Willst Du wirklich wissen, wie viele Menschen, ob Kinder, Jugendliche oder Erwachsene in der außerklinischen Intensivpflege (kurz AKI) versorgt werden? Nö? Ich will es wissen und seit Jahren gibt es keine Antwort.
Wir wohnen in einer Stadt mit über 100.000 Einwohner und dort brauche ich zum Zählen der AKI-Patienten mindestens zwei, drei Hände, wenn ich jeden Finger nehme für die Menschen, die ich vom Hören-Sagen kenne oder von den ich erfahre über die „Szene“.
Jupp, ja, es gibt eine Intensivpflegeszene. Man kennt sich, ähnlich wie in der Party- oder der Gothicszene. Du weißt, okay, ich bin nicht allein der Typ, der The Cure oder Paradox Obscur hört.
Aber jetzt Zahlen: Wie viele Menschen gibt es bundesweit, die eine Pflegefachkraft jeden Tag bis 24 Stunden brauchen, egal ob im Pflegeheim, der Intensiv-WG oder Zuhause?
Ich weiß es nicht. Letztes Jahr hörte ich 27.000, circa, letztens vernahm ich, es läge knapp unter 20.000. Also setze der 20 in der Überschrift drei Nullen dran.
Aber stimmen diese Zahlen?
Ich würde es Schätzungen nennen, denn die Krankenkassen, deren Verbände und deren Aufsichtsorgane wie das Bundesamt für soziale Sicherung oder die Gesundheitsministerien zeigen hier keine Transparenz.
Sage nicht, wie viele Patienten außerklinische Intensivpflege bekommen
Transparenz, das ist schwierig. Zu viele Informationen können mich verwirren und zu wenig Transparenz kann den gleichen Effekt haben. Weshalb ein:e Entscheider:in zwar eine Datenlage braucht, doch für Entscheidungen auch andere Säulen gelten wie Werte, Ziele oder die Vision. Aber dies ist ein anderes Thema.
Wir wissen, die Kassen haben eine „kleine“ Pflicht, Daten offenzulegen, wo die Gelder der Versicherten verwendet werden.
Sei es das Gehalt des Vorstandes oder wie viel Heilmittel verschrieben wurden oder wie viele Krankschreibungen es gab.
Dann zählt die eine Krankenkasse, wie viele Widersprüche eingehen.
Doch warum, verdammt, warum werden nicht die Verordnungen für die außerklinische Intensivpflege gezählt. Das kann doch nicht schwer sein.
Außerklinische Intensivpflege in Zahlen
Ärztliche Verordnungen zu zählen, sollte möglich sein. Ich kenne keine Krankenkasse, die ohne Computer arbeitet.
Da ließe sich für eine „gesunden“ Datenbank schnell eine SQL-Abfrage schreiben, in eine Maske pressen und schwups: Wir haben Zahlen.
Aktuell ist dabei zu beachten, dass für die AKI die gleiche Verordnung verwendet wird wie für alle anderen Leistungen der Häuslichen Krankenpflege.
Es könnte dadurch schwierig sein, vermutlich.
Dagegen kenne ich bei den größeren Krankenkassen, dass sie für die AKI eigene Sachberarbeiter:innen beschäftigen. Es somit in deren Hause eine Sortierung gibt nach „regulärer“ Häuslicher Krankenpflege und der außerklinischen Intensivpflege.
Bei einer großen Krankenkasse wie die Barmer oder TK ließe sich doch dann statistisch hochrechnen, wie viele Versicherte mit AKI versorgt werden? Ja oder ja?
Wäre auch sinnvoll, schließlich wurde der Gesetzgeber tätig und gestaltete ein Intensivpflegegesetz, kurz IPreG.
Ist es da nicht wichtig zu wissen: Hey, wie viele Menschen betrifft dies Gesetz denn?
Denn der Gesetzgeber nahm sich als eine Idee dafür die „Missstände“.
Aber wie viele Versicherte sind den von „bösen Pflegebetrieben“ versorgt?
Wie viele Gelder werden für die außerklinische Intensivpflege aufgewendet?
Zahlen in der außerklinischen Intensivpflege sind nicht gleich Zahlen
Ein Problem erleben wir, wenn wir über Zahlen in der außerklinischen Intensivpflege sprechen: Nicht jeder Versicherte braucht gleich 24 Stunden eine Pflegefachkraft neben sich.
Es reicht nicht, die ärztlichen Verordnungen zu zählen, sondern, es müsste gezählt werden, wie viele Pflegestunden vom Versicherten abgefordert werden.
Wenn ein Intensivkind nur nachts eine Pflegekraft mit 10 Stunden braucht, dann sind es circa 310 Stunden im Monat. Ein Erwachsener, der circa 20 Stunden braucht täglich, benötigt zwischen 600 — 620 Stunden im Monat.
Also muss die Abteilung für die Genehmigung der AKI mit der Abrechnungsstelle zusammen arbeiten. Es müsste geprüft werden, wie viele Pflegestunden werden abgerechnet gegenüber den Genehmigten.
