Intensivkind & Pflegedienst: Konflikt mit der Medikamentengabe

Aktuell bekommt das Inten­sivkind zu sieben ver­schiede­nen Zeit­en Medika­mente. Dies alles im Blick zu hal­ten fällt manch­mal schw­er, obwohl die Menge der unter­schiedlichen Medika­mente über­schaubar ist. Es beste­ht neben dem Pflegeall­t­ag ein All­t­ag zwei und drei, wie Geschwis­terkind und Beruf.

Eine Hil­fe und Erle­ichterung für uns Eltern ist das Vorstellen der Medika­mente vom Pflege­di­enst. Es funk­tion­iert, da wir die ver­schiede­nen Tablet­ten ken­nen. Alle Medika­mente sind unter­schiedlich, sei es nur durch eine Einker­bung auf der Tablette. Es braucht bei uns nur die alarmierende Uhr, um keine Medika­mentengabe zu verpassen.

Erleichterung und Fehlerquelle

Egal wo wir sind mit dem Inten­sivkind, wir müssen keine Pack­un­gen der Medika­mente mit­führen oder vor einem Spazier­gang noch die Tablet­ten stellen. Was für uns opti­mal ist, kann für den Pflege­di­enst eine Fehlerquelle bedeuten. Das Vorstellen ist “eigentlich” obso­let, da es heißt, je mehr Men­schen bei der Medika­mentengabe mitwirken, je höher steigt die Fehlerquote. Die Pflegekraft muss, wenn sie die vorgestell­ten Medika­mente ver­wen­den will, ein­deutig wissen:

  • Was ist das für ein Medika­ment; ist die vorgestellte Tablette wirk­lich das verord­nete Medika­ment aus der Orig­i­nal­pack­ung? Ist das vorgestellte Arzneimit­tel die richtige Applikationsart?
  • Wie ist die Dosis bei dem vorgestell­ten Medika­ment (richtige Dosierung)?
  • Ist das vorgestellte Medika­ment noch haltbar?

Die Pflege­fachkraft muss, wenn sie sich aus dem Tablet­ten­schälchen bedi­ent, ihrer Kol­le­gin oder ihrem Kol­le­gen ver­trauen, die oder der es vorgestellt hat. Fehler kön­nen schnell entstehen:

  • Es wird das falsche Medika­ment gegeben oder dieses zum falschen Zeitpunkt.
  • Es wird die falsche Dosis gegeben oder die falsche Applikation.

Zum einen, weil das Medika­ment falsch gestellt wurde oder zum anderen, wenn es Änderun­gen im Medika­menten­plan gibt, die im vorgestell­ten Behäl­ter noch nicht umge­set­zt wur­den. Die Pflege­fachkraft gibt die Medika­tion nach dem alten Plan, weil sie die Änderun­gen nicht beachtet. Sie hat zum Beispiel vor der Medika­mentengabe nicht die Pflege­doku­men­ta­tion gelesen.

Vertrauen und Kontrolle

Im Gegen­satz zu manch anderen Inten­sivkind ist die Medika­tion bei uns sta­bil. Es gibt keine täglichen oder wöchentlichen Änderun­gen des Medika­menten­planes. Dies ist ver­führerisch. Die Pflege­fachkraft kön­nte schnell denken, sie kenne den Medika­menten­plan auswendig; der ist doch immer gle­ich. Dadurch schaut sie vor der Medi­ga­be nicht in die Pflege­doku­men­ta­tion, ob es eine Änderung gibt. Sie ver­traut dazu noch auf das, was die Kol­le­gin vorgestellt hat. Eine beson­dere Gefahren­quelle für einen Pflege­fehler. Deut­lich zeigen kann es sich in Krisen beim Inten­sivkind, und diese kommen.

Krise und Medikation

In solchen Zeit­en kann sich der Medika­menten­plan schnell ändern. In Krisen heißt es schnell, am Vor­mit­tag gibt es eine Änderung, doch wird diese wegen dem insta­bilen Kind nicht vorgestellt. Nie­mand weiß, wie sta­bil das Inten­sivkind am Abend ist. Wenn der Spät- oder Nacht­di­enst nicht in den Medika­menten­plan schaut, dann wird die neue Medika­tion nicht umgesetzt.

