Man könnte es auch als einen sanften Weg zu alternativen Wohnformen bezeichnen, wenn Heime voll sind und und ein Betreiber darüber nachdenkt, “Heimplätze” außerhalb des Heimes zu schaffen. Eine Idee, die laut dem Artikel: Warteliste für Heimplätze, scheinbar zu einer Umsetzung sich formen soll.Doch bedeutet die Idee nicht, eine Art betreutes Wohnen für den Behinderten nah an seiner Familie, sondern nah am Heim.
Der Grund ist simpel:
“,um den Weg für die Mitarbeiter des Wohnheimes kurz zu halten.” *1.
Die Schlussfolgerung für den betroffenen Menschen heißt wohl: Zweimal umziehen. Zuerst müssen sie raus aus ihren eigenen vier Wänden in eine Art “Heimstatt” ziehen, die so eine “Vorstufe” zur Sondereinrichtung bildet. Raus aus der eigenen Wohnung, da man denkt, die Auswirkung der Behinderung seien im häuslichen Umfeld nicht zu lösen. Und dann, wenn der Pflegeaufwand dementsprechend noch höher geworden ist und ein Heimplatz frei wird, ab ins Heim. Dabei sollte man bei der Idee folgenden Satz aus dem Artikel nicht übersehen:
“Hier könnten Behinderte eine Heimstatt finden, die nicht unbedingt im Wohnheim versorgt werden müssen, denen jedoch für ein selbstbestimmtes Leben im Betreuten Wohnen die Voraussetzungen fehlen, …” *1
Ja, wie jetzt? Wenn die Bedingungen der angestrebten Wohnform bedeuten, dass der betroffene Mensch nicht mehr eigenverantwortlich über sein Wünsche und Bedürfnisse entscheiden kann, was heißt dann erst Heim?
Es ist wohl kein Geheimniss, warum Heimplätze nicht beliebt sind. Ein Grund wurde eben genannt: Weil die Bedürfnisse und Lebensvorstellungen eines Schwerkranken oder Behinderten nur noch eine untergeordnete Rolle spielen im Heimalltag. Dies macht aber mit ein selbstbestimmtes Leben aus. Aber es ist, einfach auch aus logistischen Gründen, nicht mit den häufig praktizierten Pflegeleitbild vereinbar. Schwerbehinderte haben aber, auch wenn ein Teil anders kommuniziert, eigene Bedürfnisse. Und dies neben einer “aufgesetzten” Struktur von außen, welche bei dem einen oder anderen auch notwendig ist.
Aber was ich in diesem Artikel noch interessant fand, sind die Zahlen, die Henry Worm (CDU — Landtagsmitglied Thüringen) geäußert habe: In Thüringen sollen gegenwärtig 215 000 schwerbehinderte Menschen leben. Das macht knappe neun Prozent von der Landesbevölkerung aus.
Es ist schon eine heftige Zahl, wenn man dabei noch an der erlebten Politik “Heim vor Daheim” denkt. So wären oder müssten fast zehn Prozent der Menschen in einer Sondereinrichtung leben. Das wären mehr Menschen als die Einwohner von Jena und Weimar zusammen genommen. Neun Prozent, da lässt sich nicht mehr von einer gesellschaftlichen Randgruppe reden, sondern: Behinderung heißt Lebenswirklichkeit und Alltag, der sich einer Gesellschaft stellen muss und nicht gelöst wird, wenn man sie weg schiebt in Institutionen, die sich darum zu kümmern haben. Die Menschen leben unter uns, sie gehören mit in die Gesellschaft und dafür müssen die Voraussetzungen geschaffen werden, wie Barrierefreiheit im privaten wie öffentlichen Raum. Denn wenn Wohnungen barrierefrei sind, erhält man die Lebensqualität der behinderten Menschen und beugt auch einer Überlastung der Pflegenden vor.
Zwei Voraussetzung, die selbstbestimmtes Leben, auch mit schwerer Behinderung im Kreis der Familie ermöglichen können. Oder eine Voraussetzung, warum das Weg zum rund-um-betreuten Wohnen nicht sein muss für viele alte Menschen, wo die Gehbehinderung das Hauptproblem darstellt. Aber an barrierefreiem Wohnraum, da mangelt es.
Und auch in dem Artikel wird mir die erlebte Politik wieder vor geführt, da Herr Worm von der großen Bedeutung der Werkstätten für behinderte Menschen geredet habe. Da fällt mir nur eins ein: Werkstätten seien nicht mehr zeitgemäß. Ein Punkt der in England schon seine Umsetzung findet. Und eine Kritik von Karl Herrmann Haack (ehemaliger Bundesbeauftragte für die Belange behinderter Menschen) lautet (nicht wörtlich):
“Die Behindertenwerkstätten, wie andere Sondereinrichtungen der sozialen Sicherungssysteme auch, neigen zu institutionellen Eingeninteresse und verkrusteten Strukturen.” *2
Ein Weg der Lösung, wie in England, sind Integrationsfirmen. Dabei wird allen Beschäftigten einen ordentlichen Arbeitnehmerstatus zugesprochen. Dabei lies sich, vielleicht, auch das Problem lösen bei behinderten Menschen, die wegen ihren Fähigkeiten und Fertigkeiten als “nicht behindert” eingestuft werden für die Eignung einer Werkstatt, aber trotzdem im Arbeitsleben einen Integrationshelfer oder Assistenten brauchen. Wie im Fall Lavinia Keursgen ( “Lavinia Keursgen kämpft mit einem Handicap vom 25.07.07 AZ-Web.de) . Die Dramatik wird in dem Artikel klar: Auf dem “normalen” Arbeitsmarkt hat sie mit den aktuellen, gesellschaftlichen Bedingungen keine Chance, aber für die Arbeit in der Behindertenwerkstatt könnte sie unterfordert sein, was ihre weitere Entwicklung mindern würde. Das Ziel, dass Lavinia K. einmal ein selbstständiges Leben führen kann, kann damit verbaut werden.
Zitate:
1. Raimund Sander. Warteliste für Heimplätze. www.freies-wort.de/nachrichten/regional/sonneberg/art2407,687633 zuletzt abgerufen 30.07.2007.
2. S. 61. Wolfgang Hamann, Werkstätten für behinderte Menschen sind nicht mehr zeitgemäss — Gehört den Integrationsfirmen die Zukunft?. derrehatreff. 7. Jahrgang. Ausgabe 2 – 2007.