Fünf Tipps für deine Gesundheit in der Pflege & Psychotherapie

Du steckst als Vater, als Mut­ter oder als „erwach­senes Kind“ in der häus­lichen Pflege fest, Monate. Dein Blick verengt sich und langsam ver­stärkt es sich das Gefühl: Ich bin allein.

Nut­z­los und abgehängt.

Du hast für die Pflege deinen Job aufgegeben und spürst jet­zt, wie schnell du vergessen wirst. Dein Arbeit­sum­feld, deine spo­radis­chen, aber wichti­gen Kon­tak­ten. Es fehlt dir das Feed­back über dein Schaf­fen, über das, was du für andere geleis­tet hast. 

Wie komme ich darauf?

Ich erlebte dies selb­st und erfuhr es in Gesprächen mit Betrof­fe­nen, manch­mal war es im Kinder­hos­piz, manch­mal im Café. Es zeigt sich bei anderen pfle­gen­den Eltern ähnlich.

Schnell, zu schnell kann ein jed­er durch diese Last und der Belas­tung sein eigenes schw­er erkrank­tes Kind zu pfle­gen, in psy­chis­che Krisen kommen.

Ich tappte, ich selb­st saß in dieser Falle und dachte viele Jahre: Mir geht es mit dem Pflegeleben gut. Auch als Mann packst du das. Denkste, die Depres­sion pack­te mich, drück­te mich auf den Boden.

Niedergeschla­gen­heit, ständi­ge Müdigkeit, über­zo­gene Reizbarkeit gegenüber den anderen und Lust­losigkeit kön­nen den Pflegeall­t­ag bestimmen.

Kann man dem Vor­bauen? Kommt man da wieder raus?

Wege, trotz der Pflege im Gesund zu bleiben

Viele, die die Pflege ihres schw­er erkrank­ten Kindes oder Eltern­teils übernehmen, stellt sich die Frage: Kann ich hier gesund bleiben.

Pflege ist physisch und psy­chisch her­aus­fordernd, anstren­gend und belastet. Die kör­per­liche Anstren­gung ist nicht nur das Heben und Tra­gen, was beim kleinen Kind leicht fällt.

Viele pfle­gende Eltern kom­men nicht auf aus­re­ichend Schlaf oder wer­den in Nachtruhe ständig gestört. Sei es, weil das Kind Unruhep­hasen hat, die Überwachung alarmiert oder wenn es immo­bil ist, nachts umge­lagert wer­den muss.

Da fällt es schw­er zu glauben, bei allen Gesund­heit­stipps für pfle­gende Ange­hörige: Sie kön­nen trotz jahre­langer Pflege gesund bleiben.

Ich würde keine Garantie aussprechen. Doch gibt es Möglichkeit­en, auch wenn du als Pfle­gende an der Belas­tungs­gren­ze bist, einen guten Weg zu gehen.

Meine fünf Topps, für eine Basis, um sta­bil zu bleiben und darin zu wachsen.

1. Nehme deine Lebenssituation an

Das erste, wichtige The­ma ist und es wird immer bes­tim­mend bleiben: Du hast dich entsch­ieden, dass euer Kind, trotz des hohen Pflegebe­darfs, zuhause ver­sorgt wird.

Dies durch euch, dies mit der Hil­fe von anderen.

Eine Haup­tauf­gabe wird immer bleiben, und ich sage immer: Nehme deine Lebenssi­t­u­a­tion an. Akzep­tiere das, was du nicht ändern kannst und verän­der das, was du ändern kannst.

Ich finde viel Wahrheit in dem Gelassen­heits­ge­bet. Du kennst es vielle­icht aus manch­er Serie oder Fil­men mit AA-Gruppen.

Und mit immer meine ich: Es wird wieder­holt Momente geben, wo es schw­er­fällt, diese anzunehmen. Denn Pflege ist eng mit Trauer verknüpft.

Trauer über die Zeit, wo alles noch möglich war. Trauer über das, was ihr euch gewün­scht habt, aber nicht möglich wird.

Sie wird mal schwäch­er, mal stärk­er in den All­t­ag „ein­greifen“.

2. Verstehe den Dank in der Pflege

In der Pflege, so ist deren Natur, ver­steckt sich der Dank manch­mal nur in kleinen Details, in einem Lächeln oder weil alle es geschafft haben, dass der Tag schmerzfrei war.

Als pro­fes­sionelle Pflegekraft lernt man über die Zeit, wie Patien­ten ihren Dank zeigen. Das unter­schei­det sich auch, wie gut die Patien­ten kom­mu­nizieren können.

Bei einem Kranken im Koma kann die Herzfre­quenz ein Indika­tor sein, wie gut es dem Men­schen geht. Eine hohe Fre­quenz spricht für Prob­leme wie Schmerzen.

