Start ins Kinderhospiz — Ist es die Pflege?

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Knap­pe sechs Stun­den dau­ert die Fahrt nach Ham­burg, wenn der Asphalt frei ist, die Bau­stel­len den Fluss der fah­ren­den Karos­se­rien nicht zu sehr zusam­men­drü­cken, dass man dar­in ste­cken bleibt. Wir blie­ben ver­schont vom Still­stand. Das Kin­de hät­te es uns auch auf ihre Wei­se übel genom­men, trotz eines klei­nen Schnup­fen, der sie etwas nie­der­drück­te in den Schlaf. Und Ham­burg? Sie, lie­be Leser, ken­nen sicher­lich die Ant­wort: Kinderhospiz.

Der Auf­ent­halt war geplant, “bean­tragt” .… Die Kraft fehl­te, der Haus­halt funk­tio­nier­te noch gera­de so in sei­nen Gren­zen, aber die Ord­nung war nicht mehr die, um net­ten Besuch emp­fan­gen zu kön­nen, wel­cher auch einen kri­ti­schen Blick unterm Sofa wirft, eine ver­ges­se­ne Zeit­schrift her­vor­holt und sie einem gibt mit dem unaus­ge­spro­che­nen Kom­men­tar: “Habt ihr kei­ne paar Euro für eine Putz­frau über?” Doch der Haus­halt ist nur ein Teil. Ein ande­rer Teil, der setzt sich dar­an, wo legt man fest: Es ist einem alles zu viel, die Auf­ga­ben vom Tag ein, Tag aus, man kommt nicht hin­ter­her, man funk­tio­niert wie ein leicht über­hitz­ter Pro­zes­sor und wer beschei­nigt der Pfle­ge­per­son, sie habe ihre Gren­zen über­schrit­ten, sie habe … tie­fes durch­at­men. Eine Beschei­ni­gung, die not­wen­dig wer­den könn­te für den Antrag: “ergän­zen­de voll­sta­tio­nä­re Pfle­ge”. Denn die wur­de uns auch abge­lehnt, also nicht nur die Hos­piz­pfle­ge für die­sen Auf­ent­halt. Zumin­dest schwieg unser Brief­kas­ten über wei­te­re, ande­re Details bevor wir ins Auto stie­gen und star­te­ten gegen Nord­west. Der Wider­spruch gegen die Ableh­nung wur­de vor Tagen eingereicht.

“Ergän­zen­de voll­sta­tio­nä­re Pfle­ge” — sie wird gebraucht, sie wur­de bean­tragt, da die Kurz­zeit­pfle­ge nur 16 Tage reicht im Jahr mit dem Tages­satz vom Kin­der­hos­piz. Stopp, seit der Gesund­heits­re­form und mit der Erhö­hung des Sat­zes sind es 16,5 Tage, also doch nur 16 Tage. Ja, so nett sind Refor­men. Und da wir schon eine Woche in die­sem Jahr im Kin­der­hos­piz waren, blei­ben also noch ein paar rest­li­che Tage offen in der Finan­zie­rung für die begon­nen 14 Tage jetzt.

Manch einer meint viel­leicht, im Gesetz redet man doch von 28 Tagen für die Kurz­zeit­pfle­ge. Stimmt, bloß redet man auch von einem maxi­ma­len Betrag, der dafür zur Ver­fü­gung steht. Ist die­ses Geld nach 16 Tagen oder 14 Tagen auf­ge­braucht, da die Pfle­ge­ein­rich­tung auch über­le­ben muss, dann heißt es: Pech gehabt mit der Ent­las­tung, der oder die Zupfle­gen­de muss ent­we­der zurück nach Hau­se oder aber man trägt selbst die wei­te­ren Kosten.

Aber viel­leicht steckt hin­ter die­ser gan­zen “Ableh­ne­r­ei” etwas ganz ande­res, viel­leicht trägt sie die Auf­ga­be, den Wert der Kin­der­hos­piz­ar­beit zu erhö­hen, frei nach, es ist etwas wert­voll, wenn es knapp ist und man macht etwas wert­voll, in dem man es als Gut knapp hält. Natür­lich kann sich dann nicht mehr jeder “Kun­de” das “Pro­dukt”, ein wür­de­vol­les Ster­ben mit Hil­fe einer Pal­lia­tiv­be­treu­ung, leisten.

Und die Pfle­ge, ist sie nicht auch wert­voll? Sie ant­wor­ten viel­leicht mit Ja. Doch hackt sich hier ein Kon­flikt ein, der gera­de bei Eltern mit einem schwer kran­ken Kind eine grö­ße­re Rol­le spielt: Die­se füh­len sich ver­pflich­tet für ihr Kind zu sor­gen. Sie wer­den ange­lernt in einer Pfle­ge, wofür die “Pro­fis” drei Jah­re in die Aus­bil­dung nebst Wei­ter­bil­dung müs­sen und dann einer gere­gel­ten Arbeits­zeit mit Urlaub nach­ge­hen. Doch die Eltern, ihrer Ver­ant­wor­tung bewusst, über­neh­men die­se Auf­ga­ben mit einer Arbeits­zeit von 24 Stun­den mal 7 Tage in der Woche. Und sie blei­ben sogar mit dem Kind in Kri­sen­si­tua­tio­nen zu Hau­se, wofür ande­re regu­lär in die Kli­nik gehen, eben weil man dort kei­ne Lösung mehr bie­ten kann, auf­grund der feh­len­den Heilung.

Aber es steht den Eltern nicht zu, dass auch sie in eine Erschöp­fung kom­men, dass man die häus­li­che Situa­ti­on auch wirk­lich als Kri­se “mar­kie­ren” muss, auch wenn der All­tag durch die ein­ge­fah­re­ne Rou­ti­ne noch funk­tio­niert. Die­se Rou­ti­ne, die klappt eben nur noch mit erschwer­ter Atmung, und es wird dafür eigent­lich jemand gebraucht, der die­se insta­bi­le Situa­ti­on abfe­dern muss, der Hil­fe gibt. Und die­ses nicht erst, wenn das Kind “ersicht­lich” in den nächs­ten Stun­den stirbt.

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by dirkstr

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