Im Zwiespalt gefangen

- Ein Beitrag zum Blog Action Day 2008: Armut -

Ist es eher die Zuver­sicht oder der Glaube, die ein Leben mit einem schw­er kranken Kind möglich machen? Ist es der Glaube, der dieses Leben, was sich drängt zwis­chen Schmerzen und Krisen, erheben will zu etwas beson­deren, zu etwas … Wer ihn nicht hat, gilt als arm dran. Und die Zuver­sicht? Auf was, auf Heilung? Sie ist nicht immer gegeben, bei uns ist sie ein Irrtum und frisst sich bei anderen manch­mal in eine Illusion.

Ein Leben mit einem schw­er behin­derten Kind, mit Beat­mung, Sauer­stoff und kün­stliche Ernährung und man spürt einen Zwies­palt, sucht eine Recht­fer­ti­gung und nicht nach ein­er Antwort auf die Frage: Warum trifft es ger­ade uns? Der Zwies­palt ist es, denn in anderen, “armen” Län­dern beste­ht diese medi­zinis­che Ver­sorgung wie bei uns nicht. Doch stirbt dort ein schw­er krankes Kind nicht nur deswe­gen, es stirbt wegen dem fehlen­den Brot. Und wenn es die fehlende oder eingeschränk­te medi­zinis­che Ver­sorgung ist, die das Leben des Kindes gefährdet, an eine Heim­beat­mung ist trotz­dem nicht zu denken. Dieses ist mehr der Stoff für eine Nov­el­le, ein­er Unwirk­lichkeit. Unser Kind, sie wäre in armen Län­dern gestor­ben nach der Geburt und gelegt zu den Fällen eines “nor­malen” frühkindlichen Todes. Aber es wäre auch ein Kind mit der Erkrankung in den afrikanis­chen Län­dern mit Hunger­snöten nicht geboren wor­den. Zu “jung” ist wohl die Muta­tion des Gens. Die Fälle beschränken sich auf Europa und auf Nor­dameri­ka, so der mir bekan­nte Wis­sen­stand. Eine Diag­nos­tik, woran das gestor­bene Säugling gelit­ten habe, gäbe es in den Län­dern eh nicht.

Und doch ist es die Ethik, die, trotz der Armut in der Welt, unser­er Tochter hier in Deutsch­land ein Leben “schenkt”, wenn auch ein kurzes. Wir wür­den sie nicht mis­sen wollen, obwohl die Anstren­gun­gen hoch sind, wir ständig an die eige­nen Gren­zen stoßen und die Ärg­ernisse mit den Ämtern aufreiben, wie auch der Punkt “Inte­gra­tion ins öffentliche Leben”, wo Deutsch­land ein Entwick­lungs­land ist.

Und doch ist es die Medi­zin und deren Wis­senschaft, die dem Kind das Leben ermöglicht, die wiederum einem selb­st Angst bere­it­et. In Län­dern mit Hunger­snöten und schlechter medi­zinis­ch­er Ver­sorgung ster­ben kranke und behin­derte Kinder früh. Sie haben keine Chance fürs Über­leben, da es schon an Grundle­gen­den fehlt. Par­al­lel wird in den “Indus­trien­atio­nen” eine spez­i­fis­che Diag­nos­tik entwick­elt, möglichst früh im Mut­ter­leib zu erken­nen, ob die Frau nun ein for­mal gesun­des Kind aus­trägt oder eines, wo sie die Frage beant­worten muss: Treib ich es ab oder nicht?

Stim­men aus dem Volk fordern die Abtrei­bung sog­ar, in dem sie offen die Frage stellen beim behin­derten Kind: “Hätte man es nicht erken­nen kön­nen?” und Ver­sicherun­gen in anderen Län­dern, da soll es ein Nein geben für die Police oder ein Son­der­tarif über den üblichen Kon­di­tio­nen. Dabei wer­den über 90 Prozent der Behin­derun­gen erwor­ben und in unserem Land davon wieder ein großer Anteil über den chro­nis­chen “Gebrauch” von beliebten Genuss­mit­teln wie Alko­hol und Tabak.

Eine Zuver­sicht, sie macht ein Leben mit schw­er­er Erkrankung und Behin­derung nicht möglich, eher erträglich in den Krisen, da man mit ihr weiß um die Leben­squal­ität davor, wie sie danach wieder ist. Und der Glaube baut, wenn dann, nur eine Argu­men­ta­tion auf, eine wichtige vielle­icht sog­ar, wom­it das Trau­ma “Behin­derung” am ehesten umgedeutet wer­den kann, wenn es schon die Ethik in der Gesellschaft nicht schafft. Eine Liebe zum Leben, die ein­schließt, dass jedem Men­schen andere Fähigkeit­en und Nicht-Fähigkeit­en anheim sind, mit denen wir uns unter­schei­den, Indi­vid­u­al­ität bilden, und Gemein­schaft zeugen.

Behin­derung, wie ich ein­mal lernte, ist nur eine willkür­liche Graduierung, abgeleit­et von der Def­i­n­i­tion: nor­mal ist… Es ist eine Ein­stel­lung zum Leben, die sich an das Soll-Sein richtet, die den Men­sch als Objekt sieht mit seinen Fähigkeit­en der Gesellschaft zu nützen, und nicht dem “ein­fachen” So-Sein ohne Bedin­gun­gen, dem Da-Sein von uns, was den Reich­tum, die Vielfalt im Leben ausmacht.

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