Kaum hat man eine Sache bei der Krankenkasse der Madame “BKK für Heilberufe” durchgekämpft, kommen schon die nächsten zwei Ablehnungen ins Haus geflattert. Jetzt merke ich langsam, was es bedeutet, ein Intensivkind zu haben: Es bedeutet ein ewiger, intensiver Kampf um Hilfsmittel. Doch schlimmer ist es dann noch, wenn im Widerspruchsverfahren der Rehahersteller eines beantragten Hilfsmittels der Krankenkasse die Argumente für die Ablehnung in den Mund legt.
Doch nun von Anfang: Gestern landete der Brief von der Krankenkasse bei uns über die Ablehnung des Kapnographen. Darin heißt es,
Die transkutanen Blutgasmessungen einschließlich Sauerstoffsättigung sind zur Anpassung der Beatmungsparameter ausreichend.
Schön und gut, aber welche transkutanen Blutgasmessungen? Ja, man kann den Kohlendioxidgehalt im Blut auch transkutan, also durch die Haut, messen, dies geschieht häufig bei den Frühchen im Inkubator. Bei größeren Kindern oder Erwachsenen findet diese Messung über einen Kapnograph/Kapnometer statt, der am Beatmungssystem eingebunden ist oder wird. Eben ein solches Gerät, welches wir für die Madame beantragt haben und wir noch im Rahmen einer “Probestellung” Zuhause verwenden.
Ohne die Hilfe des Kapnographen hätten wir nicht erfahren, dass eben die Madame überbeatmet war und es jetzt langsam besser wird. Überbeatmet: nun sie hat zu viel Kohlendioxid abgeatmet durch die Beatmung und dies ist wahrlich nicht gesund, medizinisch heißt es Hypokapnie. Ich zitiere mal aus Atmen — Atemhilfen:
Es gilt: Hypokapnie (…) führt zur Kontraktion der Hirngefäße: die Durchblutung nimmt ab.
…
Bei einem PaCO2 von 15 – 20 mmHg [also niedrig; Anm. d. Autors] nimmt die Hirndurchblutung um 40 – 60 % des Normalwertes ab
…
PaCO2-Werte < 25 mmHg => Gefahr der zerebralen Ischämie
(S. 427. Atmen — Atemhilfen. Atemphysiologie und Beatmungstechnik. Oczenzki, Wolfgang Hrsg.. Verlag Thieme. 2005.)
Dies heißt also, es ist notwendig, dass bei der Beatmung der Kohlendioxidgehalt regelmäßig kontrolliert wird, um eine Hypokapnie zu erkennen und somit einer Schädigung des Gehirns vorzubeugen.
Für uns heißt es, wenn die Probestellung beendet wird und die Krankenkasse bis dahin keinen Kapnograph/Kapnometer genehmigt hat, dass die Madame in die Klinik muss für die regelmäßige Kontrolle des Kohlendioxidgehalts.
Da eine Ablehnung ja nie ausreicht kam heute Nummero zwo als Postzustellungsurkunde. Der Widerspruchsausschuss der Krankenkasse hat unseren Widerspruch zurückgewiesen von der Clima-Balance Bettauflage und dies sogar mit Hilfe des Herstellers des Hilfsmittel:
“der dazu gehörige Inkontinenz-Matratzenüberzug ist laut Rücksprache mit einer Mitarbeiterin der Firma Thomashilfen atmungsaktiv. Eine erhöhte Schweißproduktion durch diesen ist bisher nicht aufgefallen. Bei generell erhöhter Schweißneigung eines Patienten müsste laut dieser als wichtigste Maßnahme hochatmungsaktive Bettzeug (Oberbett/Kopfkissen) zum Einsatz kommen. Der alleinige Einsatz der Matratzenauflage Thevo-Clima Balance, wie von der Widerspruchsführerin beantragt, reiche nicht aus, um der Schweißbildung entgegenzuwirken.”
(Zitat aus dem Ablehnungsbescheid vom 28.09.06 der BKK für Heilberufe.)
Doch schwitzt die Madame am Rücken, wenn sie auf dem Rücken liegt und da hilft auch kein Clima-Balance Bettzeug, insbesondere da sie im Sommer kaum zugedeckt ist. Im Forum REHAkids wird dazu in einem Beitrag ausgeführt, dass ein Schwitzen vermehrt auftritt und dies durch den Inkontinenzbezug, da die Flüssigkeit vom Schwitzen auf der Matratze bleibt und nicht von ihr aufgezogen wird. Schließlich soll ja auch kein Urin in die Matratze dringen. Diese Matratzenauflage bietet hierbei eine gute Lösung, um dem Schwitzen entgegen zu wirken.
So wird es selbst vom Hersteller angepriesen www.thomashilfen.de/thevo/inhalt/modelle/thevoclimabalance/thevoclimabal… und dort wird nicht erwähnt, dass man die Bettdecke, das Kopfkissen und diese Matratzenauflage zusammen erwerben muss, um diese Wirkung, dass schnell die vorhandene Feuchtigkeit abtransportiert wird, zu erreichen.
Und was bedeutet für uns diese Ablehnung der Krankenkasse: Jetzt muss überlegt werden, ob wir diese Bettauflage einklagen wollen, also vor das Sozialgericht ziehen müssen.
Doch waren es sicherlich nicht die letzten Ablehnungen. Aktuell stehen noch drei neue Rezepte aus bei der Krankenkasse, mal sehen, ob hier auch wieder eine Ablehnung ins Haus kommt. Es ist nicht nur irgendwie wie Lotto spielen, es ist Lotto, das Hilfsmittellotto.
Update: Der Hersteller Thomashilfen hat mir am 12.10.06 ein Schreiben zugesendet, woraus hervorgeht, dass die verordnete Bettauflage auch ohne das Gesamtsortiment “Clima-Balance” seinen Zweck erfüllt und das die Bettauflage das Bettklima optimiert, wenn die Patienten durch den Inkontinentzbezug des Schlummersternes vermehrt schwitzen. Somit wurde Klage eingereicht beim Sozialgericht.