minuten, letzte Worte, vor allem darüber, was Schlimmeres als der Tod drohen könnte, dann ein Glas mit einem tödlichen Mix — so wird heute das Recht auf Selbstbestimmung interpretiert”
heißt im FAZ-Blog: Biopolitik (“Suizid vor laufender Kamera inszeniert”) zu der Suizid-Doku , die letzte Woche im britischen Fernsehen gesendet wurde. Immer wieder setzte sich in diesem Jahr das Thema „assistierte Suizid“ oder „Sterbehilfe“ neben mir. Ich konnte es nicht ignorieren, denn es war auch gerade dann präsent, wenn wir im Kinderhospiz waren, wie als wäre es eine direkte Analogie zu unserem Weg. Nehmen wir somit einfach den letzten Satz auf und stellen ihn als Frage: Ist der assistierte Suizid, die Sterbehilfe eine Analogie zum Weg unseres Kindes? Eine schlechte Frage, so vergaß ich ganz das „Wie“.
Die Analogie
Dass die Idee von einer Analogie gedacht werden kann, zeigte auch die Bild-Zeitung letzten Donnerstag aus Düsseldorf. Vorne als Aufreißer die Suizid-Doku mit dem tödlichen Mix, ein beatmeter Mann und weiter hinten der Bericht vom Kinderhospiz Regenbogenland mit einem Bild von unserem Kinde. Ist dies als Frage zu werten, welcher Weg nun der Wahre sei im Sinne: Die Würde am Lebensende. Aber was heißt Analogie, worin besteht die Ähnlichkeit zwischen dem Weg Sterbebegleitung und der Sterbehilfe. Gemein haben sie beides als Ergebnis: das Sterben, vielleicht könnte man auch den Begriff „Würde“ zu beiden rechnen und die Idee ohne Leid den Tod zu begegnen.
Die Würde und was?
Aber bei der Frage der „Würde“ scheitere ich bei der Sterbehilfe. Das Sterben als ein Prozess des Lebens verliert für mich seine unbestimmbare Natürlichkeit und ich kann die Idee einfach nicht weg wischen, dass man als „Selbsttätiger“ in der Sterbehilfe oder dem Suizid den Respekt vor dem eigenen Leben verloren hat, frei nach: Das Leben wird als ein Soll-Sein interpretiert, wird der Soll nicht mehr erfüllt, so ist es nicht mehr zu gebrauchen, bereitet nur Leid, also Ärger, und wird wie eine alte Maschine abgeschaltet, für immer. Letztendlich die Spitze von „jeder ist ersetzbar“. Dazu gesellt sich mir noch die Frage, ob das „zur Schau“ stellen seines eigenen Suizids in der Öffentlichkeit nicht parallel verläuft mit den Verlust der Achtung vor sich selbst und der Angehörigen, seines Lebenswerkes. Das letzte Bild bleibt in den Köpfen derer, die länger an einem gedenken. Für die Masse dient es vielleicht nur als Bestätigung und Verstärker ihrer eigenen Einstellung zum Thema.
Ein Nein zur Analogie?
Die Frage um die Analogie möchte ich an sich nicht formulieren, wollte ich nicht, da ich ahne, eine Antwort gäbe den assistierten Suizid ein Zuviel an Bedeutung, da ich darüber rede, als wäre es die Lösung aus dem Leben zu scheiden, wenn man in einer schweren gesundheitlichen Krise steckt. Die Analogie löst sich auf damit, vielleicht, doch steht dieser Konflikt „Sterbehilfe“ und „Sterbebegleitung“ in mir. Er ist nicht einfach abzuschalten. Eine Antwort darauf muss gesucht werden. Nein, vielleicht eher ein Bild, eine Vorstellung die auf eine Realität baut, meine Würde und meine Rechte als Mensch werden auch beachtet, wenn ich todkrank bin, ein schwerer „Pflegefall“. Aber wie heißt es am Ende vom Artikel im Faz-Blog: Biopolitik:
„Eine Alternative wäre deutlich zu signalisieren, dass auch Menschen mit höchsten Pflege- und Versorgungsbedarf am Leben der Gesellschaft weiter teilhaben sollen. Davon allerdings sind wir derzeit weit entfernt, wenn nichtmal die grundlegenden Menschenrechte in der Pflege gewahrt werden.“
Mit diesem Satz wird mir deutlich, dass eine gute Versorgung von einem schwerstbehinderten Kind wie unserem mit allein davon abhängig ist, wie sich das Umfeld, insbesondere die Eltern, für die Lebensqualität und einer guter Versorgung einsetzen. Also diese erst mit einem Kampfgeist erreichen können, frei nach: Ein Geschenk ist die Würde des Menschen nicht, sie ist ein Gut, was immer wieder erkämpft und verteidigt werden muss. Eine Lebenssituation der Familien, die sich dadurch noch erschwert, wenn die „Dienstleister“ im Gesundheitswesen die Sicherung der Lebensqualität bei schwer Kranken nicht verstehen oder eben, salopp gesagt, nicht erkennen können in dieser Situation, wie sich Lebensqualität ausdrücken kann.
Und noch mal Würde und Analogie
Damit gesellt sich noch die Frage zu mir: Wenn man als schwerer „Pflegefall“ schnell an Achtung und Respekt verlieren kann von seinem Umfeld, erhält man etwa damit die Menschenwürde für sich, wenn man in unlösbaren gesundheitlichen Krisen sein Leben einfach beendet? Nein, da man sich auch die Schlussfolgerung dann gefallen lassen muss, dass etwas nur dann als würdevoll gilt, wenn es gesund ist, womit man gleich an eine bekannte Erfahrung oder Debatte stößt, je nach dem, die Eltern häufig mit einem behinderten Kind schnell kennen lernen: „Hätte man es in der nicht erkennen können?“ Gemeint ist, ob die gesundheitliche Beeinträchtigung nicht erkennbar gewesen wäre in der Schwangerschaft. Und gemeint ist, ob man dann nicht das Lebensrecht dem Kinde verweigern hätte sollen. Es sollte also abgetrieben sein für den Fragenden. Behinderung, Krankheit, das ist nicht mehr das Leben …
So wandelt sich die Frage der Analogie also dahin, ob dies aufpuschen des assistierten Suizids in den Medien nicht eine ähnliche, also „analoge“ Grundeinstellung zur Akzeptanz angeborener Behinderung auslöst, wenn selbst alte Menschen mit dem Problem „Lebensmüdigkeit“ schon den assistierten Suizid wählen als Weg zum Tod. Welche Rechte bleiben am Ende dem, der trotz seiner schweren Erkrankung und hohen Pflegebedarfs nicht per Gift aus dem Leben scheiden möchte, sondern mit Hilfe der Palliativmedizin und dem Vertrauen in seinen Angehörigen ein würdevolles Sterben sucht. So wie das Leben ihm geschenkt wurde, möchte er es wieder gehen lassen. Taucht dann nicht auch die Frage der Außenstehenden auf, da es für diesen nicht erfassbar ist, ob man dieses „unnötige“ Leid gleich Sterben in den letzten Monaten, Tagen man nicht hätte verhindern können, eben mit dem Suizid oder der Sterbehilfe? Eine gefährliche Frage, nicht weil sie die Würde und die Achtung vor dem Leben verletzt, sondern weil sie eine gute medizinische und pflegerische Versorgung von schwer Kranken streitig macht.