Kollidiert Patientensicherheit bei außerklinischer Intensivpflege mit Grundrechten

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Das Inten­siv­pfle­ge­ge­setz (IPreG) löst bei mir Ver­un­si­che­rung und Frus­tra­ti­on aus. In Dis­kus­sio­nen kam auf, dass Pfle­ge-WGs mit pri­va­ten Haus­hal­ten gleich­ge­setzt wer­den sol­len — ein Gerücht, eine neue Richt­li­nie? Nach Recher­chen stieß ich auf einen Ent­wurf eines Ver­eins für Pati­en­ten­si­cher­heit, der dies vorsieht.

Ich befürch­te­te sofort, unse­re Inten­siv­la­dy müss­te in eine 1:3‑Pflege über­ge­hen, wo sie mög­li­cher­wei­se nur sediert wür­de, anstatt die not­wen­di­ge 1:1 Betreu­ung zu erhal­ten, die ihr Lebens­freu­de ermöglicht.

Das Doku­ment for­dert unter ande­rem aus­rei­chend Stell­platz für Ret­tungs­fahr­zeu­ge oder Umklei­de­räu­me für Pfle­ge­fach­kräf­te, auch in pri­va­ten Haus­hal­ten, die außer­kli­ni­sche Inten­siv­pfle­ge (AKI) bieten.

Vor unse­rem Haus ist glück­li­cher­wei­se genü­gend Platz für Not­fall­ein­sät­ze vor­han­den. Doch bei ande­ren Pri­vat­haus­hal­ten mit schwer erkrank­ten Kin­dern, die ich als Pfle­ge­dienst­lei­tung ken­nen­ge­lernt habe, sieht es oft anders aus.

Intensiv-WG = Pflege-WG = Privathaushalt

War­um soll­ten bau­li­che Anfor­de­run­gen einer Pfle­ge-WG nicht auch an klei­ne Ein­fa­mi­li­en­häu­ser gestellt wer­den? Auf dem Papier mag das mach­bar erschei­nen, doch in der Rea­li­tät ist der Man­gel an bar­rie­re­frei­em Wohn­raum in Deutsch­land ein drän­gen­de­res Problem.

In vie­len Städ­ten herrscht Wohn­raum­man­gel, und Fami­li­en sind froh, über­haupt eine bezahl­ba­re Woh­nung zu fin­den. Wir selbst muss­ten zwei Jah­re auf eine pas­sen­de Woh­nung warten.

Mit einer altern­den Gesell­schaft und rund 11 % Men­schen mit Behin­de­run­gen stei­gen die Anfor­de­run­gen an bar­rie­re­frei­en Wohn­raum wei­ter. Pfle­ge­heim­plät­ze sind rar und wer­den durch den Pfle­ge­kräf­te­man­gel und die hohen Bau­kos­ten noch knapper.

Patientensicherheit heißt ab ins Heim

War­um wird vor­ge­schla­gen, dass Men­schen mit AKI bar­rie­re­frei woh­nen müs­sen, mit extra Steh­flä­che für Hilfs­mit­tel und einem Umklei­de­raum für Pfle­ge­kräf­te? Aus mei­ner Sicht gehört jemand mit inten­siv­me­di­zi­ni­schem Bedarf sta­tio­när ins Heim.

Beatmungsgerät und Absauggerät neben Pflegebett für Patientensicherheit
Absaug­ge­rät und Beatmungs­ge­rä­tin im Pri­vat­haus­halt für Inten­siv­pfle­ge — Patientensicherheit

Eine Orga­ni­sa­ti­on, die sich “Pati­en­ten­si­cher­heit” nennt, klingt dabei ver­trau­ens­wür­dig. Doch wer steht wirk­lich dahin­ter? Minis­te­ri­en, Fir­men, Kran­ken­kas­sen? Kön­nen Kran­ken­kas­sen im Sin­ne ihrer Kos­ten­er­spar­nis wirk­lich für die Pati­en­ten­si­cher­heit einstehen?

Wenn der Medi­zi­ni­sche Dienst der Kran­ken­kas­sen (MDK) ein sol­ches Papier als Grund­la­ge für Ent­schei­dun­gen nutzt, kann dies dazu füh­ren, dass unan­ge­mes­se­ne Ent­schei­dun­gen getrof­fen werden.