Wie viele Pflegestunden von denen, die nicht abgefordert wurden, sind auf Wunsch des Patienten nicht benötigt worden und wie viele Stunden sind es, weil der Pflegedienst ausfiel?
Aber wollen denn die Krankenkassen, dass wir diese Zahlen erfahren?
Ich weiß es nicht.
Ich selbst, wenn ich in der Leitung der Abteilung für AKI säße, würde mich auch ungern der kritischen Welt gegenüber mit Zahlen äußern. Denn es erzeugt weitere Fragen:
- Wie viele Versicherte bekommen wirklich ihre verordneten Pflegestunden AKI im Monat vom Intensivpflegedienst abgedeckt?
- Wie viele Pflegestunden, wo ein Pflegedienst da sein sollte, übernehmen pflegende Angehörige oder Eltern die Versorgung? Können und wollen diese es denn auch?
Dann folgen weitere Fragen wie:
- Wie teuer ist in der jeweiligen Region die einzelne Pflegestunde?
- Wie viele Pflegestunden werden in Pflegeheimen, Intensiv-WGs oder in der Häuslichkeit erbracht?
- Wie viele Pflegestunden werden über selbst beschaffte Pflegekräfte oder mit persönlichem Budget abgerechnet?
Wenn in dieser „Tiefe“ Zahlen gefordert werden, dann sind dies keine „einfachen“ Datenbankabfragen mehr.
Zahlen in der außerklinischen Intensivpflege, das Intensivpflegegesetz und der Sicherstellungsauftrag der Krankenkassen
Jupp, jetzt stelle dir vor, die oben genannten Fragen werden beantwortet. Was wäre eine nächste Frage?
Eine an die Politik käme vielleicht so:
Liebes Parlament, aus den oben genannten Zahlen wird deutlich, dass in der Häuslichkeit mit außerklinischer Intensivpflege es häufig zu Ausfällen vom Pflegedienst kommt und die pflegenden Eltern und Angehörigen die ärztliche Behandlungspflege übernehmen müssen?
- A: Wie stellen die Krankenkassen sicher, dass die von Angehörigen übernommene Pflege den ärztlichen Behandlungsplan erfüllt. Ist damit sichergestellt, dass die /der Patient:in vor einer akuten Verschlimmerung der Erkrankung geschützt wird und bei akuten Interventionen es zu keiner Todesfolge in einer lebensbedrohlichen Krise kommt?
- B: Wie stellen die Krankenkassen sicher, dass bei anhaltenden Ausfällen des Pflegedienstes die pflegenden Angehörigen nicht überfordert werden und deren Berufsleben vor Jobverlust geschützt ist? Gibt es einen finanziellen Ausgleich für den Ausfall im Job der pflegenden Angehörigen wie Krankengeld?
- C: Wie ist es zu verantworten, dass bei anhaltenden Ausfällen des Pflegedienstes den Familien trotzdem Pflegegeld gekürzt werden wegen der Regelung zur Abgrenzung von Grund- und Behandlungspflege?
- D: Gibt es Modelle oder werden diese entwickelt, damit andere Pflegeberufe und Angehörige gezielt in die individuelle Behandlungspflege des Versicherten eingearbeitet werden?
- E: Wünschen sich die Versicherten eine stationäre Versorgung, wenn es anhaltend zu Ausfällen vom Pflegedienst kommt?
Nicht einfach zu beantworten und es zeigt den Pflegenotstand.
Die Fragen erklären mir, dass das Intensivpflegegesetz, das IPreG, vielleicht nicht das Ziel hat, die Pflege in der außerklinischen Intensivpflege, insbesondere in den Familien, abzusichern.
Es zeigt, dass das IPreG gezielt daransetzt, außerklinische Intensivpflege für Krankenkassen abzubauen und die Idee in sich trägt, die AKI in der Häuslichkeit mit ihrer 1:1 — Pflege (eine Pflegefachkraft auf einen Patienten) infrage zu stellen und gezielt die schwer erkrankten Versicherten aus der Häuslichkeit zu holen und stationär zu pflegen.
Das Letztere auch als Idee, um „etwas“ gegen den Pflegenotstand zu leisten, wenn die Versicherten stationär 1:3 gepflegt werden (eine Pflegefachkraft auf drei Menschen).
Dies zum Nachteil des Versicherten, da es seine Lebensplanung einschränkt, seine individuellen Bedürfnisse bevormundet werden, Stichpunkt subtile Gewalt, und sie /er getrennt wird von seinem sozialen Netz wie Familie und Freunde.
Doch reden wir hier von 20.000 Versicherten nach dem letzten „Hören-Sagen“ und nur ein Teil, wie die Kinder und Jugendlichen, wird mit einem Intensivpflegedienst bei der Familie oder allein zu Hause versorgt.
Also dürfte der Gewinn an Pflegefachkräften ein Witz sein im aktuellen Pflegenotstand, wo allein schon auf den Intensivstationen mindestens 50.000 Pflegefachkräfte bundesweit fehlen sollen.
Dazu sei gesagt, ein Teil der Pflegefachkräfte, die in der außerklinischen Intensivpflege in der Häuslichkeit arbeiten, wollen nicht zurück in den stationären Betrieb. Sie wählen den Pflexit.