Pflegenotstand — das Ausland übernimmt den Pflegefall

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Wie begeg­net wir am bes­ten den Pfle­ge­not­stand? In dem wir uns den Pfle­ge­fäl­len “ent­le­di­gen”? Als eine Lösung hier­zu ver­nahm ich in der letz­ten Woche: die Pfle­ge­kas­sen sol­len auch Ver­trä­ge mit Pfle­ge­hei­men im Aus­land abschlie­ßen. Ist dies gut gemeint oder nicht?

Gut für die Finanz­kraft des Gesund­heits­we­sen? Ja, wenn im Aus­land die Arbeits­kräf­te bil­li­ger sind, dann dürf­te die Pfle­ge auch preis­wer­ter wer­den. Einen wei­te­ren Plus­punkt könn­ten viel­leicht die Kran­ken­kas­sen erle­ben: Ein schlech­te­re medi­zi­ni­sche Ver­sor­gung im Aus­land könn­te bil­li­ger sein, wenn z.B. Arz­nei­mit­tel­pla­gia­te oder abge­lau­fe­ne Anti­bio­ti­ka ein­ge­setzt wer­den. Letzt­end­lich dürf­te sich die Sterb­lich­keit der “Pfle­ge­fäl­le” erhöhen.

Bil­li­ge­re Pfle­ge im Aus­land — da ist dann die Fra­ge, wie sieht es mit der Qua­li­tät aus. Ist es even­tu­ell bil­li­ger, weil kei­ne Pfle­ge­fach­kräf­te ein­ge­setzt wer­den? Wer prüft die­se Qualität?
Eine ande­re Fra­ge ist für mich: Ist die Arbeit unse­rer Pfle­ge­fach­kräf­te wirk­lich so schlecht, dass eini­ge dar­an den­ken, ein Heim­platz im Aus­land anstre­ben zu müs­sen? Schlech­te Pfle­ge­no­ten, Pres­se­be­rich­te über Pfle­ge­pro­ble­me — gute Pfle­ge braucht gut aus­ge­bil­de­tes Per­so­nal und einen pas­sen­den Per­so­nal­schlüs­sel an Pfle­ge­fach­kräf­ten. Ja, klar — Pfle­ge hat einen Wert, der nicht nur ideell ist, son­dern auch einen Geld­wert hat. Pfle­ge­fach­kräf­te leben regu­lär nicht (mehr) in Struk­tu­ren wie einem Klos­ter und wol­len auch nicht ver­zich­ten auf den all­ge­mei­nen Lebens­stan­dard der Zivil­ge­sell­schaft. Sie haben eine Fami­lie (mit-)zuversorgen oder sind Alleinerziehend.

Doch zurück zum Pfle­ge­heim im Aus­land. Wie ist es mit den schwerst­pfle­ge­be­dürf­ti­gen Kin­dern wie dem Inten­siv­kind? Bekom­men Eltern von pfle­ge­be­dürf­ti­gen Kin­dern dann, wenn dies wahr wer­den wür­de, Pfle­ge­heim­plät­ze im Aus­land genannt? Dies könn­te sogar Kos­ten der Inklu­si­on und Inte­gra­ti­on sparen.

Regu­lä­re Pfle­ge­plät­ze im Aus­land — die­se Idee drückt gleich­zei­tig und radi­kal die Auf­lö­sung von sozia­len Bin­dun­gen in unse­rer Gesell­schaft aus. Wenn die Groß­el­tern oder Eltern eh 400 oder 500 Kilo­me­ter ent­fernt von den Kin­dern woh­nen, was stört es noch, ob es meh­re­re 1000 Kilo­me­ter sind. Lebens­be­droh­li­che Krank­hei­ten wie auch Tod sind eh ein Tabu­the­ma. Expor­tie­ren wir das Ster­ben ins Ausland.

Neben dem hat das Ver­le­gen der Pfle­ge­fäl­le ins Aus­land auch eine wei­te­re gute Sei­te. Der demo­gra­phi­sche Wan­del wird gebremst, wenn im Aus­land leben­de Staats­bür­ge­rin­nen nicht mit­ge­zählt wer­den. Da bekommt die Gesell­schaft wie­der Zeit, sich von den The­men Pfle­ge­not­stand, Bar­rie­re­frei­heit und Inklu­si­on abzu­wen­den. War­um soll­ten wir den Pfle­ge­not­stand mit einer Aus­bil­dungs­of­fen­si­ve bis zur Hoch­schu­le, Wert­schät­zung des Beru­fes und Pfle­ge­kam­mer begeg­nen? Nicht das die Pfle­ge­fach­kräf­te auf die Idee kom­men, sie sind mehr Wert als nur einen “Pfle­ge­not­be­trieb” auf­recht zu erhal­ten, sie haben eine her­vor­ra­gen­de Pro­fes­si­on und kön­nen unter ande­rem Lebens­qua­li­tät lie­fern wie für unse­rem Intensivkind.

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by dirkstr

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