Der Suizid, seit der Pubertät streift einem das Thema, nicht nur, es war gegenwärtig. Der sich das Leben nahm, den kannte man über drei Ecken. Erst letztens erfuhr ich, dass sich ein ehemaliger Mitschüler nach der Schule das Leben nahm. Der Suizidversuch schien mir zu der Zeit als etwas Normales. Von einem Tabu konnte man reden, oder eben auch nicht. Tabuisiert war der Suizid in der DDR, zu hoch war die Zahl und dies gerade unter Jugendlichen, zu eingeschränkt waren die Lebensmöglichkeiten, die einem dazu trieben. Hatte man sich einmal falsch politisch positioniert, so war das Ergebnis ein Nein von oben im Lebensweg, ob es ums Abitur, Studium oder um die Lehre ging, und nicht nur dies. Nun, meine Pubertät begann in der DDR, durchzog die Wende und endete nach der Wiedervereinigung.
Trotzdem, das Thema blieb, in der Krankenpflege war und ist es eine normale Äußerung von vielen älteren Patienten, die keine Kraft und keine Lebenslust mehr verspürten. Und ein Tabu blieb es trotzdem, denn niemand lehrte einem darüber etwas. Es war ein Tabu genauso wie es normal war oder ist, dass Drogenabhängige sich mit ihren Suchtstoff versuchen, dem Leben ein Ende zu setzen. Der Blick über das Leben ist zu einem Tunnel geworden, man sieht nicht mehr die blühenden Blumen, die Sonne, wie sie kommt und geht oder besser:
„Manchmal möchte ich auch sterben wie Zahra. Das wäre das Einzige, was ich ohne Hilfe könnte. Rausfliegen aus meinen Gefängnis Körper. Ich hasse ihn, will ausbrechen und die Sehnsucht auszubrechen nährt und füttert den Hass. Dann hasse ich jeden, der es gut meint mit mir, weil die Menschen zu Gefängniswärtern werden, indem sie mir helfen, in meinen Gefängnis Körper zu überleben. Ich bin unausstehlich, und dann habe ich wieder Angst — Angst allein gelassen zu werden in meinen Gefängnis Körper, denn eigentlich will ich gar nicht sterben, weil ich das Leben doch so sehr liebe. Ich liebe den Wind auf meinen Gesicht, die Regentropfen … All das und noch viel mehr macht das Leben lebenswert.“ Pia Schmidt an Ursula Eggli in „Ein Hallo aus der Glasglocke. Briefe über Grenzen“. AG SPAK Bücher. 1 Auflage 2004.
Professor Müller-Busch, Palliativmediziner, hat sich im Blog:Biopolitik zu seiner Mitwirkung geäußert bei der zukünftigen Ausstrahlung der “assistierten Suizid-Doku”. Ein Stichwort war darin gefallen: Es sollte kein Tabu sein, dass es Menschen gibt, die den Weg des Suizids wählen. Aber, so meine Frage, bedarf trotzdem die Ausstrahlung dieser Dokumentation dafür? Auch wenn es ein „öffentlicher“ Suizid war, welcher im gewissen Sinne auch politisch motiviert war, empfinde ich es als nicht tragbar, diesen zu zeigen. Für mich verletzt es die Würde des betroffenen Menschen selbst, da er nie kontrollieren konnte, was über sich, seinem Sterben gezeigt wird, ob es auch dem entspricht, was er zeigen wollte und ob es auch wirklich sein Wille gewesen sei oder ob es eher seine, für ihn, „im Tunnel“ verfahrene Situation gewesen ist, die diese Entscheidung „erzeugte“.
Für eine Diskussion, warum unheilbar kranke Menschen, den Weg des (assistierten) Suizids wählen, bedarf es keine solche Dokumentation, um zu zeigen, was Menschen dazu bewegt. Dafür gibt es genügend Filmmaterial über schwer Kranke in Krisen. Für mich setzt man hier zu sehr auf die Macht des Bildes, welches schnell für sich selbst eine Rechtfertigung darstellt, an ihm gäbe es kein Zweifel. Es ist auch das Recht des Bildes. Doch sind Bilder von einer Kamera immer „verfälscht“, also es unterliegt der „Objektivität“ bzw. der „Subjektivität“ des Filmenden und der, der den Film schneidet, aufbereitet. Ob man so ein Tabu aufbricht, über den assistierten Suizid und dessen Beweggründe zu reden, bezweifle ich. Für mich stärkt es eher noch die Einstellung, ein Recht auf aktive Sterbehilfe zu erheben, da Bilder, das Zeigbare, auch schnell als die Möglichkeiten des Normalen wahrgenommen werden können. Letztendlich birgt es mit die Gefahr, das Menschen allein schon bei dem Versuch der Selbsttötung nicht helfend einzugreifen. Der Suizid eben als etwas Normales.