Der Job in der Pflege, ob professionell oder ehrenamtlich (pflegende Angehörige), birgt eine hohes gesundheitliches Risiko. Okay, es klingt jetzt vielleicht überzogen, aber die Statistik besagt aus Berlin — Brandenburg, der Krankenstand bei den Pflegekräften ist höher als im Baugewerbe. Insbesondere betrifft es die Erkrankungen beim Muskel-Skelett-Apparat und der Psyche wie die Verhaltensstörungen.
Es ist eine Nachricht, die mich zweifach erschreckt. Zum einen gilt es für mich als Pflegeperson und zum anderen für das Personal unseres Pflegedienst. Krankheitsausfälle bedeuten für uns häufig, der gebuchte Dienst fällt aus.
Eine Ursache seien die Arbeitsbedingungen. Okay! Somit stellt sich die Frage, was kann ich an den häuslichen Arbeitsbedingungen ändern oder verbessern?
Wir sorgen schon für:
- rückenschonendes Arbeiten durch ein höhenverstellbares Pflegebett und Deckenlifter (Umlagern)
- gute Lichtverhältnisse, zum Beispiel für den Nachtdienst
- ausreichend Hygieneprodukte und eine zimmernahe Toilette mit Waschzelle
- Internetzugang, Strom für die Kommunikation und der digitalisierten Erholung in den Pausen
Woran wir stetig arbeiten, was uns nicht 100% gelingt, sind:
- klare Ansagen zu treffen, was bei der Madame zu leisten ist und wie;
- Grenzen setzen, um ein gutes Nähe-Distanz zu schaffen
- Erwartungen untereinander klären
- Unsicherheiten im Umgang mit der Madame zu erfassen; was die Pflege der Madame erschwert
- Handlungsmöglichkeiten und Strategien basteln (Pflegeplan), wie die Pflegefachkräfte arbeiten können, wenn die Madame Krisen hat (Schmerzen, Ruhelosigkeit, Epilepsie); besonders für die Zeit, wenn wir nicht in der Nähe sind.
- erreichbar zu sein für Rückfragen der Pflegefachkräfte
- offen zu sein für die eigene Persönlichkeit der Pflegefachkräften und schauen, wo könnten ihre Stärken sein, was können wir verstärkt fördern
- hohe Toleranzschwelle bei Fehlern; zeitnahes Feedback geben, wenn die „Dinge“ nicht so laufen, wie gewünscht
Es ist eine unvollständige Liste und es gibt Geschehnisse, wo die Pflegefachkräfte andere Erwartungen haben oder schneller Lösungen wollen, als wir uns bewegen. Es gibt Punkte, die wir nicht lösen können. Zum einen, weil es nicht in unserer Macht liegt, wie die Auswirkungen der Erkrankung (Epilepsie, Spastik). Zum anderen können wir nicht die Schwere der Pflege auflösen. Manches erkennen wir auch nicht, da unser Wissen Grenzen hat und unser Verstehen der Welt, der Dinge um uns herum, eine subjektive Interpretation ist.
Irritierend bei der Meldung finde ich die genannte Schublade Erkrankung „Verhaltensstörungen“. Ist dies eine bessere Umschreibung für psychiatrische Erkrankungen? Wenn ich einen Artikel von Wikipedia richtig verstehe, versteckt sich darunter die Krankheiten wie Sucht oder Essstörungen. Okay, das es zu Suchterkrankungen bei belastenden Arbeitsbedingungen kommen kann, ist traurig, aber eine Wirklichkeit.
In den letzten Jahren hat sich auch viel zum positiven entwickelt: Risiken und Gefährdungen im Pflegebereich wurden erkannt. Vielfach sind umfangreiche Maßnahmen für körperliche, hygienische und psychische Belastungen gefordert. Leider ist speziell im home-care-Bereich die Umsetzung oft nicht einfach. Da ist unser Bereich der Pflegebetten nur ein kleiner Unterpunkt im gesamten System. Letztendlich bleibt im Gegensatz zu klassischen Handwerks- oder Industrieberufen trotz aller Maßnahmen für Angehörige und Pflegekräfte ein höheres Risiko und eine höhere Belastung.
Ebenfalls fällt mir positiv auf: Der Einsatz und die Leistung der meisten Pflegekräfte ist viel engangierter und liebevoller als deren durch Medien meist verbreitete Ruf.
Ja, die Umsetzung für die Maßnahmen im Homecare-Bereich sind nicht einfach. Zum einen besteht, aus meiner Erfahrung, fehlendes Wissen bei den Betroffenen: Was könnte meine Pflegearbeit erleichtern. Die Hausärzte sind hierzu auch nicht ausgebildet und das Instrument “Pflegeberatungseinsatz” basiert auf keiner einheitlichen Qualitätsgrundlage.
Auch aus meiner Sicht sind viele Pflegekräfte engagiert — die Medien stürzen sich eher auf die “Skandale”. So kommt es bei mir an. Was gut läuft, wo die Qualität stimmt — das bringt vermutlich nicht die Kundenzahlen an Lesern oder Zuschauern.
Ja, es ist schon nicht ganz einfach solche Maßnahmen immer einwandfrei umsetzen zu können — ich spreche da auch aus Erfahrung.
Aber man versucht natürlich immer sein Bestes zu geben.