Du akzeptierst dies ganzes Elend. Vergiss es! Du wirst radikale Akzeptanz verwechseln mit Ohnmacht. Du wirst hadern, auch wenn du es radikal akzeptierst, in der Pflege deines Kindes gefangen zu sein.
Okay, es ist starker Tabak, den ich dir in die Pfeife gestopft habe. Ekel. Husten. Aber was ist dies langjährige Leben denn? Eine Last durch die ewig dauernde Pflege eines Kindes mit einer schweren Erkrankung, mit Intensivpflege und lebensbedrohlichen Krisen.
Starker Tabak. Ja, wenn der Pflegedienst dir wieder erklärt, freundlich, für die Nacht kommt keine Pflegefachkraft. Die Dienste am nächsten Tag sind auch offen. 24 Stunden außerklinische Intensivpflege, die kannst du selbst abarbeiten.
Du hoffst, für die folgende Nacht klingelt es 20 Uhr und in der Tür steht eine Pflegefachkraft. Sie lächelt.
Und da reden einige Ratgeber: Das Leben wird einfacher, du gewinnst die Oberhand, wenn du dich in radikaler Akzeptanz übst.
Sie meinen:
Im Kern geht es darum, das Leben zu akzeptieren, wie es ist und sich nicht gegen das zu wehren, was du nicht ändern kannst oder willst. Radikale Akzeptanz bedeutet, Ja zum Leben zu sagen, so wie es ist. (Quelle 1)
Radikale Akzeptanz und Pflege wird nicht einfacher
Ja, das dürfen sie meinen. Doch auch wenn ich diese Situation annehme, sie akzeptiere, wie sie ist. Die Pflege, ihre Belastung, wird nicht einfacher.
Eine Nacht ohne Pflegedienst, das heißt gestörter Schlaf. Wenn es hochkommt, schläfst du zwei Stunden. Dann alarmiert ein Gerät oder die nächste Medikamentengabe wartet.
Du wachst dann auf, angefüllt mit Angst, und hoffst, keinen Pflegefehler zu machen. Du fühlst dich unkonzentriert, verstehst erst beim dritten Hinschauen, was das Problem am Pflegebett ist. Ist der Sensor verrutscht? Hat sich der Tubusadapter des Beatmungssystems von Trachealkanüle gelöst?
Und dann der nächste Tag. Du kannst nicht schlafen. Die Therapeuten kommen, in der Küche stapelt sich alles auf der Spülmaschine und die Wäsche will aufgehängt werden.
Dazwischen, immer wieder, drückt sich die Pflegearbeit rein. Wickeln, die Beatmung prüfen, absaugen.
Aber was soll es? Nimm es an, wie es ist. Es ist radikale Akzeptanz der ganzen Sch…e. Nein, es ist für mich Ohnmacht.
Ich falle in eine Machtlosigkeit. Ich bin ohnmächtig. Ich kann mein Leben nicht gestalten.
Okay, ich kann jetzt einen auf Buddha machen und mir erklären: Ich bin unbedeutend und ein Sandkorn, falle nicht auf unter den Milliarden von Menschen, unbedeutend in der Geschichte der Erde, einer Zeitspanne über Millionen Jahren, unbedeutend gegenüber den unendlichen Weiten im Universum.
Ich solle dankbar sein. Ich habe eine sinnstiftende Aufgabe gewonnen. Für andere wäre dies Luxus. Sie langweilen sich in ihrem Leben, sie suchen nach Sinn in ihrem Schaffen.
Ich. Ja, ich darf für das Leben eines anderen, meines Kindes, semiprofessionell sorgen, für sie einen lebenswerten Tag gestalten.
Ich darf darauf verzichten, meinen Tag selbst zu strukturieren, mit einem Job für meinen Wohlstand zu sorgen, für die Rente. Ich darf auf Arbeitskolleg:innen und Freund:innen verzichten.
Soll ich dankbar sein?
Radikale Akzeptanz und ausgefallene Pflegefachkraft
Was ist mit mir? Ich bin erschöpft, fühle mich wie besoffen, da ich in 24 Stunden nur drei Stunden geschlafen habe. Meine Körper vibriert und bei jedem Alarm des Beatmungsgeräts, des Monitors oder ihres Hustens, zucke ich zusammen.
Das Zucken ist wie eine Entladung, die aber nicht entspannt. Sie fördert, putscht die Unruhe wie die nächste Tasse Espresso.