Ein dankbar­er Tag ist es dann, wenn solche Krisen unter­bun­den wur­den und es schöne, kleine Erleb­nisse gestal­tet wer­den kon­nten. Seien es nur die Son­nen­strahlen ins Gesicht.

Der Erfolg guter Pflege zeigt sich in kleinen, einzel­nen Erleb­nis­sen, aber auch großen Erfol­gss­chrit­ten. Ich sehe es deshalb als wichtig an, auch als Ange­höriger, sich Ziele in der Pflege zu setzen.

Die pro­fes­sionelle Pflege gestal­tet dafür eine Pflege­pla­nung, wo sie Pflegeziele einpfle­gen. Das ist wichtig, damit Verän­derun­gen beim Erkrank­ten erkan­nt wer­den und Erfolge gemessen wer­den können.

Es ist wichtig, um zu erken­nen, welche Maß­nah­men, welche Ther­a­pi­en hil­fre­ich waren.

Du siehst darüber, was sich über lange Zeit wie nach sechs Monat­en oder einem Jahr entwick­elt hat.

Schreibt eure Ziele in der Pflege auf und ver­gle­icht es nach ein, zwei Monat­en, wo ihr steht.

3. Bleibe im Gespräch

Neben dein­er gesamten Pflege zuhause, ver­suche deinen Fre­un­den treu zu bleiben.

Gehe nie davon aus: Gute Fre­und­schaften über­ste­hen eine län­gere Ruhephase.

Es lebt sich schnell auseinan­der, so dass man sich nichts mehr sagen kann. Pflege die The­men, die dich mit anderen verbinden.

Auch die anderen haben ihre Krisen. Sei es eine eigene Krankheit, eine Schei­dung oder die/der Ex zieht mit den Kindern weg.

Baue dazu neue Kon­tak­te auf. Komme mit anderen Eltern ins Gespräch, die ein Kind haben mit gle­ich­er Diag­nose oder Behinderung.

Das Inter­net bietet hier Möglichkeit­en. Seien es die ver­schieden Grup­pen in den sozialen Medi­en, Foren oder auch die Videochats für alte Bekannte.

Wenn du nicht mehr arbeitest, aber du und dein/e Chef:in hat­tet eine gute Ebene miteinan­der. Pflege den Kon­takt. Sende immer mal Updates. Vielle­icht ergibt sich dadurch ein klein­er Auf­trag fürs Home­of­fice oder später wieder ein Start in dieser Firma.

4. Wandle die Last der Pflege in Fitness

Auch wenn es schw­er­fällt: Bleibe der kör­per­lichen Fit­ness treu oder starte neu durch.

Regelmäßiger Sport ist ein Vit­a­min für deine kör­per­liche und seel­is­che Gesund­heit. Es hil­ft, ein­seit­ige Belas­tun­gen abzufed­ern und du erleb­st deinen Kör­p­er, bleib­st ihm nah.

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Stecke den Schweine­hund in die Büchse

Außer deinen Schweine­hund gibt es heute durch das Smart­phone keine Ausrede mehr. Denn du brauchst kein Sport­stu­dio oder einen Vere­in, wenn deren Zeit­en mit der Pflege nicht passen.

Es gibt viele gute Apps, die auch für Ein­steiger einen guten Weg in den Sport setzen.

Neben dem Sport achte auf die Entspan­nung. Wenn du gut auf Med­i­ta­tion, Acht­samkeit­strain­ing oder Auto­genes Train­ing reagierst, dann baue es in deinen All­t­ag ein.

5. Die Last der Pflege und nutze die Psychotherapie

Unter­schätze nie die Last der häus­lichen Pflege. Das ist mir passiert. Dabei bin ich Pflege­profi, also aus­ge­bildete Pflege­fachkraft, führe und führte andere Pflegefachkräfte.

Ich kan­nte früh die Fall­stricke, welche Belas­tun­gen einen stolpern lassen und wie schnell eine/r ausbrennt.

Unter­schätze nichts, und falls doch. Okay, es passiert. Du hast in jed­er Sit­u­a­tion dein Bestes gegeben, was dir in dieser Zeit möglich war.

Wenn dich die Pflege belastet, sie deinen All­t­ag Fall­stricke baut. In dieser Lebenssi­t­u­a­tion kann ein Gespräch mit einem Pro­fes­sionellen helfen, abzukip­pen in eine schwere psy­chis­che Störung.

Klar, du als Mann, warum soll­test du zu ein­er / einem Therapeut:in ren­nen. Du kannst deine Prob­leme selb­st lösen.

Ver­giss es! Wir sind gute Meis­ter darin, uns selb­st alles so passend zu reden, zu bauen, als bräucht­en wir Hil­fen von anderen nicht.

