Inklusion zur Schulpflicht — Ferien, dann zahle selbst?

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Die Inte­gra­ti­on in Jena klappt sehr gut, so am Bei­spiel vom Inten­siv­kind, wenn wir lesen oder hören von Eltern aus ande­ren Gegen­den der Repu­blik*. Jena könn­te “Vor­zei­ger” sein, doch was ist mit der Feri­en­be­treu­ung der inte­gra­ti­ven Schul­kin­der? Kei­ne guten Nach­rich­ten, wie ich von ande­ren Eltern hörte.

Schnell ist die Nachricht

Inklu­siv oder inte­gra­tiv das behin­der­te Kind in den Feri­en unter zu bekom­men, wür­de jetzt in Jena zu einem “teu­ren” Unter­neh­men wer­den. Wenn ich die letz­ten Infos von eini­gen Eltern rich­tig ver­ste­he, dann soll der Inte­gra­ti­ons­hel­fer in den nächs­ten Feri­en ver­mö­gens­ab­hän­gig geneh­migt wer­den. Oder anders: wer als Eltern im Job steht, kein Recht auf Sozi­al­hil­fe hat, zahlt ver­mut­lich für die Inklu­si­on in den Feri­en selbst. Der Inte­gra­ti­ons­hel­fer wird über den Topf “Sozi­al­amt” finan­ziert, somit neh­me ich die Ver­mö­gens­gren­zen der Sozi­al­hil­fe an. Cir­ca 24 Euro die Stun­de soll der Inte­gra­ti­ons­hel­fer kosten.

Wohin mit dem behinderten Kind …

Dadurch rollt auf die Eltern von behin­der­ten Kin­dern in Jena ein Betreu­ungs­pro­blem zu. Wie bekom­me ich mein Kind in den Feri­en unter? Einen Inte­gra­ti­ons­hel­fer zu bezah­len kann ich mir nicht leis­ten. Muss ich mei­nen Job auf­ge­ben, um selbst die 12 Wochen Feri­en, davon 6 am Stück, mei­nes Kin­des abzu­si­chern? Denn ein behin­der­tes Kind fährt nicht “ein­fach” in ein Feri­en­la­ger oder zu den Groß­el­tern. Es kann auch nicht allein zu Hau­se blei­ben. Der spe­zi­el­le Pfle­ge­auf­wand wie auch der Betreu­ungs­be­darf erfor­dert Fach­per­so­nal, zum Bei­spiel für die spe­zi­el­le För­de­rung zum Erhalt der kogni­ti­ven Fähig­kei­ten. Wäh­rend der Schul­zeit wird der Inte­gra­ti­ons­hel­fer (noch) geneh­migt, zumin­dest hör­te ich von kei­nem Nein. Die Hil­fen zur Inklu­si­on sind Pflicht, ins­be­son­de­re wenn es kei­ne alter­na­ti­ve Son­der­schu­le mehr gibt. Doch eine Feri­en­be­treu­ung, dazu ver­pflich­tet der Gesetz­ge­ber kei­nen Schü­ler — war­um soll dies die Kom­mu­ne finanzieren?

Recht auf Inklusion — Verständnis von Leben mit Allen

Dies zeigt, wie Inklu­si­on ver­mut­lich ver­stan­den wird: Wir gestal­ten dort Inklu­si­on, wo der Gesetz­ge­ber Pflich­ten der Teil­nah­me erklärt hat. Inklu­si­on am kul­tu­rel­len Leben, als Teil­ha­be am gesell­schaft­lich-öffent­li­chen Leben fällt nicht dar­un­ter. Darf ich dies jetzt als ein pri­va­tes Bedürf­nis ver­ste­hen? Wer es sich leis­ten kann, kann sich freu­en, wer arm ist, kann einen Antrag auf dem Amt stel­len dafür. Das Kind mit Han­di­cap und deren Eltern kön­nen sich üben im Bitt­stel­len an die Kom­mu­ne für die Teil­ha­be am Leben der Kommune.

