Entlastungsangebote: Ich werd kein Pflegefall

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Da beschließt der DBfK und die Bar­mer GEK eine Rah­men­ver­ein­ba­rung für die Ent­las­tung der pfle­gen­den Ange­hö­ri­gen, also mich, und ich fin­de neben der Nach­richt im Inter­net auf die Schnel­le nichts Ein­deu­ti­ges, was sie beschlos­sen haben. Ich bekom­me somit den Ein­druck, es geht an den Bedürf­nis­sen, mei­nen Bedürf­nis­sen vor­bei. Denn schon die­se Aus­sa­ge von Herrn Wag­ner des DBfK:

„End­lich kön­nen pfle­gen­de Per­so­nen die­se drin­gend benö­tig­te Leis­tung bean­spru­chen, um nicht selbst zum Pfle­ge­fall zu wer­den.“ aus: Biblio­med — News: DBfK und Bar­mer GEK wol­len Ange­hö­ri­ge ent­las­ten. 28.6.2012 https://​www​.biblio​med​.de/​n​e​w​s​/​-​/​c​o​n​t​e​n​t​/​d​e​t​a​i​l​/​7​0​5​767. abge­ru­fen 29.6.2012

wir­ken auf mich unglaub­wür­dig, wenn nicht ein­deu­tig (kom­men­de) Leis­tun­gen benannt wer­den und bei sol­chen Ver­trä­gen kei­ne Mit­ar­beit von Betrof­fe­nen erkenn­bar ist, die es auch orga­ni­siert gibt wie „wir pfle­gen“.

Sie sagen, in der knap­pen Nach­richt wer­den doch Leis­tun­gen benannt. Okay, dann lis­te ich sie mal auf:

„Dazu sind häus­li­che Schu­lun­gen und Über­lei­tungs­pfle­gen für über­mä­ßig belas­te­te Fami­li­en durch ent­spre­chen­de Fach­kräf­te vor­ge­se­hen.“ aus: sie­he ebenda

Also bekom­men wir dem­nächst häus­li­che Schu­lun­gen und Über­lei­tungs­pfle­gen. Aber was habe ich unter Über­lei­tungs­pfle­gen zu ver­ste­hen? Ist es eine „inten­si­ve­re“ Form der Anlei­tung zur Grund- und Behand­lungs­pfle­ge, wenn mein Kind aus der Kli­nik ent­las­sen wird oder ist die Über­lei­tung in ein Heim gemeint. Es erschließt sich mir nicht.

Das Ziel die­ser Rah­men­ver­ein­ba­rung soll es sein, wenn ich es rich­tig ver­ste­he, ich, der pfle­gen­de Ange­hö­ri­ge wird nicht selbst zum Pfle­ge­fall. Die Sache mit den Schu­lun­gen gefällt mir dabei, wenn die Ver­trags­part­ner es wirk­lich ernst meinen:

„Ziel ist es, ihnen kör­per­li­che und psy­chi­sche Belas­tun­gen und Wech­sel­wir­kun­gen in die Fami­lie zu ver­deut­li­chen, damit sie Kon­flik­te und Pro­ble­me im pfle­ge­ri­schen All­tag bes­ser bewäl­ti­gen kön­nen.“ aus: eben­da

Bezahlt dann die Pfle­ge­kas­se einen per­sön­li­chen (Pflege-)Coach oder Super­vi­sor, der min­des­tens ein­mal im Monat oder die Woche vor­bei kommt? Also wenn es nach mei­nen per­sön­li­chen Bedarf als pfle­gen­der Ange­hö­ri­ger geht, wäre es das rich­ti­ge. Schließ­lich sol­len die­se Schu­lun­gen am per­sön­li­chen Bedarf aus­ge­rich­tet sein.

