Da stehst du morgens auf, unverhofft, hast noch keinen richtigen Blick dafür, was dir der Tag so bringen mag und dann nimmst du das Kind vom Pflegedienst entgegen und der erzählt dir erstmal von der Nacht, besser gesagt, von dem Kampf in den Morgenstunden, dass sie total unruhig war, sich aufgeregt hatte bis zu einem Puls von über 190. Du stöhnst und fragst, ob sie nicht noch Fieber hat. Dies wird verneint, aber sie war dabei ganz schön heiß und ordentlich gekrampft hat sie auch. Toll, antwortest du still, was dann aber auch das einzige Wort ist, was dir durch den Kopf schießt. Und jetzt schläft sie, der Pfleger sagt Ciao und du stellst dir die Frage, ob sie denn fit genug ist, um in die Kita zu gehen. Für die Antwort setzt du dir ein Ultimatum, es ist halb sieben, um acht sollte es klar sein. Nachdem die erste Tasse Kaffee in dir ist, beschließt du, sie geht in die Kita, du hast heut noch Termine und solange sie kein Fieber hat… Du weckst sie sanft, putzt die Zähne, wäschst sie, damit du es schafft, um gegen Neune im Bus zu stehen.
Das Kind pariert, selbst die Prozedur “Setzen in den Buggy” verlief diesmal ohne Komplikationen. Dann rennst du zum Bus, der kommt und hält es nicht für nötig sich abzusenken fürs Einsteigen mit Buggy. Das wäre doch das mindeste, denkst du und wuchtest den Buggy irgendwie rein in die stickige Luft von Menschen. Drinne denkst du noch, wenn der Fahrer beim Aussteigen nicht absenkt, dann geht ein Brief an die Busgesellschaft. Doch du verschluckst die Idee, da dein Blick auf eine Frau fällt, die sich gerade von dir abwendet, umdreht und ihren dicken Hintern fast ins Gesicht deiner Tochter schiebt. Aber da das Kind gerade mal krampfen musste und dabei die Arme hoch riss, stieß sie mit der Hand die Frau an und wies so selbst auf die nötige Distanz hin.
Angekommen am Zielort und raus, das klappte gut. Diesmal wurde der Bus abgesenkt und du spürst sofort, wie viel einfacher man die Karre raus bewegen kann. Dann versuchst du dir das schlechte Gewissen abzustreiten, nämlich dass Laufen doch besser gewesen wäre. Wäre. Da du eigentlich mit ihr noch in die Post wolltest. Aber du lässt es, des Friedens in dir wegen, denn die haben gerade keinen Rollstuhlzugang, selbst für Kinderwagen ist es mehr als ein Umstand. Da musst du klingeln und dann bedient dich eine oder einer. Während du auf sie wartest, stehst du da wie auf einen Präsentierteller: Schaut her Leute, ich kann nicht hinein, ich bin behindert, da meine Tochter behindert ist. Dabei hatten die die Post gerade erst saniert, geht es dir durch den Schädel, gerade und haben den Rollstuhlweg durch den Hintereingang gelegt, durch einen Laden, der aber jetzt dicht gemacht hat.
Barrierefreiheit, die gibt es nur dann, wenn auch die Geschäfte ordentlich laufen und dann kann man wohl auch den Behinderten bedienen, ohne dass er sich diskriminiert fühlen muss. Sich zurück gestellt fühlen, da er vom Innenleben der Post ausgeschlossen ist. Er kann sich, so wie du mit deiner Tochter, nicht so bewegen wie alle anderen auch, sondern ist auf umständliche Hilfe angewiesen. Da fragst du nur, warum gibt es keine Festlegungen für behindertengerechte Zugänge bei Geschäften, Einrichtungen des täglichen Lebens. Du findest keine Antwort und gibst das Kind in die Obhut der Kita. Als du das Haus verlässt, hoffst du nur, dass heute alles glatt geht und nicht doch noch das Symptom Fieber dich unplanmäßig zur Kita zurück beordert.