Letztes Jahr wurde vom Kindernetzwerk eine Studie vorgestellt, die versucht hat, die Probleme, Belastungen und bürokratischen Hürden heraus zu arbeiten. Der „Studiengegenstand“ waren die Familien mit einem chronisch kranken und /oder behinderten Kind. Davon gibt es rund zwei Millionen Kinder in Deutschland.
Auf der Seite aok-bv 1, die über die Fachtagung mit der Studie berichtet, wird heraus gestellt, es gäbe zahlreiche Angebote für die Familien mit kranken /behinderten Kindern, die Eltern wüssten nur nicht darüber Bescheid. Ja, es gibt Angebote, doch bin ich vorsichtig mit dem Wort „zahlreich“. Die Angebotspalette ist für mich überschaubbar:
- familienentlastende Dienste
- Kinderkrankenpflegedienste /Pflegedienste
- Kinderhospizdienste /Kinderhospize
- Tageseinrichtungen wie Kita /Schule
- ambulante Frühförderung
- Pflegeheime /Pflegeeinrichtungen der Behindertenhilfe
- Angebote der Selbsthilfe-/Vereine, private oder Behindertenhilfe wie z.B. Ferienspiele, „spezielle“ Babysitter, Beratung, Begleitung
- persönliches Budget (Betroffene werden selbst Arbeitgeber)
Angebote regional verschieden
Es gibt, wie eben aufgezählt, eine Palette an Angeboten, doch sind diese nicht in jeder Region vorhanden oder die angebotene Dienstleistung entspricht nicht dem Benötigten. Zwei Beispiele:
a.) In der Beratung hatte ich eine Familie, die jede Woche eine dreistündige Betreuung brauchte, um mit dem Geschwisterkind zum Sport fahren zu können. Dies war nicht umzusetzen, da
- der familienentlastende Dienst nicht bereit war, dies Kind zu Hause zu betreuen; sie hätten das Kind mit Behinderung zu denen in die Einrichtung fahren können, was logistisch aber nicht möglich war
- der Pflegedienst nicht die personellen Ressourcen hatte
b.) Eine andere Familie suchte eine Unterstützung für Zuhause, was nicht funktionierte, da
- es keinen familienentastenden Dienst laut der Familie regional gab
- Pflegedienste auch keine Ressourcen hatten
Zugangsvoraussetzungen
Um bestimmte Dienstleistungen oder Hilfen zu bekommen, braucht es in vielen Fällen eine Voraussetzung zum Beispiel:
- die amtliche Anerkennung der Behinderung
- eine Pflegestufe
- eine bestimmte Erkrankung oder eine passende Prognose
Es gibt wiederholt Betroffene, die keinen Schwerbehindertenausweis beantragen würden oder kein Pflegegeld bekommen. Dies aufgrund fehlerhafter /fehlender Beratung, Scham, Unwissenheit oder weil sie es nicht wollen. Die Schwierigkeit, Leistungen zur Entlastung zu erhalten, wird dadurch erschwert.
Wenn es um die Hilfen von Pflegediensten, häusliche Kinderkrankenpflege, oder Kinderhospizen geht, muss beachtet werden: Diese Hilfen sind an Diagnosen und deren Auswirkungen gebunden. Zum Beispiel, wer einen Kinderhospizdienst in Anspruch nehmen will, dessen Kind muss lebensverkürzt erkrankt sein.
Finanzielle Belastung
Ein anderer Punkt, warum es mit den Entlastungsangeboten unattraktiv werden könnte: Die Zuzahlung zu den Hilfen kann erheblich sein. Zum Beispiel sind die Leistungen der Pflegekasse begrenzt auf einen monatlichen /jährlichen Betrag oder es wird das Vermögen /Einkommen heran gezogen (bei der Eingliederungshilfe). Oder diese Hilfen müssen vollständig selbst finanziert werden wie ein Babysitter. Dies ist nicht förderlich für die Entlastung der Familie bei einem durchschnittlichen Einkommen oder wenn das Geld wegen anderen Belastungen knapp ist. Wenn ein Elternteil wegen der Pflege des chronisch kranken /behinderten Kindes zu Hause bleibt, wird häufig das Pflegegeld als Einkommen gebraucht und steht für die Dienstleister, der Entlastung nicht zur Verfügung.
Was wäre zu leisten
Es wäre zu diskutieren, ob Entlastungsangebote primär als häusliche Leistung anzusehen sind, somit die Hilfen nach Hause kommen. Diese entlastenden und unterstützenden Dienstleistungen sollten zu keiner finanziellen Belastung führen bei den Familien, da sie sonst nicht in den Umfang genutzt werden könnten, wie sie gebraucht werden. Der Ausbau der Entlastungsangebote im ländlichen Raum sollte und muss gefördert werden aus meiner Sicht. Alternativ sollte das persönliche Budget gefördert werden, dass zumindest auf diese Weise Unterstützung umgesetzt werden könnte.
Um diese Angebote bei den betroffenen Familien bekannter zu machen, braucht es eine gute Aufklärung an den Schnittstellen, wo Familien andere Leistungen erhalten: Kinderärzte, Sozialarbeit in den Kliniken, Pflegekräfte, Frühförderung, Hebamme (Nachbetreuung), Selbsthilfegruppen etc.
Weil eine solche Beratung sehr komplex und zeitaufwendig sein kann, da es nicht nur um die Entlastung geht, wäre der Ausbau und Förderung von Strukturen wie Betroffene beraten Betroffene. Denn eine gute Beratung erfordert ein Verstehen der besonderen Situation wie auch, der betroffenen Familien einfach mal zu zuhören. Ein erster Schritt zur Entlastung.