Hospizpflege im Kinderhospiz: Kein Ja mit Versorgungsvertrag

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Auch für den letz­ten Auf­ent­halt im St. Niko­laus im All­gäu gibt als letz­te Ent­schei­dung der Kran­ken­kas­se kein Ja für die Hos­piz­pfle­ge. Unser Wider­spruch wur­de vom Wider­spruchs­aus­schuss zurück gewie­sen. Die Grün­de der BKK für Heil­be­ru­fe sei­en laut dem Schrei­ben der Zurück­wei­sung: Es sei für sie nicht ersicht­lich, ob sich unse­re Toch­ter in der letz­ten Lebens­pha­se befän­de, also der Final­pha­se. Die BKK spricht hier von einer Lebens­er­war­tung von Tagen bis Wochen. Nur in Aus­nah­me­fäl­len kön­ne die­se weni­ge Lebens­mo­na­te betragen.

Bei die­ser Aus­sa­ge ver­ste­he ich dann aber nicht, wie­so die Lan­des­ver­bän­de der gesetz­li­chen Kran­ken­kas­sen in Bay­ern einen Ver­sor­gungs­ver­trag unter­zeich­nen mit dem Punkt, das Grund­vor­aus­set­zung sei, dass die Kin­der und Jugend­li­chen noch nicht das 19. Lebens­jahr voll­endet haben, an einer fort­ge­schrit­te­nen Erkran­kung lei­den, die nicht heil­bar und womit ledig­lich eine begrenz­te Lebens­er­war­tung besteht. Hin­zu ist eine Kran­ken­haus­be­hand­lung nicht erfor­der­lich und es ist eine pal­lia­tiv-medi­zi­ni­sche Behand­lung not­wen­dig oder erwünscht.

Das sei­en also die Grund­vor­aus­set­zung, wel­che kei­ne Begren­zung fest­ma­chen auf weni­ge Tage oder Wochen, viel­leicht Mona­te. Nun gut, es kommt das Wort­teil Final auch bei den Vorraus­set­zun­gen vor: im Begriff “Final­pfle­ge”. Dies steht unter dem Punkt fer­ne­re Vorraus­set­zun­gen und die­ser meint damit, wie ich es lese: Ein Anspruch auf Hos­piz­pfle­ge bestehe, wenn der ambu­lan­te Ver­sor­gungs­be­darf im Haus­halt oder der Fami­lie nicht aus­rei­che wegen den hohen pal­lia­tiv-medi­zi­ni­schen und pal­lia­tiv-pfle­ge­ri­schen Ver­sor­gungs­be­darf durch die Erkran­kung, weil deren Art und Umfang die Mög­lich­kei­ten der Lai­en­hel­fer und den ergän­zen­den Ver­sor­gungs­for­men über­steigt. Als letz­ter Teil­satz schließt sich an:

“sowie die Final­pfle­ge und Ster­be­be­glei­tung in sta­tio­nä­ren Pfle­ge­ein­rich­tun­gen regel­mä­ßig über­steigt.” (§ 9 Abs. 2. Ver­sor­gungs­ver­trag über sta­tio­nä­re Hos­piz­ver­sor­gung im Sin­ne des § 39a Abs. 1 SGB V in Verb. mit § 72 SGB XI. Geschlos­sen zwi­schen dem Kin­der­hos­piz St. Niko­laus und Lan­des­ver­bän­den der Kran­ken­kas­sen in Bay­ern. 2007)

Laut der BKK müs­se die Final­pfle­ge und Ster­be­be­glei­tung vor­lie­gen für die Hos­piz­pfle­ge. Für mei­ne Begrif­fe “kop­peln” sich hier aber die Begrif­fe Final­pfle­ge und Ster­be­be­glei­tung an sta­tio­nä­ren Pfle­ge­ein­rich­tun­gen. Eine wich­ti­ge Aus­sa­ge, weil für Ster­ben­de in Pfle­ge­hei­men die Ver­le­gung in ein Hos­piz nur in Aus­nah­me­fäl­len gilt. Eben dann, wenn die Final­pfle­ge das Pfle­ge­heim zum Bei­spiel wegen feh­len­dem Per­so­nal oder Pal­lia­tiv­ver­sor­gern über­for­dert. Doch lebt unse­re Toch­ter bei uns und nicht in einem Pflegeheim.

