Der August rückt an uns heran und die „geplanten“ Stundenausfälle vom Pflegedienst haben sich minimiert. Dies freut und erleichtert uns. Wir sind der Dienstplanung, den Schwestern und Pflegern sehr dankbar. Es fällt der Druck, ständig an der Grenze der Belastung und über dieser zu leben, den Alltag nicht mehr bewältigen zu können.
Doch fühle ich mich unsicher. Die Lebensplanung, beruflich oder privat, wirkt wie ein Lotteriespiel. Wie wird die Dienstabdeckung im August sein, wenn akute Krankheitsausfälle dazu kommen? Wie gestaltet sich der September? Kann ich Termine planen?
Umgang mit offenen Diensten
Daneben gesellt sich die innere Diskussion, wie sollte ein Pflegedienst mit Personalausfall und offenen Diensten „am besten“ umgehen? Was ist gerecht gegenüber allen Pflegekunden, den Familien? Sollte bei einzelnen Familien die geballte Ladung der offenen Dienste „geplant“ werden? Oder sollte versucht werden, die offenen Pflegestunden auf alle Kunden zu verteilen?
Ich sehe kein Patent, denn es spielen mehrere Faktoren eine Rolle, zum Beispiel:
- besteht beim Pflegekunden eine Mitarbeiterfluktuation (Mitarbeiter_Innen werden abgelehnt; einzelne Pflegefachkräfte erleben die Arbeitsbedingungen, geäußerte Abwertungen ihrer Leistung oder Person bei der Familie als Belastung; wollen dort nicht eingesetzt werden)
- möchte die Familie vom Pflegekunden ein kleines Team; weitere Pflegefachkräfte (offene Kapazitäten) können dort nicht eingeplant werden
- wohnt der Pflegekunde zu weit entfernt von den Mitarbeiter_Innen
- Das spezifische Krankheitsbild und der resultierende Pflegeaufwand ist komplex. Es können dass nicht alle Pflegefachkräfte dort eingesetzt werden können z.B. Beatmungspflege, Infusionstherapie.
Bei solchen Bedingungen lassen sich offene Dienste durch Mitarbeiterausfall schlecht kompensieren, da kein Personal von den anderen Versorgungen abgeknapst werden kann. Es sind die Bedingungen, die diese Situation „kreieren“
Verteilung der Pflegestunden
Ich komme zu der Gerechtigkeit zurück. Sagen wir, es sind 10 Familien mit Intensivpatienten zu versorgen, die ein Volumen haben von 3.500 Pflegestunden im Monat, aber durch zwei „plötzliche“ Schwangerschaften, Krankheitsausfall und Urlaub können von den Mitarbeiter_Innen 3.000 Pflegestunden geleistet werden. Alle Familien sind von allen Pflegefachkräften zu erreichen und alle Pflegefachkräfte können in allen Versorgungen arbeiten. Was wäre gerecht? Sollen sich (a) jeden Monat in drei Familien die offenen Pflegestunden konzentrieren? Also im September bei Familie A, B und C und im Oktober dann bei Familie D, E und F usw. Ein Plus wäre, die Familie wäre einen Monat stark belastet (überlastet), aber den nächsten Monat dafür nicht. Hinzu käme, dass sich so schneller die Möglichkeit oder der Bedarf eröffnet, einen zweiten Pflegedienst für die Familie(n) zu ordern.
Oder sollen sich (b) die offenen Dienste, soweit dies umsetzbar ist, auf alle Versorgungen verteilen.
Ich favorisiere (b), denn:
- Es kann im laufenden Dienstplan zu weiteren Ausfällen kommen durch andere Krankheitsfälle, eine weitere Schwangerschaft. Die Familien mit den offenen Diensten müssen mit der Erwartung leben, dass es weitere Ausfälle geben kann.
- Eine Lebensplanung der Familie wird schwieriger, da sie nicht wissen können, wann werden sie wieder den nächsten „Hammer“-Monat mit offenen Pflegestunden erleben.
- Eine Verteilung der offenen Dienste auf alle lässt sich gegenüber den Pflegefachkräften einfacher erklären. Es fällt der Rechtsfertigungsdruck der Dienstplanung, warum bei Familie A die offenen Dienste und nicht Familie F geplant wurden. Denn es gilt, einzelne Pflegekräfte können sich an einzelne Versorgungen emotional stark binden. Ist ihre „Lieblingsfamilie“ betroffen mit offenen Pflegestunden, erleben diese Fachkräfte einen starken Druck, dies kompensieren zu müssen (Belastungsfaktor). Dies könnte eine Illoyalität der Pflegekräfte gegenüber der Pflegedienstleitung /Pflegeunternehmen fördern. Es kann dagegen erleichternd wirken, wenn die Pflegefachkräfte erfahren, auch die anderen Familien haben offene Dienste; wir sitzen alle im gleichen Boot; alle Pflegekunden werden vom Unternehmen als gleichwertig betrachtet
- für die Familie ist eine Lebensplanung besser möglich, wenn sie weiß, es werden ca. 80 — 90% der Pflegestunden monatlich bei ihrem Intensivkind abgedeckt. Ja, es gibt Ausfälle, doch wissen wir als Familie, wir können mit guten Gewissen wichtige Termine planen. Denn eventuell können Dienste /Pflegestunden geschoben werden, um entstandene offene Pflegestunden zu diesen Terminzeiten zu schließen.
Beachte!
Zwei Punkte sollten hierbei erwähnt sein, die Variante einen zweiten Pflegedienst „herein zu holen“ bei einer Familie, braucht durch den Pflegenotstand einen längeren Vorlauf. Dabei geht es nicht um einzelne Tage, sondern mehrere Wochen bis Monate. Mit einem kalkulierbaren Risiko an offenen Pflegestunden, welches als eine Art Konstante erlebt werden kann, besteht die Möglichkeit, dass sich die Pflegekunden leichter damit arrangieren. Klar sein muss als Pflegedienst, es gibt eine ärztliche Verordnung und einen Auftrag der Krankenkasse, der als Pflegedienst angenommen wurde. Dadurch entstehen Pflichten.
Was denkt ihr, welche Verteilung der offenen Pflegestunden ist gerechter?