In Niedersachsen wird akut die 60-Stunden Woche in der Pflege (Klinik) eingeführt und damit zwölf Stunden Dienste. Kaum war die Nachricht raus, alarmierte es auf Twitter und Instagram. Zu Recht, denn die Sorge ist klar: Es bringt viele Pflegefachkräfte noch mehr an die Belastungsgrenze und sorgt für ein Plus zum Abschied vom Pflegeberuf.
Außerklinische Intensivpflege hat 12 Stunden Dienste
Dabei kennen wir als Familie mit über 15 Jahre häuslicher Intensivpflege das Thema zwölf Stunden genauso lang. Viele Pflegedienste in diesem Sektor planen ihre Pflegekräfte regulär in zwei Dienste pro Tag ein.
Als Vorteil verkauft sich diese Dienstplanung gut: Die Krankenschwester arbeitet in wenigen Tagen im Monat ihre Sollstunden ab und hat letztendlich mehr freie Tage.
Das klingt nett, wenn nicht der Pflegenotstand wäre, einige Pflegedienste mehr Patientenstunden haben als Mitarbeiterstunden und Arbeitsausfall durch Krankheit zum Alltag gehört.
Der Nachteil der zwölf Stunden Dienste
Wenn ein Mitarbeiter in der außerklinischen Intensivpflege in einer Familie ausfällt, so ist der geplante Dienst unbesetzt. Also offen.
Wenn der Dienst 12 Stunden lang ist, dann ist es damit der halbe Tag ohne Pflegefachkraft.
Wenn dafür ein/e Kolleg:in einspringt, dann ist für sie /ihn ein ganzer freier Tag futsch. Übernähme die Pflegefachkraft dagegen nur einen achtstündigen Dienst oder weniger Stunden, sind es immerhin mindestens vier Stunden mehr Zeit für die Erholung.
Häufig, so erleben wir es bei uns und erfahren es von anderen Eltern: Wenn ein Mitarbeiter ausfällt, kann der offene Dienst nicht wiederbesetzt werden. Denn alle Pflegekräfte sind woanders eingeplant oder im Urlaub, selbst im Krank oder im verdienten Frei.
Das Arbeitszeitgesetz lässt häufig nicht zu, dass eine Pflegekraft aus dem Frei geholt werden kann.
Den offenen Dienst müssen die pflegenden Angehörige, also wir Eltern, selbst übernehmen.
Wenn es zwölf Stunden sind, dann sind es zwölf Stunden. Würde dagegen in drei Schichten geplant werden, wären es acht Stunden.
Offene Dienste belasten die Familien
Dazu gilt bei vielen Familien mit einem Intensivkind zu Hause, dass sie nicht nur die Dienste wegen Krankheit übernehmen müssen. Sie müssen schon vorher in den Diensten ihr Kind pflegen, welche erst gar nicht durch Dienstplanung besetzt werden konnten.
Der Pflegedienst hat für diese Dienstzeiten keine freien Mitarbeiter.
Man könnte damit leben, vielleicht, wenn es im Monat ein oder zwei Dienste wären. Doch dem ist nicht so. Es sind 10 oder mehr Dienste offen. Bei Versorgungen mit 24-Stunden Intensivpflege täglich sind sogar zwei Schichten von drei an einem Tag unbesetzt.
Dies belastet die Familien bis dahin, dass Eltern selbst in Erschöpfungskrisen rutschen und die Geschwister darunter leiden.
Wollen Pflegekräfte der Intensivpflege zwölf Stunden?
In diesen letzten 15 Jahren habe ich nur wenige Pflegefachkräfte angetroffen, die gerne lange Dienste über zwölf Stunden arbeiten. Es waren zumeist Leute mit langer Anfahrt oder die vor Ort beim Patienten in einer Pension lebten.
War der Block an Diensten vorbei, fuhren sie nach Hause.
Für viele andere Fachkräfte waren diese langen Dienste zu viel, insbesondere wenn sie Kinder hatten oder schon über 50 Jahre sind.
Logisch, zum einen sind zwölf Stunden am Stück anstrengend. Es ist eben Arbeit. Zum anderen blieb nach einem so langen Dienst kaum Zeit für die Familie, denn viele waren an den Arbeitstagen mindesten 14 Stunden außer Haus. Denn dazu kommt die Zeit für den Fahrweg.
Zwölf Stunden und der Abschied vom Pflegeberuf
Es ist traurig, wie die Pflegekräfte aktuell damit (mindestens) dreifach belastet werden. Einmal arbeiten sie mit einem schlechten Personalschlüssel auf Station, also zu viele Patienten pro Pflegekraft. Zum anderen belastet die gesamte Coronasituation, zum Beispiel selbst bei Ansteckung weiter arbeiten zu müssen.
Jetzt kommt dazu noch, dass sie in familienunfreundlichen Arbeitszeiten durch die überlangen Dienste gedrängt werden.
Was ist der Dank? Ein Dank in Art eines Freizeitausgleichs ist ungewiss, denn keiner weiß, wie lange es sein wird. Auch was danach geschieht.
Ein Dank, das in Zukunft mehr Personal auf Station arbeitet, wird es nicht geben oder das Betten gesperrt werden.
Ein Dank in einem Gehaltsplus, dass eine Haushaltshilfe zu Hause arbeiten kommt, wird es nicht geben. Doch selbst Haushaltshilfen wie in Jena sind rar.
Also bedeutet es: Die Arbeitsbedingungen für die Pflegenden werden sich nicht bessern. Es ist sogar zu erkennen, dass sie mit solchen Maßnahmen von den Leitungen verschärft werden.
Was bleibt den Pflegenden, als sich dann doch vom Pflegeberuf zu verabschieden.
Schade ist dabei, dass viele Pflegefachkräfte in der Klinik nicht die Arbeitsbedingungen in der außerklinischen Intensivpflege kennen. Gut, diese variieren auch von einem Pflegedienst zum anderen.
Doch gibt es tolle Arbeitsplätze mit Zeit für die Pflege.
Am Ende fehlen diese Kräfte nicht nur den Kliniken, sondern auch uns Familien mit einem Intensivkind. Wir merken es gerade mit Linn, da wir eine offene Stelle haben.
Es ist äußerst schwer Bewerber in Jena zu finden. Aber vielleicht kennst du einen, dann sag es weiter: Das PflegeTeam ZitronenZucker sucht eine Pflegefachkraft (m./w./d.). Und bei uns gibt es regulär keine zwölf Stunden Dienste.