Es bringt uns aber nicht weit­er. Wir kön­nen auf diesen Weg scheitern.

Ich habe Angst, auf das zu schauen, was mich ver­let­zt hat. Ich will keine Schmerzen erleben. Ich will nicht wis­sen, was ich ver­säumte, welche Chan­cen ich ablehnte wegen der Pflege mein­er Tochter.

Doch ist dies vielle­icht nur ein Hirngespinnst.

Für mich war das Wichtig­ste, warum ich wieder­holt ins psy­chother­a­peutis­che Gespräch ging: Die Pflege mein­er Tochter will ich gestal­ten. Ich brauche meine Familie.

Ich erlebte eine Last, eine Dunkel­heit. Ich ver­stand diese nicht. Was nacht sie hier und kann ich damit leben.

Ich kippte ab und saß in einem Tun­nel. Okay, die Pflege kon­nte ich weit­er­hin leis­ten. Irgend­wie. Und dann lernte ich wieder, durch zu starten mit pro­fes­sioneller Hil­fe, mit vie­len Gesprächen.

Psychotherapiestunden nicht festlegbar

Und let­ztens las ich, dass die Poli­tik vom Bun­des­ge­sund­heitsmin­is­teri­um vor hat­te, für einen Typ psy­chis­ch­er Störung nur eine bes­timmte Stun­den­zahl an Psy­chother­a­pie festzusetzen.

Oder anders: Du hast eine leichte Depres­sion, dann gibt es dafür 25 Stun­den Psy­chother­a­pie. Dann ist Schluss.

Funk­tion­iert das: Eine psy­chi­a­trische Diag­nose und davon leit­et sich sofort ab, wie viel Ther­a­pie der Erkrank­te zu erhal­ten hat.

Nein. Es klappt auch nicht bei vie­len kör­per­lichen Prob­le­men wie hoher Blutdruck.

Und was ist eine Diag­nose bei psy­chis­chen Störun­gen und Erkrankun­gen? Spiegelt eine Diag­nose 100% oder 80 % wirk­lich das wieder, unter dem, was der Men­sch lei­det, wohin sein Weg führt. Ich glaube nicht.

Eine Petition für eine Psychotherapie nach Bedarf

Da schließe ich mich der Peti­tion an, die sich gegen Rasterpsy­chother­a­pie wen­det. Psy­chis­che Erkrankun­gen und Störun­gen sind zu kom­plex und verän­dern sich durch den All­t­ag, durch die Therapien.

Es zeigt sich allein in unser­er Lebenssi­t­u­a­tio­nen mit dem Inten­sivkind, was wieder­holt durch lebens­bedrohliche Krisen bes­timmt wird.

Im let­zten hal­ben Jahr standen wir zweimal am Pflege­bett mit ein­er aufgeräumten Klarheit und schw­er­er Trau­rigkeit: Stirbt unsere Linn jet­zt? Viele Zeichen sprachen dafür.

Doch rap­pelte sie sich wieder auf.

Das zieht Energie, das drückt mich runter und es fehlte mir die Ori­en­tierung. Wie kön­nen wir den All­t­ag leben, wenn jed­erzeit unser Leben einen Bruch erfahren kann?

Der Tod unser­er schw­er erkrank­ten Tochter den All­t­ag umstürzt.

Wie kann ich mich sich­er fühlen, wenn ich jed­erzeit zum Pflege­bett gerufen werde, der Mon­i­tor spin­nt oder doch nicht? Die Kör­pertem­per­atur ist wieder weit unter 36 Grad.

Eine Krise und das Ende der Psychotherapie

Bin ich ger­ade in Psy­chother­a­pie, in den let­zten Ther­a­pi­es­tun­den und dann stirbt das Kind. Und dann fällt man in eine neue Krise …

Wie ist mir dann geholfen, wenn ich durch eine lebens­bedrohliche Krise in einem Tun­nel gefan­gen bin?

Wenn dann die let­zte Ther­a­pi­es­tunde läuft. Schweige ich der / beim Therapeut:in darüber, fokussiere den Blick auf das, was sich entwick­elt hat.

Ich schnei­de aus, was meine Welt dem­nächst bes­tim­men wird: Der Tod mein­er Tochter. Wollen wir darüber reden? Oh, nein, stimmt ja, mit ihrer Diag­nose gel­ten sie nach 50 Stun­den Gespräch als geheilt.

Ich muss dann aus dem Tun­nel allein find­en, wenn die Psy­chother­a­pie ambu­lant nicht mehr läuft. Es bleiben mir dann die Kliniken noch offen, mit Wartezeit.

Doch das klappt wieder nicht, wenn ich zuhause in der Pflege einge­bun­den bin.

Es braucht die Flex­i­bil­ität in Krisen auch ambu­lante psy­chol­o­gis­che Hil­fe zu bekommen.

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