Intensivkind & Pflegedienst: Teambesprechung im eigenen Haus

Sommer 2015 auf SonnenhutWer als Eltern eines Inten­sivkindes ein gutes Ver­hält­nis zu seinem Pflege­di­enst haben will, wird schnell merken oder auch wis­sen: Es braucht Spiel­regeln. Ja, die 24-Stun­den-Inten­sivpflege / Beat­mungspflege bricht in eure Pri­vat­sphäre ein, sorgt für Unord­nung. Du wun­der­st dich als Mut­ter oder Vater, warum du häu­fig Unruhe spürst, dich unsich­er fühlst oder unver­standen. Du erleb­st eine Ahnung, es ist nicht nur die Erkrankung des Kindes.

Je nach häus­lich­er Gegeben­heit beschnei­det der Inten­sivpflege­di­enst dein Bedürf­nis nach Ruhe, Rück­zug, Allein­sein und sog­ar dein Gehört wer­den. Was tun? Ein Weg ist, die Antwort zu suchen, brauchst du wirk­lich 24-Stun­den einen Pflege­di­enst am Tag? Eine Stun­denre­duzierung kann für Entspan­nung sor­gen, doch brauchst du auch die Sicher­heit, du bekommst dein erkrank­tes Kind gut ver­sorgt. Aber, und hier set­ze ich ein Aber, auch bei weniger Stun­den am Tag ist der Ein­bruch in die Pri­vat­sphäre da, der Ein­bruch in deine Kom­pe­tenz als Vater oder Mut­ter, dein/e Kind/er gut und sich­er ver­sor­gen zu kön­nen. Du brauchst den Pflege­di­enst, damit du von der Last der Pflege runter kom­men kannst, Ruhe find­est. Ein Kon­flikt, ein unlös­bar­er Konflikt.

Spiel­regeln mit den Pflege­di­enst, „Rol­len­be­wusst­sein“ (ich als Pflegeper­son mit Pflege­di­enst) und eine „gewisse“ Sicht und Reflek­tion auf die Lebenssi­t­u­a­tion kann die Unlös­barkeit mildern, erträglich machen und Wege zeigen, diese zu bewälti­gen. Eine Gelassen­heit damit zu find­en — es kön­nte möglich sein.
Aber ich will bei den „Spiel­regeln“ bleiben. Let­ztens bin ich auf das The­ma gestoßen: Die Pfle­gen­den machen eine Teambe­sprechung mit Pflege­di­en­stleis­tung beim Pflegekun­den zu Hause. Okay, es hat seine Pluspunkte:

  • Alle kom­men an einem Tisch, denn auch die Pflege­fachkraft, welche am Kind an dem Tag arbeit­et, kann daran teilnehmen.
  • Wenn die Eltern daran teil­nehmen, haben sie keine Wege.

Sommer 2015 Sonnenhut blickt hinausDoch habe ich hier Bauch­weh. Die Gründe für eine Teambe­sprechung im Haushalt mögen löblich sein, vielle­icht auch die beste Lösung, doch möchte ich fol­gende Bedenken eingeben:

  • Eine Teambe­sprechung bein­hal­tet nicht nur den Aus­tausch und die Eini­gung über den weit­eren Pflege­plan mit/ohne Eltern, son­dern eine Reflex­ion über die Pflege — eine Reflek­tion kann auch sehr kri­tisch sein gegenüber den Eltern und den Pflegekun­den. Diese Kri­tik gehört unge­filtert nicht in den Haushalt der Eltern, denn sie kön­nte ungerecht­fer­tigt sein. Aber sie gehört geäußert, denn damit bekom­men alle im Pflegeteam und die Pflege­di­en­stleitung die Chance mögliche falsche Ein­stel­lun­gen zu korrigieren.
  • Die Ver­sorgung des erkrank­ten Kindes kann gestört sein, da sich die Pflege­fachkraft auch auf die Teambe­sprechung konzen­tri­ert. Ihr Job ist die Ver­sorgung des Kindes. Wenn es nach der Teambe­sprechung ein Pro­tokoll gibt, sollte sie es lesen und bei Fra­gen sich gegenüber der Team­leitung / Bezugspfle­gen­den äußern.
  • Es kann die Nähe-Dis­tanz zu der Fam­i­lie belas­ten. Damit das Team „mal unter sich“ sprechen kann, ver­lassen die Eltern das Haus. Sor­ry, dies ist für mich ein „no go“ — ich als Vater soll meine Woh­nung ver­lassen, damit die Pflege­fachkräfte sich in der Kri­tik an uns Eltern und über die Pflege meines Kindes „frei“ äußern können?
  • Ein „pro­fes­sioneller“ Pflege­di­enst zeich­net sich für mich dadurch aus, dass er seine Mitar­beit­er­führung in seinen Räum­lichkeit­en leis­tet und nicht in Räu­men seines Kun­den. Hat er kein Büro vor Ort, da es ein über­re­gionaler Inten­sivpflege­di­enst ist, kann er auch Räum­lichkeit­en stun­den­weise anmi­eten. Der Pflege­di­enst zeigt damit auch, dass er sich den Kon­flik­ten um die „Nähe-Dis­tanz“ zu seinen Pflegekun­den bewusst ist und die Pri­vat­sphäre achtet.

Faz­it für mich: Es gilt die Spiel­regel, eine Teambe­sprechung find­et nicht bei uns Zuhause statt. Sicher­lich, sie dient der Tea­men­twick­lung und Fort­bil­dung des Per­son­als, doch nicht alle Qual­i­fizierungs­maß­nah­men müssen beim Pflegekun­den stat­tfind­en. Dies ist in anderen Dien­stleis­tungs­bere­ichen auch nicht üblich.

3 Kommentare

  • Wenn die Absprachen der Pflegekräfte sich direkt um das Pfegekind beziehen, dann wuerde ich es als Über­gabe betra­cht­en. Denn dieses dient ja zum Wohl des Kindes.
    Sollte es sich drüber hin­aus um Absprachen han­deln die enem Team­sitzungssta­tus haben, bin ich voll dein­er Mei­n­ung, hier ist eine andere Lokalität zu wählen.

  • Vie­len Dank für diesen wichti­gen Text.
    Es ist wirk­lich eine Bre­douille, in der wir Eltern von pflegebedürfti­gen Kindern stecken:
    Auf der einen Seite brauchen wir die exter­nen Pflegekräfte, um auch mal unsere Ruhe zu haben.
    Auf der anderen Seite stören die exter­nen Pflegekräfte unsere Ruhe und unsere Privatsphäre.
    Eine Lösung dafür haben wir nach über vier Jahren noch nicht gefunden.

  • Hal­lo Mareice,

    ich denke, der Kon­flikt Pri­vat­sphäre & Leben mit dem Pflege­di­enst ist nicht auflös­bar. Doch sehe / erlebe ich wieder­holt, dass es Wege gibt, eine Leben­squal­ität darin zu gewin­nen. Toll finde ich, wie auch dein Blog, wenn Eltern über ihre Sit­u­a­tion reflek­tieren. Ich denke, dadurch kön­nen sich gute Wege entwickeln.
    Bei den Eltern­begeg­nungsta­gen der INTEN­SIVkinder zuhause e.V. gab es auch schon gute Vorträge zu diesen The­ma und mir hat der Aus­tausch dort viel an A‑ha gebracht.

Von dirkstr

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