Zugang zum Hort — Nein in Ferien

Wenn die Inte­gra­ti­ons­hil­fe in den Feri­en wirk­lich ver­mö­gens­ab­hän­gig wird, so sehe ich es als eine Ungleich­be­hand­lung an von Fami­li­en mit behin­der­tem Kind gegen­über den “nor­ma­len” Fami­li­en. Wir zum Bei­spiel zah­len die übli­chen Hort­ge­büh­ren, wodurch die Teil­ha­be am Hort “abge­gol­ten” sein soll­te. Wenn wir für den (Ferien-)Hort noch den Inte­gra­ti­ons­hel­fer finan­zie­ren müs­sen, ist dies mehr als eine Dop­pel­be­las­tung. Uns wird damit die Teil­ha­be erschwert, ver­wei­gert und die für “gesun­de” Kin­der gesi­cher­te Feri­en­be­treu­ung abhän­gig gemacht von unse­ren finan­zi­el­len Leis­tun­gen. Kurz gesagt: Unser Recht auf den Hort­platz ist abhän­gig, ob wir die­sen Zugang zah­len kön­nen oder ihn finan­ziert bekom­men, wenn wir wenig Ver­mö­gen haben, dass das Sozi­al­amt zahlt. Also die Bar­rie­ren der Inte­gra­ti­on bestehen nicht im feh­len­den Fahr­stuhl oder einer Toi­let­te mit Wickel­tisch, son­dern, ob der Zugang vom behin­der­ten Kind selbst finan­ziert wird.
Fol­ge ich mei­nen Gedan­ken wei­ter, dann ent­wi­ckelt sich die Fra­ge: Wovon hängt eine erfolg­rei­che Inklu­si­on ab? Vom päd­ago­gi­schen Kon­zept? Vom Wil­len der Trä­ger der öffent­li­chen Ein­rich­tun­gen? Vom Geld­beu­tel der Eltern?

Kosten, Kosten sparen

Der Grund für die­se Maß­nah­me, so ver­nahm ich von einem Vater, die Kom­mu­ne müs­sen Kos­ten spa­ren. Ja, wie? Es wer­den die Kos­ten redu­ziert, bei denen man wohl mei­ne, die­se sind eine “Kann”- Leis­tung. Also dort steht Deutsch­land mit der Inte­gra­ti­on von behin­der­ten Men­schen: Es ist eine Kann-Leis­tung; mit den Schu­len machen wir es nur, weil kei­ner mehr die Son­der­schu­len mag. Aber an sich …

*Ein Ver­gleich über Hören-Sagen ist schwie­rig. Bei einer Inte­gra­ti­ons­leis­tung kommt es nicht nur auf den Finan­zie­rungs­wil­len der Kom­mu­ne an. Wich­tig ist zum Bei­spiel die Erwar­tung, das “Ver­ständ­nis” der Inte­gra­ti­on von Betrof­fe­nen selbst wie auch die Erfah­rung und Mög­lich­kei­ten der Einrichtungen.

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Kommentare

  • Ich bin froh, saß mein Sohn einen Rol­li­ge­rech­ten Hort besu­chen kann. Nur nicht in den Feri­en, obwohl ich den Maxi­mal­bei­trag zah­le, wie jedes ande­re nicht­be­hin­der­te Kind. nun ste­hen die Feri­en­vor der Tür mit einem wirk­lich super, abwechs­lungs­rei­chen Pro­gramm und ich muß mei­nem Kind sagen, du darfst nicht gehen! War­um? Weil wir Eltern Eine Arbeits­s­tel­le­ha­ben? War­um tut sich da nicht end­lich etwas in der Politik?

    • Hal­lo Bettina,
      die Begrün­dung, war­um euer Sohn den Hort nicht besu­chen kann — könn­test du es erläu­tern? Vie­le bekom­men für den Hort kei­ne Inte­gra­ti­ons­hil­fe bezahlt, da der Hort nicht als Maß­nah­me zur Schul­bil­dung ange­se­hen wird.

by dirkstr

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