Inklusion zur Schulpflicht — Ferien, dann zahle selbst? II.

Wir sind in Thürin­gen, in Jena mit­ten in den Oster­fe­rien und die erste Aufre­gung um die Finanzierung der Ferien­be­treu­ung von den behin­derten Schulkindern hat sich bei uns beruhigt. Zuvor war unklar, ob die Betreu­ung dieser Kinder von der Kom­mune und/oder den Eltern finanziert wer­den muss. Doch wer­den für die Oster­fe­rien als Über­gangsweg die Kosten von der Kom­mune über­nom­men, so die OTZ Jena vom 22.03.13, und als näch­ster Schritt soll ab dem Som­mer eine „richtige“ Betreu­ungslö­sung gefun­den wer­den. Wenn ich den Bürg­er­meis­ter richtig ver­stand, soll für die Fam­i­lien eine gute Lösung erar­beit­et wer­den, die aber über die Entschei­dungs­gremien der Stadt­poli­tik abgeschlossen wer­den muss und dem Sozialge­set­zbuch gerecht wird.

Was wäre eine gute Lösung für uns Eltern? Kurz: Ein finanziertes Ganz­tagsange­bot für die behin­derten Kinder, ob in der Schul- oder Ferien­zeit, und dies möglichst Einkom­mens- und Ver­mö­gen­sun­ab­hängig. Diese, unsere Kinder besitzen nicht die Fähigkeit, sich selb­st über­lassen zu wer­den, wed­er im Grund­schu­lal­ter noch in der weit­er­führen­den Schule. Sie brauchen eine führende Begleitung, eine Assis­tenz und, wenn nötig, eine heilpäd­a­gogis­che Ansprache. Es sollte, wie ich die Inklu­sion ver­ste­he, über den Anspruch der Betreu­ung keine Bittstel­lung und Diskus­sion beste­hen, son­dern das Umge­drehte gel­ten: Was brauchen Sie, damit ihr behin­dertes Kind am All­t­ag in der Schule und Ferien teil­nehmen kann?

Warum dies nicht so ist? Warum eine Teil­habe am öffentlichen (nicht-Schule) und kul­turellen Leben einkom­mens­ab­hängig sei? Unsere Sozialge­set­zbüch­er hinken den Ansprüchen und der gewoll­ten Wirk­lichkeit der Inklu­sion und Inte­gra­tion von behin­derten Men­schen hin­ter­her. Die (alte) Forderung wird deut­lich, wir brauchen ein einzelnes Sozialge­set­zbuch für die Eingliederung­shil­fe und eine Eingliederung­shil­fe, die eine Teil­habe gewährt unab­hängig vom Geld­beu­tel. Die Inklu­sion ist ein gesellschaftlich­er Auf­trag und kein Pri­vatvergnü­gen. Das gesellschaftliche Leben find­et nicht nur am Arbeit­splatz oder an der Schul­bank statt. Ger­ade für die erfol­gre­iche Ein­bindung in ein Team am Arbeit­splatz oder in die Schulk­lasse ist eine gemein­sames Freizeit- und Kul­turleben wichtig.

Eingliederung kostet

Ich mag nicht bestre­it­en, dass die Teil­habe, die Inklu­sion Geld braucht. Denn die Men­schen und Fachkräfte, welche die Inklu­sion als Begleiter/In oder Assis­tenz durch­führen, wollen von dem Lohn leben. Dabei spreche ich bewusst von Fachkräften, denn Inklu­sion funk­tion­iert nicht danach: „So, ich hab da einen Job für Sie. Es hat lei­der nichts mit Verkaufen zu schaf­fen. Es gibt da einen jun­gen Mann, eingeschränk­te Motorik, gehbe­hin­dert, der braucht Hil­fe. Schauen es sich mal an. Da laufen Sie immer mit und der Mann sagt schon, was er braucht …“

Um eine gute Inklu­sion zu leis­ten, braucht es Fach­wis­sen und aus­ge­bildete Fähigkeit­en. Dazu kommt die Wertschöp­fung, die durch Inklu­sion / Inte­gra­tion entste­ht im gemein­samen Leben. Dies wird wieder­holend deut­lich in der Schulk­lasse vom Inten­sivkind. Es fördert bei den Kindern die soziale Kom­pe­tenz und das jed­er ein­fach als Men­sch sein kann neben dem Inten­sivkind, so wie er ist. Ein wichtiger, ent­las­ten­der Gegen­pol zu ein­er leis­tung­sori­en­tierten Gesellschaft.

Eingliederung, Inklu­sion kostet und wir, die Gesellschaft, hat sich bish­er zu wenig auf ein bar­ri­ere­freies Leben für alle ein­ge­lassen. Wir alle wür­den selb­st davon prof­i­tieren, wenn zum Beispiel alle Gebäude auch auf Roll­stuhlnutzer aus­gerichtet sind. Bei alten Men­schen senkt es die Pflegekosten, da sie mit den Rol­la­tor über­all hinkom­men, selb­st das Duschen möglich wird.

Inklu­sion / eine Teil­habe kann aufzeigen, dass ein Leben mit Behin­derung mit guter Leben­squal­ität möglich ist und kein Auss­chluss aus der Gesellschaft bedeutet. Viele Eltern mit einem behin­derten Kind höre ich wieder­holend sagen: Die Behin­derung mein­er Tochter / meines Sohnes ist nicht das Prob­lem. Als Prob­lem und Belas­tung wer­den die Kämpfe und Bittstel­lun­gen an die Behör­den / Sozialka­ssen gese­hen, die fehlende Bar­ri­ere­frei­heit wie auch der Kampf um die Teil­habe oder der passenden Betreuung.

In Jena soll es bei der Ganz­tags­be­treu­ung und dem Ferien­ange­bot um 20 — 30 Kindern gehen, wie ich ver­nahm, und dies bei eine Stadt mit über 100.000 Ein­wohn­er. Ist dies überschaubar?

Bei den betrof­fe­nen Kindern und Jugendlichen gibt es welche, die in den Ferien oder am Nach­mit­tag in der Schulzeit eine heilpäd­a­gogis­che Ansprache brauchen. Wür­den diese Zeit­en der Bil­dung weg­fall­en, so würde es den Lern­er­folg zurück wer­fen und die Leben­squal­ität des Kindes, aber auch der gesamten Fam­i­lien beein­trächti­gen. Das Inten­sivkind selb­st braucht auch eine fast tägliche heilpäd­a­gogis­che Begleitung.

Erwartung …

Ich bin ges­pan­nt, was sich in den näch­sten Wochen von Seit­en der Stadt­poli­tik gestal­ten wird, damit hier eine gute Lösung ab dem Som­mer wach­sen kann und die Eltern auch wis­sen, die Betreu­ung wird finanziell abgesichert. Denn ein Aus der Betreu­ung würde für viele Fam­i­lien es eine pflegerische und finanzielle Belas­tung wer­den. Finanziell? Das Beruf­sleben kann unmöglich wer­den, wenn die Eltern 12 Wochen Ferien­be­treu­ung selb­st absich­ern müssen, sich aber keine Betreu­ung leis­ten kön­nen, und das Kind ab dem frühen Nach­mit­tag in der Schulzeit ohne Begleitung ist.

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