Der (Pflege-)Coach — in Kon­stel­la­tio­nen der häus­li­chen Pfle­ge mit Pfle­ge­dienst hät­te die­ser auch noch ein wei­te­res Betä­ti­gungs­feld: Klä­run­gen der Kon­flik­te und Pro­ble­me zwi­schen dem Pfle­ge­dienst, den pfle­gen­den Ange­hö­ri­gen und dem „Pfle­ge­kun­de“. Wäre eine tol­le Maß­nah­me, aber na ja …

UPDATE:

Eine wei­te­re Recher­che ergab, es wird wohl so eine Art Pfle­ge­coach geben, denn so heißt es auf www​.heil​be​ru​fe​-online​.de

„Abhil­fe schaf­fen Emp­feh­lun­gen für ver­än­der­te Lebens­ge­wohn­hei­ten, Hin­wei­se zum Wert sozia­ler Kon­tak­te bis hin zu Rat­schlä­gen, wie die Ange­hö­ri­gen für sich selbst Pau­sen der Erho­lung und Ent­span­nung schaf­fen kön­nen. Kom­plet­tiert wer­den die Schu­lun­gen durch Hin­wei­se auf regio­na­le Unter­stüt­zung oder Infor­ma­tio­nen zu spe­zi­el­len The­men des pfle­ge­ri­schen All­tags.“ aus: Heil­be­ru­fe. Ent­las­tungs­an­ge­bo­te für pfle­gen­de Ange­hö­ri­ge. 27.6.2012. http://​www​.heil​be​ru​fe​-online​.de/​p​f​l​e​g​e​a​k​t​u​e​l​l​/​m​e​l​d​u​n​g​e​n​/​1​2​0​6​2​5​.​php. abge­ru­fen am 29.6.2012

Ver­än­der­te Lebens­ge­wohn­hei­ten? Ja, die­se erkennt der pfle­gen­de Ange­hö­ri­ge sofort, spä­tes­tens ab der Pfle­ge­stu­fe 3: Mehr­fach nächt­li­che Pfle­ge­run­den und wie lau­tet der Rat­schlag dazu: Sie kön­nen sich auch am Tag erho­len und entspannen.

Sozia­le Kon­tak­te? Sehr wich­tig und mir als Pfle­gen­der klar. Wie aber soll der pfle­gen­de Ange­hö­ri­ge es leis­ten, die­se zu pfle­gen, wenn er sei­ne demenz­kran­ke Mut­ter nicht allein las­sen kann. Dies ist bei den aktu­el­len Leis­tun­gen der Pfle­ge­kas­se ein unlös­ba­res Problem.

Und wer wird zum „Pfle­ge­coach“ (ich blei­be mal bei die­sen Begriff)? Pfle­ge­fach­kräf­te oder Heb­am­men, die zer­ti­fi­ziert in der Fami­li­en­ge­sund­heits­pfle­ge, wei­ter gebil­det sind und über ent­spre­chen­de Berufs­er­fah­rung in der Pfle­ge verfügen.

Der Arti­kel auf www​.heil​be​ru​fe​-online​.de ver­rät außer­dem, dass bis zu neun Schu­lun­gen inner­halb sie­ben Mona­ten mög­lich wären. Und was ist danach und wie lan­ge dau­ert eine ein­zel­ne Sit­zung? Eine ande­re Fra­ge ist für mich: Wie erfah­re ich als pfle­gen­der Ange­hö­ri­ge über­haupt, ab wann ich die­se Leis­tung in Anspruch neh­men kann?

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Kommentare

  • Schö­ner Post. Manch­mal erschlie­ßen Fra­gen eine Situa­ti­on ein­fach viel bes­ser als Aus­sa­gen, beson­ders so kon­kre­te wie eine Rah­men­ver­ein­ba­rung. Ach ja, von denen haben wir zwi­schen­zeit­lich so vie­le… da blickt wohl kaum noch eine/​r durch. Immer­hin, da wird ein Rah­men abge­steckt, fest­ge­zurrt, ‑gelegt, ‑gezim­mert, also fast wie so ein Bil­der­rah­men. Der legt ganz kon­kret die Gren­zen eines Bil­des fest. Irgend­wie eine ziem­lich ver­bind­li­che Sache. Das könn­te man zumin­dest mei­nen. Doch ers­tens kommt es anders… und zwei­tens als man denkt. Mann und Frau soll­ten also mit dem Den­ken nicht so leicht­fer­tig sein.