Als wei­te­ren Punkt sprä­che gegen das Vor­lie­gen einer Final­pha­se, die also laut der Kran­ken­kas­se Vorraus­set­zung sei für die Hos­piz­pfle­ge, dass der Auf­ent­halt unse­res Kin­des im Kin­der­hos­piz immer zeit­lich begrenzt und auch so geplant wird. Hier­bei ist für mich die Fra­ge, ob wir jemals behaup­tet haben, unser Kind sei in einer Final­pha­se. Ihre Pro­gno­se lau­tet, sie kön­ne jeder­zeit “unvor­ange­kün­digt” ster­ben. Etwas, was in der Natur ihrer Erkran­kung liegt, auf­grund plötz­li­cher Fehl­funk­tio­nen durch die fort­ge­schrit­te­ne Gehirn­schä­di­gung, die auch wei­ter abbau­end ver­läuft. Das Fest­ma­chen der jewei­li­gen Pal­lia­tiv­pha­se oder auch Ster­be­pha­se ist nur sehr schwer mög­lich, ins­be­son­de­re, da der Tod ziem­lich abrupt ein­tre­ten wird wegen der Erkrankung.

Wei­ter meint die BKK, wür­den die Ärz­te unse­res Kin­des wirk­lich von einer Final­pha­se aus­ge­hen, so kön­ne der Auf­ent­halt nicht ein­ge­grenzt wer­den auf eine oder zwei Wochen. Es mag stim­men, denn beschränkt man Hos­piz­pfle­ge nur auf die Final­pha­se, so bekom­men nur die Hos­piz­pfle­ge, die auch beim Auf­ent­halt ver­ster­ben inner­halb weni­ger Tage oder Wochen. Die Fra­ge hier­bei ist immer noch, ob dann für den Ster­ben­den ein frem­des Hos­piz noch Sinn mache. So geht es bei Hos­piz­auf­ent­hal­te auch um die Vor­be­rei­tung auf das “Meis­tern” des Ster­bens zu Hau­se mit einem ambu­lan­ten Dienst.

Dies auch bei uns und es geht um die Sta­bi­li­sie­rung der häus­li­chen Situa­ti­on. Die ist Vorraus­set­zung für das “Meis­tern” zu Hau­se, eben weil unser Kind jeder­zeit ver­ster­ben kann. Die Not­wen­dig­keit einer Final­pha­se sehe ich immer noch nicht als gege­ben an, um hos­piz­li­che Beglei­tung finan­ziert zu bekom­men. Es wider­spricht der Hos­pi­zidee, wie ich sie ken­ne, und das Gesetz wie auch der Rah­men­ver­trag zur Hos­piz­pfle­ge gren­zen den Anspruch nicht auf die Final­pha­se ein. Zumin­dest kann ich dort nichts der­glei­chen “her­aus” lesen.

Zum The­ma insta­bi­le häus­li­che Situa­ti­on mei­ne die Kran­ken­kas­se, eben weil wir unse­re Ent­las­tungs­auf­ent­hal­te zu Sta­bi­li­sie­rung immer pünkt­lich been­det hät­ten, so kön­ne von einer spon­ta­nen Sta­bi­li­sie­rung unse­rer Toch­ter nicht aus­ge­gan­gen wer­den. Doch, es kann, da es an sich um die Sta­bi­li­sie­rung der häus­li­chen Situa­ti­on mit geht, weil der Ver­sor­gungs­be­darf unse­re Kräf­te regel­mä­ßig über­steigt. Nach zwei Wochen psycho-sozia­ler Beglei­tung, pal­lia­tiv-medi­zin­scher und pal­lia­tiv-pfle­ge­ri­scher Betreu­ung, kann die häus­li­che Situa­ti­on wie­der sta­bi­li­siert sein und wer­den. Viel­leicht braucht es dazu auch einen Ein­blick in die Leis­tung der Kin­der­hos­pi­ze, um es zu ver­ste­hen, und der häus­li­chen Situa­ti­on. Es stellt sich gera­de hier die Fra­ge, ob Fern­gut­ach­ten per Akten­la­ge in Nord­rhein-West­fa­len (Düs­sel­dorf) über­haupt die Sta­bi­li­tät erfas­sen kön­nen vom Kind und der häus­li­chen Situa­ti­on in Thü­rin­gen (Jena), genau­so, was ein Kin­der­hos­piz leis­tet für die Sta­bi­li­sie­rung unse­rer häus­li­chen Situation. 

Sicher­lich wür­den wir unser Kind auch län­ger im Kin­der­hos­piz las­sen, aber es ist auch nicht leist­bar von unse­ren wirt­schaft­li­chen Sei­te. Die begrenz­ten Auf­ent­hal­te sind eine Art “Deal” zwi­schen dem All­tag, Lebens­un­ter­halt zu ver­die­nen, und der schwe­ren Lebens­si­tua­ti­on durch die Erkran­kung, die uns regel­mä­ßig über­for­dert. Wir haben nie behaup­tet, nach einen Auf­ent­halt sei alles wie­der “Sta­bil”, ins­be­son­de­re hat­te auch unse­re Toch­ter selbst wäh­rend der Auf­ent­hal­te schwe­re Krisen. 

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by dirkstr

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