Konflikt: Sozialarbeit und Patientenwahlrecht

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Dienst­leis­ter ist nicht gleich Dienst­leis­ter. Sie ken­nen es sicher­lich als Kun­de, wenn sie ihr Auto in die Werk­statt brin­gen oder einen Tisch­ler beauf­tra­gen. Sie wäh­len ihre Werk­statt, sie wäh­len die­sen einen Tisch­ler aus. Als Pati­ent oder Ver­si­cher­ter besteht auch ein Wahl­recht, sei es die Arzt­wahl, die Wahl des Sani­täts­hau­ses oder des Pfle­ge­diens­tes. Doch zu ihren „all­täg­li­chen“ Wahl­recht als Kun­de gibt es als gesetz­lich Kran­ken­ver­si­cher­ter einen Unter­schied. Der Ver­si­cher­te kann wäh­len, ja, ihm wur­de auch ein sol­ches Recht ein­ge­räumt, doch der Auf­trag­ge­ber für den Dienst­leis­ter ist die Kran­ken­kas­se. Die Kran­ken­ver­si­che­rung prüft, unter ande­rem, die Wirt­schaft­lich­keit Ihrer Dienst­leis­ter-Wahl. Ist Ihre Wahl als Ver­si­cher­ter nicht wirt­schaft­lich oder die Kran­ken­kas­se kommt mit dem Dienst­leis­ter auf kei­nen Kon­sens, kei­nen Ver­trag, dann wird es mit ihrem Wahl­recht als Ver­si­cher­ter schwie­rig. Ob dies zu lösen ist, ist ein ande­res Thema.

Doch was hat dies mit der Sozi­al­ar­beit zu schaf­fen. Jeder, der schon län­ger in der Kli­nik war, kennt den Sozia­len Dienst und /​oder das Ent­las­sungs­ma­nage­ment der Kli­nik oder des Kran­ken­hau­ses. Also ein Fach­per­so­nal, wel­ches sich dar­um küm­mert, wie es Zuhau­se wei­ter gehen kann, wenn spe­zi­el­le Hil­fen wie The­ra­pien oder Pfle­ge­dienst gebraucht wer­den. Eine gute und wich­ti­ge Auf­ga­be. Wie­der­holt durch mei­ne Arbeit und durch mein Ehren­amt erfah­re ich, wie die­se Sozi­al­ar­beit mit dem Pati­en­ten­wahl­recht in Kon­flikt kommt /​kom­men kann. Aus mei­ner Sicht lässt sich dies verhindern.

Die Wahl des Pflegedienstes

Für die häus­li­che Ve1410500035 thumbrsor­gung eines Inten­siv­kin­des ist die „rich­ti­ge“ Wahl eines Pfle­ge­diens­te ein wich­ti­ger Bau­stein, damit die häus­li­che Ver­sor­gung gut funk­tio­nie­ren kann. Eine Grund­la­ge ist, die Eltern kom­men „per­sön­lich“ mit dem Pfle­ge­dienst zurecht, sie ver­trau­en ihm die auf­wän­di­ge häus­li­che Pfle­ge des Kin­des zu und an. Und wie lässt es sich gestal­ten? Die Eltern haben sich zum Bei­spiel aus drei Diens­ten ihren Pfle­ge­dienst aus­ge­sucht. Die­se Wahl kann sehr sub­jek­tiv sein, die Kri­te­ri­en für die Pfle­ge­dienst­wahl müs­sen sich nicht an den Qua­li­täts­kri­te­ri­en ori­en­tie­ren, wie es die Bera­te­rin vom Pfle­ge­stütz­punkt machen würde.

Der Sozi­al­ar­beit käme dabei eine Fil­ter­auf­ga­be zu. Ihre Auf­ga­be wäre es, eben die Pfle­ge­diens­te dem Pati­en­ten vor­zu­stel­len, die in die­ser spe­zia­li­sier­ten Kin­der­kran­ken­pfle­ge tätig sind und auch ihre Qua­li­fi­ka­ti­on in dem Bereich dar­stel­len kön­nen. Doch schei­tert die­ses Wahl­recht dann, wenn die Sozi­al­ar­beit die Kran­ken­kas­se auf die häus­li­che Inten­siv­kran­ken­pfle­ge vor­be­rei­tet und die Kran­ken­kas­se „schlägt“ einen Pfle­ge­dienst vor. Das Pati­en­ten­wahl­recht schei­tert, wenn die Sozi­al­ar­beit der Kran­ken­ver­si­che­rung fol­ge leis­tet und nur deren Dienst­leis­ter der Fami­lie „vor­setzt“ oder sie stellt nur ihren eige­nen Favo­ri­ten vor. Aus mei­ner Sicht und Wis­sen­stand gibt es kei­nen Zwang, war­um die Sozi­al­ar­beit so han­deln muss. Sie kann auf das Wahl­recht ver­wei­sen und sie hat noch ein kräf­ti­ge­res Argu­ment: Die Sozi­al­ar­beit muss prü­fen, zusam­men mit dem Arzt und der Pfle­ge, ob die jewei­li­gen Diens­te auch die benö­tig­te Behand­lungs­pfle­ge beim Inten­siv­kind erbrin­gen kann.

