Die letzten beiden Jahre sind keine Glücksjahre. Nicht weil wir lebensbedrohliche Krisen mit unserem Intensivkind, der IntensivLady, erleben oder ein Virus unseren Alltag stört, ihn verbrennt zu „es war einmal“. Nein, es ist der Gesetzgeber, die Gesundheitspolitik.
Erst kam das Intensivpflegegesetz (IPreG), dann eine Pflegereform ohne gute Zutaten für uns pflegenden Angehörigen und jetzt die soll „kommende“ Regelung zur Assistenz im Krankenhaus.
Die Verbände wie die Lebenshilfe und der BvKM applaudieren zum Gesetz für die Assistenz im Krankenhaus. Kritik, wo ich lese, kam von Forsea und dem SoVD. Und ich habe Bauchweh.
Seit Jahren begleitet uns das Thema, was ist, wenn die IntensivLady in der Klinik muss. Sei es, weil die Epilepsie entgleist, die Skoliose gecheckt oder die Beatmung geprüft wird.
Der Intensivpflegedienst darf nicht mit. Er bekommt für die vollen Krankenhaustage kein Geld von der Krankenkasse.
Die Konsequenz für uns ist: Wir meiden jeden Klinikaufenthalt, solange es geht. Wir versuchen mit dem Palliativteam, dem Kinderarzt und der Neuropädiaterin alles Zuhause zu regeln.
Denn wenn es in die Klinik ging, müssen wir Eltern mit. Dies ist okay, aber nicht für 24 Stunden, Nonstopp, im Pflegeeinsatz.
Und nicht nur wir, sondern auch andere befreundete Familien mit einem schwer erkrankten Kind und außerklinischer Intensivpflege vermeiden die Klinik.
Der Grund ist simpel und traurig: Die Krankenhäuser mit ihrem Personalschlüssel können die Pflege nicht so übernehmen, wie es gebraucht wird. Selbst auf Intensivstationen, wenn keine 1:1‑Pflege möglich ist, kann es schwierig werden.
Dabei haben wir noch Zugriff auf die Intensivstation, weil die IntensivLady tracheotomiert und beatmet ist. Doch ist das nicht überall gegeben.
Sind die Eltern dabei, dann wird ein tracheotomiertes Kind schnell auf Normalstation verlegt. Die Eltern können es ja.
Dann, 2018, wechselten wir von unserem Kinderkrankenpflegedienst ins persönliche Budget, ins Arbeitgebermodell. Oder anders: Wir bekommen seit dem monatlich das Geld für die Intensivpflege und stellen die Pflegefachkräfte selbst an.
Ein positiver Effekt sei, dachten wir, jetzt dürfen unsere angestellten Pflegefachkräfte in die Klinik mit. Denkste! Die Krankenkasse weiß es anders. Denn das gelte für die Menschen mit Behinderung und Arbeitgebermodell, die von der Eingliederungshilfe das Budget bekommen. Schluck!
Wir diskutierten mit der Krankenkasse, denn 2013 gab es ein Gerichtsurteil (Landessozialgericht Schleswig-Holstein L 5 KR 144⁄13 B ER) und dann klappte es.
Das Krankenhaus musste aber bescheinigen, dass es nicht in der Lage ist, den krankheitsbedingten Mehrbedarf der Pflege zu übernehmen.
Und jetzt, jetzt kommt ein Gesetz, es soll kommen, zur Assistenz im Krankenhaus. Viele Verbände und Vereine der Behindertenhilfe und ‑politik forderten es schon lange.
Okay, aber wenn diese Verbände applaudieren, warum geht es dir dann nicht gut damit? Hat das Gesetz nichts Gutes? Das fragt ihr.
Jupp, für die, die für ihre Pflege Eingliederungshilfe bekommen. Für diese Gruppe klingt es gut. Deren Assistenz im Krankenhaus soll möglich sein. Ist es ein Erfolg?