Eine andere Gefahren­quelle ist die Unken­nt­nis, welche “nack­te” Tablette bein­hal­tet welch­es Arzneimit­tel. Ist die Pflegekraft sich unsich­er, kann und sollte sie die Medika­mente für die Gabe aus der Orig­i­nal­pack­ung nehmen. Wenn dann Tablet­ten in der Schachtel bleiben, brauchen wir Eltern die Ken­nt­nis darüber, die Pflegekraft hat das Medika­ment gegeben. Zum Fehler kann es kom­men, wenn die Pflegekraft dabei aber auf ihre Kol­le­gin ver­traut, diese würde schon das richtige Medika­ment gestellt haben. Wenn aber die Kol­le­gin es falsch gestellt hat, dann bleibt der Fehler unentdeckt.

Konflikt

Trotz dieser Fehlerquellen wün­schen wir das Vorstellen. Unsere Argu­mente waren oder sind zum einen, dass wir so eine Kon­trolle über die Pflege haben, ob alle Medika­mente gegeben wer­den. Zum anderen ist es für uns eine Erle­ichterung im All­t­ag. Außer­dem sehen wir als wichtig­sten Punkt, damit es zu keinen Fehler kommt: Die Pflege­fachkraft muss und sollte jede Medika­mentengabe nach der Pflege­doku­men­ta­tion geben und reflek­tierend arbeit­en, egal ob die Medika­tion vorgestellt ist oder nicht. Kenne ich die vorgestell­ten Medikamente?

Die Gege­naus­sage der Pflege­fachkräfte ist, sie fühlen sich mit dem Vorstellen für eine Woche und der Ken­nt­nis über die “nack­ten” Tablet­ten unsich­er. Ins­beson­dere wenn es zu Änderun­gen der Medika­tion kommt oder Ersatzprä­parate gegeben wer­den müssen.

Somit gab es eine Änderung:

  • Es wird jet­zt nur für den fol­gen­den Tag vorgestellt. Wir sind über die Fehlerquellen aufgeklärt.
  • Wer das Medika­ment nicht ken­nt, nimmt es sich aus der Orig­i­nal­pack­ung. Wir “erhöht­en” unser Ver­trauen in die Pflege; unsere Erfahrung mit dem Prinzip, direkt aus der Orig­i­nal­pack­ung zur Medika­mentengabe, ken­nen wir aus eini­gen Kinderhospizen.

Für unseren All­t­ag passt dies und wir hof­fen auch für unsere Pflege­fachkräfte. Sicher­lich, opti­mal wäre es, wenn wir uns von dem Vorstellen ver­ab­schieden wür­den, aber dies ste­ht im Kon­flikt mit der Erle­ichterung unseres Pflegealltags.

2 Kommentare

  • Zuerst ein­mal:
    Respekt, Respekt, Respekt…. ich kann gar nicht oft genug dieses Wort ver­wen­den um der Lebenssi­t­u­a­tion mit Inten­sivkind gerecht zu werden.

    Zum The­ma:
    Bei der Medika­tion prallen in der häus­lichen Pflege immer wieder lebenswirk­liche Vorstel­lun­gen, Ideen und Ansprüche der pfle­gen­den Ange­höri­gen, getra­gen vom berechtigten Wun­sch der Unter­stützung bei oft­mals lange andauern­den belas­tungs­gren­züber­schre­i­t­en­den Erfahrun­gen, mit rechtlich/bürokratischen Rah­menbe­din­gun­gen der pro­fes­sionell Pfle­gen­den aufeinan­der. So auch hier.

    Die Lebenswirk­lichkeit erfordert von der pfle­gen­den Fam­i­lie oft mehr Pflegeleis­tung zu erbrin­gen als tat­säch­lich in die ver­füg­bare Leben­szeit zu pressen ist. Dies führt regelmäßig zu Abläufen die die Anforderun­gen an eine pro­fes­sionelle Pflege spren­gen. Obwohl das nicht zum Nachteil des Pflegebedürfti­gen sein muss, entste­ht oft ein Kon­flik­t­feld mit einge­bun­de­nen pro­fes­sionellen Helfern.

    Gelingt es wir hier ein „ver­härten“ der Fron­ten zu ver­mei­den und einen näherungsweise lebenswirk­lichen Kom­pro­miss zu find­en, der rechtliche Rah­menbe­din­gun­gen nicht unan­nehm­bar überdehnt, ist trotz aller von Geset­zge­ber und Kos­ten­träger einge­baut­en Hür­den vor allem ein­er Per­son geholfen, dem Pflegebedürftigen.

    Kraft und Grüße
    @pflegepuls

Von dirkstr

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