Nachteil für die Sozialarbeit

Folgt die Sozi­al­ar­beit der Kran­ken­kas­se und setzt dem Pati­en­ten einen Pfle­ge­dienst vor, so kann sie von dem Pati­en­ten nega­tiv bewer­tet wer­den und sogar das Ver­trau­en ver­lie­ren. Denn, wenn es Zuhau­se mit dem Pfle­ge­dienst nicht klappt, egal aus wel­chen Grün­den , für den Pati­en­ten kann die Sozi­al­ar­beit schuld sein. Sie hat den Pfle­ge­dienst vor­ge­stellt und alles orga­ni­siert. Der Ver­si­cher­te wur­de nicht um sein Ein­ver­ständ­nis gefragt, ihm wur­de der Pfle­ge­dienst vor­ge­setzt, er hat­te kei­ne Ent­schei­dung zu tref­fen. Wenn er kei­ne Wahl hat, dann trägt er auch kei­ne Ver­ant­wor­tung für die­se Ent­schei­dung, so sei­ne mög­li­che Sicht.

Sicher­lich, es ist für die Sozi­al­ar­beit mehr Auf­wand, meh­re­re Pfle­ge­diens­te vor­zu­stel­len und dann viel­leicht der Kran­ken­kas­se noch die Info zu ste­cken, der Pati­ent hat sich für einen ande­ren Pfle­ge­dienst als den der Ver­si­che­rung ent­schie­den. Und ich sehe die Sozi­al­ar­beit gera­de in die­ser Rol­le, den Ver­si­cher­ten in sei­ner Ent­schei­dungs­ge­walt zu unter­stüt­zen. Sie kann dabei und soll­te den Ver­si­cher­ten die Gren­zen sei­ner Ent­schei­dungs­macht gegen­über sei­ner Ver­si­che­rung erklä­ren: Der Auf­trag­ge­ber für den Pfle­ge­dienst ist die Kran­ken­kas­se. Die­se könn­te selbst noch einen Pfle­ge­dienst ihrer Wahl vor­stel­len las­sen und die­sen den Zuschlag geben.

Patientenwahlrecht bedarf einer Strategie

1410500080 thumbMir ist nicht bekannt, dass die Kran­ken­kas­sen die Macht haben, den Kli­ni­ken vor­zu­schrei­ben, wel­che Dienst­leis­ter sie den Ver­si­cher­ten vor zu set­zen haben. Und wie lie­ße sich das Pati­en­ten­wahl­recht in der Wahl des Inten­siv­pfle­ge­diens­tes regeln?
Wenn die Sozi­al­ar­beit einen Pfle­ge­dienst sucht, so kann sie die Diens­te fra­gen, ob sie mit der jewei­li­gen Kran­ken­ver­si­che­rung zusam­men­ar­bei­ten. Sagt der Pfle­ge­dienst ja und er ist bereit, den mög­li­chen Pfle­ge­auf­trag anzu­neh­men, ist Schritt Eins getan. Also steht die Annah­me, die Kran­ken­kas­se braucht kei­nen ande­ren Pfle­ge­dienst vorschlagen.

Schritt Zwei wäre: Ist abseh­bar, das Inten­siv­kind braucht einen Kin­der­kran­ken­pfle­ge­dienst, dann mög­lichst früh­zei­tig die Wahl des Diens­tes mit dem Ver­si­cher­ten /​der Fami­lie tref­fen, die Ver­ord­nung aus­stel­len las­sen und dem gewähl­ten Inten­siv­pfle­ge­dienst mit­ge­ben. Der Dienst bean­tragt die Häus­li­che Kran­ken­pfle­ge mit sei­nen Konditionen.

Früh­zei­tig heißt: Auch wenn der Ent­las­sungs­ter­min noch 8 Wochen hin ist, soll­te die häus­li­che Inten­siv­kran­ken­pfle­ge orga­ni­siert wer­den. Die Beden­ken des Arz­tes, der Pfle­ge­um­fang bei dem Inten­siv­kind könn­te sich noch ändern, statt 24 Stun­den täg­lich bräuch­te es doch nur Nacht­dienst. Der Arzt kann jeder­zeit eine Kor­rek­tur der benö­tig­ten Behand­lungs­pfle­ge aus­stel­len. Die Vor­tei­le mit dem Ver­lauf wären:

  • die Kran­ken­kas­se kann auf­grund es zeit­li­chen Vor­laufs bis zur Ent­las­sung, selbst ihren favo­ri­sier­ten Pfle­ge­dienst dem Pati­en­ten vorstellen
  • der Pati­ent kann sein Wahl­recht nut­zen und über­nimmt mit sei­ner Ent­schei­dung auch die Ver­ant­wor­tung für sei­ne Wahl; der Pati­ent erlebt die Fähig­keit, selbst auf sei­ne Lebens­kri­se gestal­tend ein­zu­wir­ken — eine wich­ti­ge Stra­te­gie für eine posi­ti­ve Krank­heits- und Krisenbewältigung
  • die häus­li­che Inten­siv­kran­ken­pfle­ge kann schon für einen län­ge­ren Zeit­raum geneh­migt wer­den, denn die Kran­ken­ver­si­che­rung kann das benö­tig­te MDK-Gut­ach­ten erstel­len las­sen für die Inten­siv­pfle­ge; es wird für alle Sei­ten eine Pla­nungs- und Ver­sor­gungs­si­cher­heit hergestellt
  • der spe­zia­li­sier­te Pfle­ge­dienst hat genü­gend Zeit mit der Kran­ken­kas­se über die Finan­zie­rung der Pfle­ge zu ver­han­deln, sofern kein Ver­trag oder Preis­ver­ein­ba­rung besteht
  • bei einer zügi­gen Auf­trags­er­tei­lung der Kran­ken­kas­se an dem Pfle­ge­dienst kann die­ser das Pfle­ge­team auf­bau­en und mit der Ein­ar­bei­tung in der Kli­nik begin­nen; das Ärz­te­team, die Kli­nik­pfle­ge kann den Pfle­ge­dienst bei Ein­ar­bei­tung prü­fen, ob die­ser wirk­lich die Fach­qua­li­tät erbrin­gen kann für die spe­zia­li­sier­te Ver­sor­gung des Intensivkindes
  • gibt es Pro­ble­me mit dem Anspruch auf die häus­li­che Inten­siv­pfle­ge oder mit der Wahl des Pfle­ge­diens­tes, so besteht Zeit für Klä­run­gen und auch für den Ver­si­cher­ten in Wider­spruch zur Ent­schei­dung der Kran­ken­ver­si­che­rung zu gehen.

Sozialer Dienst — Gestalter im Gesundheitswesens

Wenn die Sozi­al­ar­beit sich nicht um das Pati­en­ten­wahl­recht bemü­hen, es nicht beach­tet, ist dies kri­tisch zu betrach­ten. Die Sozi­al­ar­beit in der Kli­nik sehe ich als ist Mit­ge­stal­ter für die Ent­wick­lung unse­res Gesund­heits­we­sens. Sie trägt mit dazu bei,

  • ob und wie die Rech­te der Pati­en­ten umge­setzt werden
  • ob die Kran­ken­kas­sen beim Ent­las­sungs­ma­nage­ment im Vor­feld schon Ein­fluss neh­men kön­nen und somit even­tu­ell eine Beschnei­dung der mög­li­chen Leis­tun­gen statt­fin­det, frei nach: Dies brau­chen sie gar nicht bean­tra­gen, geneh­mi­gen wir eh nicht
  • ob alle regio­na­len /​über­re­gio­na­len Dienst­leis­ter (Home­ca­re, Pfle­ge­diens­te, ambu­lan­te The­ra­peu­ten) berück­sich­tigt wer­den und somit eine Mono­pol­stel­lung eines Dienst­leis­ters in der Kli­nik ver­mie­den wird; der Pati­ent muss wis­sen, wenn er mit sei­nem gewähl­ten /​ver­ord­ne­ten Dienst­leis­ter nicht zufrie­den ist, es gibt Konkurrenzunternehmen
  • wie weit die Kran­ken­kas­sen die Dienst­leis­ter bestimmt kann „aus der Fer­ne“ ohne Alter­na­ti­ven zu zu las­sen; eine Pra­xis mit der Gefahr, eine gewünsch­te Ver­sor­gungs­qua­li­tät Zuhau­se wird viel­leicht nicht erreicht; Qua­li­tät in einer spe­zia­li­sier­ten Ver­sor­gung erfor­dert ande­re Preis­kal­ku­la­tio­nen als in der „Mas­sen­ver­sor­gung“

Dabei soll­te man sich bewusst machen, die Ent­wick­lung unse­res Gesund­heits­sys­tem, die erreich­ten Leis­tun­gen, ist auch ein Ergeb­nis, weil der Bedarf geäu­ßert und durch­ge­setzt wur­de von den Ver­si­cher­ten und den Leis­tungs­er­brin­gern. Dies bedeu­tet, es kann hilf­reich sein für die Sozi­al­ar­beit, sich klar zu sein, wel­che „Spiel­räu­me“, wel­che Gren­zen ein jeder hat, ob Kran­ken­kas­se, Ver­si­cher­ter oder die Gesund­heits­be­ru­fe. Eine Rol­len­klar­heit, ein Nein oder ein Wider­spruch bei Ableh­nun­gen von Leis­tun­gen sind wich­ti­ge Ele­men­te für die Gestal­tung und dem „Aus­bau“ der Leis­tun­gen unse­res Gesund­heits­sys­tem. Auch wenn ein Nein oder ein Wider­spruch ein mühe­vol­ler Weg sein kann, er kann loh­nend sein für die Rech­te der Ver­si­cher­ten in Zukunft. Es kann für den Sach­be­ar­bei­ter der Kran­ken­kas­se oder dem MDK erst durch den Wider­spruch deut­lich wer­den, um was es geht bei der jewei­li­gen Ver­sor­gung und war­um die ange­for­der­ten Leis­tun­gen eine not­wen­di­ge Grund­ver­sor­gung darstellen.

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by dirkstr

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