Kein Erfolg, denn die Familien, die die Pflege über die Pflegekasse und Krankenkasse finanzieren werden „abgespeist“: Ihr, die pflegenden Angehörigen, dürft jetzt mit und bekommt vielleicht Lohnersatzleistungen, eine Art Kinderkrankengeld.
Klingt nett. Doch der G‑BA soll zuerst checken, wer hier infrage kommt. Hmm.
Klingt nett? Viele pflegende Mütter oder Väter können nicht mehr arbeiten gehen. Sei es, weil der Pflegedienst wiederholt ausfällt. Sei es, weil die Pflege und der Zirkus drumherum komplex und Zeit raubend ist, dass ein Job unmöglich wird.
Wer keinen Lohn hat, der bekommt keine Lohnersatzleistung.
Jupp, dann spart die Krankenkasse und ein zweites Jupp: für die Krankenkasse ändert sich nichts (oder wenig) bei den Familien in der außerklinischen Intensivpflege.
Und drittes Jupp: Nach längerem Klinikaufenthalt wird dazu das Pflegegeld gekürzt
Endlich darf die pflegende Mutter oder der Vater sein Kind, bescheinigt von den Behörden, in die Klinik begleiten, 24 Stunden rund um die Uhr pflegen. Auch wenn es über 18 Jahre ist.
Ist dies nicht jetzt möglich in Häusern, die wissen, wie die stationäre Pflege entlastet wird, wenn pflegende Angehörige mit am Start sind?
Und die Angehörigen gehen mit in die Klinik, weil die Familien eine Angst erleben, wenn sie ihr Intensivkind dort der Pflege überlassen würden, könnte es schlimm enden.
Nicht weil das Pflegepersonal dort schlechter oder unwillens arbeitet. Das wird nicht bezweifelt, sondern weil es nicht genügend Personal auf Station gibt, weil es eine längere Einarbeitung braucht für eine sichere Pflege ihres Kindes. Schließlich möchten die Eltern ihr Kind nicht durch fehlende oder unzureichende Pflege verlieren.
Die Pflege von vielen Intensivkindern ist komplex und braucht eine lange Einarbeitungen der professionellen Pflegenden, der Pflegefachkräfte. Bei uns im Schnitt drei Monate oder länger.
Und jetzt kommt dieses Gesetz, was nichts ändert. Oh doch: Wir, die Familien mit dem Arbeitgebermodell, kommen wieder an die Baustelle: Unser selbst angestelltes Pflegepersonal darf in die Klinin nicht mit. Oder darf es weiterhin mit?
Bis jetzt bin ich hier ratlos.
Es ist jetzt klar gestellt: Nur wenn Eingliederungshilfe fließt und das Personal darüber finanziert wird, dann darf es mit.
Also liebe Angehörigen von schwer erkrankten Menschen, ihr dürft (weiterhin) euren Schützling selbst in die Klinik begleiten, wenn die Krankenkasse die häusliche Pflege bezahlt.
Und liebe Betroffene im Arbeitgebermodell, ihr könnt dankbar sein, wenn die Krankenkasse euch nicht um die vollen Tage in der Klinik das Budget kürzt. Denn, wie jeder Arbeitgeber, wenn keine Arbeit mehr da ist, müsst ihr euer Personal kündigen oder bezahlt freistellen.
Wird das Budget um diese Krankenhaustage gekürzt, dann drückt dies auf die Lohnkosten. Seit ihr ein, zwei Wochen oder länger in der Klinik, dann könnt ihr kündigen und schwups ist euer Personal weg und was bleibt: Beatmungs-WG? Pflegeheim?
Ich frage: Haben die applaudierenden Leute in den Verbänden schon einmal Familien mit einem Intensivkind begleitet? Mütter und Väter, die dort Rund-um-die-Uhr pflegen und dazu noch schwierige Entscheidungen zur Therapie treffen müssen. Eltern, die froh sind, wenn sie wieder zuhause sind, weil der Pflegedienst übernimmt und sie wieder richtig schlafen dürfen.
Ich glaube nicht.