Vielleicht verstehe ich radikale Akzeptanz auch falsch. Die Autorin schreibt
Jedes Mal, wenn das Leben einfach nicht so will, wie ich mir das vorgestellt habe, ist radikale Akzeptanz mein spiritueller Kompass. Sie hat die Kraft, mich in einen ruhigeren, klareren Geisteszustand zu führen. (Quelle https://foerster-kreuz.com/radikale-akzeptanz/ 15.01.2022)
Oder anders erzählt und lächele dabei: Nimm an, ohne Widerstand, wie es ist. Es ist ein Ja zum Leben.
Das Leben würde dann für dich arbeiten. Klar. Du telefonierst mit der Pflegedienstleitung oder Rufbereitschaft. Du wirst ruhig. Es ist, wie es ist. Die Pflege fällt aus. Du jammerst nicht, suchst keine Lösungen. Du bist tief entspannt.
Nee, dir fährt ein Schreck in die Knie, ein Bild vor die Augen: Du stehst vor dem Pflegebett, zitternd, weil der Schlaf fehlt und bist gefangen in der Wohnung. Der Intensivleben-Lockdown. Den Kneipenbesuch mit einer alten Kollegin kannst du absagen.
Akzeptiere es doch: Du darfst ihn absagen!
Du nimmst die Nachricht vom Pflegedienst an, unterdrückst, diese Nachricht abzulehnen, ihr zu widerstehen. Du nimmst sie an, spürst gleichzeitig eine Ohnmacht und bist traurig. Dein Bedürfnis nach Planbarkeit und Sicherheit im Leben ist nicht erfüllt. Aber, was soll es. Die radikale Akzeptanz sagt dir: Nimm es an, es ist, wie es ist und alles wird gut.
Es ruft aber keiner mehr vom Pflegedienst an. Keine Pflegefachkraft erschien 20 Uhr, als der ausgefallene Nachtdienst startete.
Es gibt keine Magie wie bei The Witcher oder Harry Potter.
Ich sage dir trotzdem, es anzunehmen, wie es ist, erleichtert es.
Du haderst oder jammerst.
Dies raubt dir Kraft, die jetzt gestellten Aufgaben anzugehen. Ja, du darfst hadern, aber verfange dich nicht darin, lasst dich nicht darin einwickeln.
Jammere zehn Minuten und dann wird der Kaffee aufgesetzt für das Weiter.
Du darfst über diese ganze Sch…e traurig sein, du darfst ohnmächtig sein, ohne Lösung gegenüber der Pflegebelastung.
Klar. Es hilft dir nicht in deiner akuten Situation. Es hilft dir auch nicht, diese dauerhafte Belastung der Pflege in deinem Leben abzumildern.
Doch wenn du es annimmst, siehst du hoffentlich die kleinen Dinge, wo du was bewirkst und gestalten kannst.
Radikale Akzeptanz und eine nicht auflösbare Belastung
Ich selbst lernte und lerne, dass dies Pflegeleben eine nicht auflösbare Belastungssituation ist. Jede lebensbedrohliche Krise, jede Schmerzkrise kann traumatisieren und dazu unfreundliche Sachbearbeiter:innen bei der Krankenkasse oder dem Sanitätshaus.
Alle beide wollen ihr Geld entweder behalten oder maximal an dem Drumherum zum Pflegeleben finanziellen Gewinn machen.
Das können du und ich nicht ändern.
Baustellen, wie: Wir sollen bei den Windeln dazu zahlen oder sie seien nicht notwendig. Diese öffnen wiederholend ihr tiefes, schwarzes Loch in meiner Kraft 2 und ich werde schlapp. Es wirft mich wieder zurück an einen Startpunkt, wo ich ohne Kraft kämpfen musste. Es triggert Unwohlsein und lässt den Puls hochjagen.
Okay, es ist, wie es ist.
Es ist Schwurbeln zu meinen, bloß weil du denkst: Ich akzeptiere jetzt diesen ganzen Sch… und das Leben sagt dann Ja zu dir. Das wäre magisches Denken.
Aber es kann deine Einstellung, zu dem, was dir passiert, ändern. Eine andere Sicht kann helfen 3, eine belastende Erfahrung abzuschließen. Es hilft, nicht nur das Leid darin zu sehen, sondern zu schauen, ob du damit was gewonnen hast, was dich weiter bringt im Leben.
Probiere es aus.
- https://foerster-kreuz.com/radikale-akzeptanz/ 15.01.2022 ↩︎
- https://pflegezirkus.de/die-pflege-die-inkontinenz-und-meine-posttraumatisches-windelstoerung/ ↩︎
- https://pflegezirkus.de/fuenf-tipps-fuer-deine-gesundheit-in-der-pflege-psychotherapie/ ↩︎