Es fällt mir schon immer schwer zu glauben, dass allein die Tatsache, man hat ein behindertes Kind, einem den “Boden unter den Füßen” weg zieht, man dadurch einen schweren “Schicksalsschlag” erleidet. Eine Antwort auf meinen Zweifel dazu habe ich auch jetzt gefunden in dem Satz:
“Das Trauma ist nicht eine Einwirkung eines Ereignisses auf ein Individuum allein, vielmehr erhält es traumatische Relevanz erst durch die Wirkung und Bedeutung.” (S. 10. Hirsch, Mathias. Das Kindesopfer. Eine Grundlage unserer Kultur, Bibliothek der Psychoanalyse. Psychosozial-Verlag. Gießen. 2006)
Das Ereignis, die “Geburt” des behinderten Kindes, ist also nicht ausreichend für das Trauma “Behinderung”, denn es wäre mit Sicherheit anders, wenn die Geburt eines behinderten Kindes in der Kultur wie mit einem hohen Geschenk der Götter gleich gesetzt wäre. Es wäre dann vielleicht sogar ein Glücksmoment, man sei eine auserwählte, besondere Person, die damit bedacht wurde. Nun, so manche “Sprüche”, wie, dass das behinderte Kind sich nur besondere Eltern aussucht, gehen in diese Richtung. Doch heben sie nicht den Konflikt in unserer Kultur auf, wonach Behinderung Makel bedeutet und Leistungsminderung, letztendlich auch der Ausschluss aus der (familiären) Gemeinschaft, wie auch das fehlende Verständnis beim Arbeitgeber, den Sozialkassen und den Behörden. Dies erzeugt sicherlich dann die Wirkung einer seelischen Erschütterung, wodurch die Behinderung des Kindes ein Trauma werden kann, zumindest in deren ständigen Nähe sich der einzelne Betroffene fühlt, eben da mit dem Konflikt ständig seine eigenen Grenzen belastet werden, und diese sogar darüber hinaus.