Die letzte Phase im Leben

Das unser Wider­spruch zur Ablehnung der Hos­pizpflege vom Wider­spruch­sauss­chuss der BKK für Heil­berufe zurück­gewiesen wird, war irgend­wie zu erwarten. Das entsprechende Schreiben vom Wider­spruch­sauss­chuss kam nun heute. Daneben aber erwarte ich noch eine Antwort vom Bun­desver­sicherungsamt zu diesem Ver­fahren, wobei auch hier sicher­lich nichts erhel­len­des kom­men wird. Doch warum wurde der Wider­spruch zurück­gewiesen bzw. er sei unbegründet?

Kurz: Unser Kind befände sich nicht in der Final­phase. Eine begren­zte Lebenser­wartun­gen von Wochen oder weni­gen Monat­en beste­he nicht, da dies ein Arzt nie so eingeschätzt hätte. Unser Sozialpä­di­a­trisches Zen­trum (SPZ) hat aber hier­für schriftlich aus­ge­führt, aber anscheinend nicht deut­lich genug, dass die möglichen Todesur­sachen bei der Erkrankung unser­er Tochter oft nicht vorherse­hbar sind, was heißt, dass, je nach Einzelfall, zu jedem Zeit­punkt gegebene Risiko eines “unverangekündigten” Todes bestehe.

Nun, für die Auf­nahme in Kinder­hos­pizen gilt eine Prog­nose, wo der Tod des Kindes im Kinde­salter bzw. unter 18 Jahren zu erwarten sei. Dies reiche, so meine Gespräche mit Betrof­fe­nen, häu­fig zur Anerken­nung der Hos­pizpflege bei der Krankenkasse aus. Ein Grund hier­für sei, dass man bei Kindern mit tödlich ver­laufend­en Erkrankun­gen eine Prog­nose über eine begren­zte Lebenser­wartung von Wochen oder weni­gen Monat­en nur schw­er stellen kann, weil zum Beispiel der “gesunde” Wach­s­tum ein Gegen­spiel­er ist, zum einen. Zum anderen wür­den die Krankenkassen wis­sen um die Bedeu­tung der wichti­gen Ent­las­tung und psy­cho-sozialen Betreu­ung der Eltern in solchen Leben­sphasen, damit so die häus­liche Sit­u­a­tion auf Dauer sta­bil bleibt und die Eltern vor einem psy­chis­chen Kol­laps geschützt sind.

Aber was heißt let­zte Leben­sphase bei ein­er Prog­nose, wie beim Inten­sivkind, welch­es tagtäglich durch ein akut ein­tre­tenden Geschehen ster­ben kann. Sagen wir es anders: Ihnen, liebe Leser, wird nach ein­er Unter­suchung gesagt, Sie haben eine abbauende Gehirn­erkrankung. Sie fra­gen, was ist meine Prog­nose, wann sterbe ich? Die Antwort lautet: Nun, das kann jeden Tag spon­tan ein­treten, zum Beispiel durch einen Atem­still­stand, einen unstill­baren tödlichen Fieberkrampf. Sie star­ren ihren Arzt nur an. Der fährt weit­er aus: Dazu müssen sie natür­lich ler­nen mit ein­er schw­eren Behin­derung zurecht zu kom­men, zu der ständi­ge Atem­prob­leme gehören, Bauchkrämpfe, unstill­bare Unruhezustände, schw­eren epilep­tis­che Anfälle und extrem schmerzhaft ein­schießen­den Spastiken, wie auch ein­er mas­siv­en Schlaf­störung. Sie wer­den auch nichts mehr über den Mund essen kön­nen, son­dern brauchen möglichst bald eine Magen­sonde und es kann auch sein, dass man sie ganz oder teil­weise beat­men muss, um ein “Rest” an Leben­squal­ität zu erhalten.

Uns stellt sich natür­lich die Frage durch die Ablehnung, geben wir diese Sache vors Sozial­gericht oder nicht. Da muss ich wohl noch so meine Rück­sprache hal­ten und die “philosophis­che” Frage klären um die let­zte Leben­sphase, wo es häu­fig keine Pal­lia­tivsi­t­u­a­tion nach dem Lehrbuch gibt, wie ich es gel­ernt habe bei mein­er Arbeit auf der Knochemark­trans­plan­ta­tion. Hinzu stoße ich mit mein­er Erfahrung und Wis­sen auf die Frage: Ist hier bei der Krankenkasse und dem MDK als Final­phase die Pal­lia­tivsi­t­u­a­tion an sich gemeint oder nicht?Ich frage, da sich die Pal­lia­tivsi­t­u­a­tion, was auch als let­zte Leben­sphase gilt, an sich unterteilt in: Reha­bil­i­ta­tion­sphase, Ter­mi­nal­phase und Finalphase.

Mit der Final­phase dabei sind die let­zten Stun­den bis weni­gen Tagen des Men­schen gemeint. Es ist die Ster­bephase ohne einen let­zten Rück­weg. Eine Ver­legung erst in dieser Phase in ein Hos­piz wäre sehr fraglich, weil der Patient allein auf dieser Fahrt ster­ben kön­nte, da eben der let­zte Atemzug zu jed­er Minute ein­treten kann. Hinzu kön­nen die let­zten Stun­den, ins­beson­dere wenn sie mit den Ange­höri­gen ver­laufen, auch aus der Ruhe geris­sen wer­den und man kann, ich als Pflegeper­son, nicht auf die Bedürfnisse des Ster­ben­den adäquat einge­hen. Denn bei ein­er solchen Fahrt ins Hos­piz, je nach Ent­fer­nung, herss­cht viel zu viel Stress und man hat mit dem Ein­treten des Todes am Ende ein­fach ein schlecht­es Gefühl: Es lief alles zu schlecht, zu hektisch.