Außerklinische Intensivpflege und Selbstbestimmt

Die häus­li­che Inten­siv­pfle­ge ermög­licht ein hohes Maß an Selbst­stän­dig­keit und ver­bes­sert die Lebens­qua­li­tät erheb­lich. Sie ermög­licht es, kran­ken Men­schen den Kon­takt zu Fami­lie und Freun­den zu erhalten.

“Mit der rich­ti­gen Unter­stüt­zung und Orga­ni­sa­ti­on kann die außer­kli­ni­sche Inten­siv­pfle­ge eine loh­nen­de und erfül­len­de Auf­ga­be sein, die den All­tag von Betrof­fe­nen und ihren Fami­li­en berei­chert.” (inten​siv​pfle​ge​-fami​lie​.de)

Das Grund­ge­setz und die UN-BRK stel­len die Grund­rech­te wie die Unver­sehrt­heit der Fami­lie, ein selbst­be­stimm­tes Leben und die freie Ent­fal­tung der Per­sön­lich­keit in den Vordergrund.

Patientensicherheit im Hochhaus

Wenn wir die Pati­en­ten­si­cher­heit als ech­te Prio­ri­tät behan­deln wür­den, müss­ten wir den Bau von Hoch­häu­sern über­den­ken oder Zucker ratio­nie­ren, um Dia­be­tes vor­zu­beu­gen. Aber das tun wir nicht, denn das Leben ist vol­ler Risi­ken, die wir täg­lich abwägen.

Wenn ich, obwohl ich beatmet wer­de, ent­schei­de, wo ich leben möch­te, tue ich dies mit kla­rem Bewusst­sein der Risi­ken. Ich möch­te dort leben, wo ich unter­stützt wer­de und mei­ne Bezie­hun­gen pfle­gen kann.

Patientensicherheit und die, die nicht für sich reden

Die Argu­men­ta­ti­on, dass gewis­se Maß­nah­men für die schwei­gen, die sich nicht äußern kön­nen, ist oft vor­ge­scho­ben. Es geht letzt­lich dar­um, wo die Pfle­ge kos­ten­güns­ti­ger ist. Das Betreu­ungs- und Sor­ge­recht ermög­licht es Eltern, für ihre Kin­der zu spre­chen, und das soll­te respek­tiert werden.

Wenn der MD ver­mu­tet, dass eine Ver­nach­läs­si­gung vor­liegt, muss er dies mel­den, und der Rechts­weg wird beschritten.

Zwei PMV-Sprechventile, eines davon vaporisiert
Zwei PMV-Sprech­ven­ti­le, eines davon vaporisiert

Es ist nicht die Auf­ga­be eines Ver­eins oder einer Kran­ken­ver­si­che­rung, über das Leben von Men­schen zu ent­schei­den. Die indi­vi­du­el­le Pfle­ge, die zu Hau­se mög­lich ist, kann von kei­nem Heim geleis­tet werden.

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Kommentar

  • wie schreck­lich muss es für die Betrof­fe­nen ( bzw. die Eltern die­ser Kin­der ) sein, wenn man von diesen
    mei­ner Mei­nung nach, unmensch­li­chen Mass­nah­men lesen muss.
    Die­sen Men­schen, die die­se Ver­ord­nun­gen beschlies­sen, fehlt es an jeg­li­cher Art von Empathie,
    es ist doch nicht mög­lich dass das schon schlim­me Schick­sal so ein­fach so unwür­dig behan­delt wird.
    Ich appe­lie­re an das Herz und an die Vernunft.
    Lie­be Grüs­se an all die Betrof­fe­nen gebt die Hoff­nung nicht auf.
    GITTI

    • Vie­len Dank! Ich hof­fe sehr, dass die­ser Ver­ein auf die Kri­tik hört; es lief ja eine Stel­lungs­nah­me-Ver­fah­ren. Ja, es ist trau­rig zu lesen, dass wir wie­der erle­ben müs­sen, wie Men­schen bevor­mun­det wer­den in ihren Lebensentscheidungen.

by dirkstr

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