    Ach ja, wenn wir dann gera­de mal so vor uns hin­den­ken fal­len mir auch noch ein paar Fra­gen ein:
    Wel­che Ver­bind­lich­keit oder gar recht­li­che Rele­vanz (auch für ande­re Markt­teil­neh­mer) könn­te eine Rah­men­ver­ein­ba­rung von DBfK und GEK haben?
    Wer soll mit wel­cher Qua­li­fi­ka­ti­on und Erfah­rung die­se Leis­tung erbringen?
    Wer trägt die Kos­ten die­ser Leistungen.
    Wel­che zeit­li­chen Volu­mi­na sind pro Fall vorgesehen?
    Wer wird zur Ver­tei­lung sol­cher Res­sour­cen ermächtigt?
    Wer ist zur Ver­tei­lung die­ser Res­sour­cen befähigt?
    Wer infor­miert pfle­gen­de Ange­hö­ri­ge aktiv über Leistungsansprüche?
    etc..
    etc…
    etc.…

    Die Idee ein Pfle­ge­coach kön­ne jede Woche auf Rech­nung der insti­tu­tio­nel­len Kos­ten­trä­ger einen Bera­tungs­be­such machen fin­de ich so fan­tas­tisch — ich wer­de spä­ter, wenn ich mit mei­nem dunk­len Ein­horn in mein Eis­schloss rei­te ein bit­te­res Lachen über die sozia­le Ein­öde unse­rer Gesell­schaft hal­len las­sen… oder so…

    Zum Abschluss noch eine klei­ne Emp­feh­lung als Wochenendlektüre:
    “Char­ta der Rech­te hil­fe- und pfle­ge­be­dürf­ti­ger Menschen”
    http://​www​.bmfs​fj​.de/​B​M​F​S​F​J​/​S​e​r​v​i​c​e​/​P​u​b​l​i​k​a​t​i​o​n​e​n​/​p​u​b​l​i​k​a​t​i​o​n​e​n​,​d​i​d​=​9​2​8​3​0​.​h​tml

    Viel­leicht höre ich dann sogar den fer­nen Hall wei­te­ren Lachens… oder Weinens.

    Um wie­der auf das Bild zurück zu kom­men. Wären Bil­der­rah­men ähn­lich kon­kret wie Rah­men­ver­ein­ba­run­gen müss­ten wir uns alle fürch­ten, galop­pie­ren­de Wild­pfer­de, wil­de Was­ser oder auch nur her­ab­stür­zen­de Blu­men­va­sen wür­den unse­ren All­tag bestimmen.

  • Dan­ke für den Link auf die Char­ta — ich war schon mal auf sie gesto­ßen und dann habe ich sie wie­der aus dem Blick verloren.

    Es gibt und gab die Ent­wick­lung der ehren­amt­li­chen Pfle­ge­be­glei­ter/-innen. Ein Pro­jekt, was ich sehr nett fin­de. Doch ist es in der Wahr­neh­mung sehr still gewor­den dar­um, obwohl eine Finan­zie­rung mög­lich sei, wenn ich es rich­tig ver­ste­he. http://​www​.pfle​ge​be​glei​ter​.de/
    Mit den /​der Pfle­ge­be­glei­ter/-in könn­te man z.B. die Iso­la­ti­on von pfle­gen­den Ange­hö­ri­gen auf­bre­chen und die häus­li­che Pfle­ge mehr in die gesell­schaft­li­che Mit­te holen.
    Ich möch­te dazu ein­fach die The­se auf­stel­len: Es gibt bei vie­len Mit­men­schen die Bereit­schaft der Hil­fe, doch sind sie rat­los, wie sie es ange­hen könn­ten. Ein sol­cher Kurs und Anbin­dung an einem Trä­ger gibt zum einen das Hand­werk­zeug in die Hand und den Rück­halt für Fra­gen, z.B. wenn ein/-e Pfle­ge­be­glei­ter/-in den Ein­druck gewinnt, bei Herrn X herrscht eine Über­las­tung vor. Dies wäre eben auch ein Weg: “Ich wer­de kein Pfle­ge­fall”. Aus eige­ner Erfah­rung habe ich die Über­las­tung erst in den Tagen der Ent­las­tung gespürt und gese­hen, z.B. im Kinderhospiz.

by dirkstr

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