Für die Hos­pize, so wie ich es ver­ste­he und man möge mich kor­rigieren, richtet sich die Hos­pizarbeit an alle Phasen der Pal­lia­tivsi­t­u­a­tion. Auss­chlagebend ist eine schwere Erkrankung, in der keine Heilung mehr möglich ist und welche in ihrem Ver­lauf tödlich ist.

Das Ziel der Hos­pizarbeit ist die Sicherung der Leben­squal­ität in dieser let­zten Leben­sphase, soweit dies natür­lich möglich und gewün­scht ist vom Schw­erkranken. Mit dem let­zten Absatz gehe dabei gle­ich mal auf die Reha­bil­i­a­tion­sh­phase ein: In dem Doku­ment: http://www.oegkv.at/fileadmin/docs/OEPZ_2006/04/koerber.pdf heißt es:

“Reha­bil­i­ta­tion­sphase: Phase der let­zten Monate, in der trotz fortschre­i­t­en­der Erkrankung ein weit­ge­hend nor­male Leben angestrebt wird.” aus: Kör­ber, Erna. pal­lia­tiv­be­treu­ung im akut­spi­tal aus sicht der pflegeper­so­n­en. abgerufen 16.7.2012

Ist der Patient in dieser Phase geht es in der Hos­pizarbeit auch darum, dass man die Lebenssi­t­u­a­tion sta­bil­isiert, also die Leben­squal­ität best­möglich her­stellt. Dies heißt auch, da er noch nicht in der Final­phase an sich ist, der Patient kann vielle­icht auch aus dem Hos­piz “ent­lassen” wer­den, wenn er soweit wieder sta­bil ist und auch die Ange­höri­gen oder ein ambu­lanter Dienst die aufwendi­ge Pal­lia­tivpflege übernehmen kann. Dazu gibt es sog­ar eine Richtlin­ie, die aus­sagt, dass nach vier Wochen Pflege im Hos­piz der Bedarf an sta­tionäer­er Hos­pizpflege gek­lärkt wer­den kann / sollte vom MDK, um diese Frage zu klären.

Aber da die Sta­bil­ität der häus­liche Sit­u­a­tion auf Dauer immer in Gefahr ist. zum Beispiel durch die Über­las­tung der Ange­höri­gen, wäre der Weg des Schw­erkranken nach einiger Zeit wieder ins Hos­piz, eben um die Sta­bil­ität und Leben­squal­ität erneut aufzubauen, zu verbessern oder auch ein­fach aufrecht zu erhal­ten. Dies ist das Prinzip, wie es eben auch bei uns ist oder wäre.

Doch komme ich nun auf die Frage zurück: Ist hier bei der Krankenkasse und dem MDK als Final­phase die Pal­lia­tivsi­t­u­a­tion gemeint oder die, im eigentlichen Sinn, kurze Ster­bephase? Ich weiß es nicht. Aber an sich, so ver­ste­he ich es, befind­et sich unsere Tochter in der Pal­lia­tivsi­t­u­a­tion. Ihre Erkrankung ist unheil­bar und fortschre­i­t­end und Punkt. Da gibt es lei­der nichts zu ändern, da kann man nichts änder, egal wie man es dreht. Doch muss ich anmerken, dass man bei dem oben genan­nten Doku­ment aus Sicht ein­er unheil­baren Tumor­erkrankung spricht. Bei den Richtlin­ien, wonach der MDK oder die Krankenkasse die “let­zte Leben­sphase” beurteilt, spricht man mit der Sicht auf die Erwach­se­nen und dem “Regelfall”.

Nun Men­schen, welche länger Schw­erkrank sind und durch ein nicht angekündigtem, spon­tanem Ereig­nis ster­ben, was dabei in der “Natur” der Erkrankung liegt, müsste nach dieser Sicht auch die notwendi­ge Pal­lia­tivver­sorgung verneint wer­den. Also eine starre Sicht auf eine Prog­nose allein, ohne die beson­dere Sit­u­a­tion des Einzelfall­es zu beacht­en, wie auch beim Kind mit lebenslim­i­tieren­der Prog­nose und der psy­cho-sozialen Sit­u­a­tion der Ange­höri­gen, ist unzure­ichend, wenn nicht sog­ar inhu­man. Die Bedürfnisse nach ein­er psy­cho-sozialen Stütze und ein­er geisti­gen Begleitung, wie auch die richtige medi­zinis­che und pflegerische pal­lia­tive Ver­sorgung beste­ht bei diesen Men­schen und den Ange­höri­gen genau­so wie bei einem Schw­erkranken mit gut zeitlich abse­hbaren Ver­lauf der Pal­lia­tivphasen. Aber selb­st dort kann eine Prog­nose, die von weni­gen Monat­en spricht bis der Tod ein­tritt, sich als falsch erweisen, im pos­i­tiv­en wie auch negativen.

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