Kinderhospiz, Pflege und das Vierte

K

Ges­tern kam die Fra­ge wie­der auf bei einem Tele­fo­nat, wie es wohl all­ge­mein funk­tio­niert mit der Finan­zie­rung der Kin­der­hos­pi­ze und der feh­len­den Geneh­mi­gung der Hos­piz­pfle­ge. War­um? Nun das Kin­der­hos­piz in Tam­bach-Diet­harz (Thü­rin­gen) hat jetzt sei­ne Bau­ge­neh­mi­gung bekom­men. Ein Kin­der­hos­piz bei uns in der Nähe, kei­ne zwei Stun­den in Rich­tung Thü­rin­ger Wald. Und unser “Begeh­ren” für die sta­tio­nä­re Hos­piz­pfle­ge für den kom­men­den Auf­ent­halt in Ham­burg wur­de, wie zu erwar­ten, abge­lehnt. Der vier­te Antrag, die vier­te Ableh­nung. Soll­ten wir aufgeben?

Zuerst ein­mal stellt sich die Fra­ge: War­um wur­de die sta­tio­nä­re Hos­piz­pfle­ge abge­lehnt? Die Ent­schei­dung beru­he auch dies­mal laut dem Brief der Kas­se auf ein Gut­ach­ten vom MDK und nach die­sem hät­te das Kind kei­nen Anspruch. Dies Gut­ach­ten liegt mir zwar noch nicht vor, ich habe es Ende letz­ter Woche erst per Fax “bean­tragt”, aber trotz­dem steht die Fra­ge: War­um befür­wor­tet der MDK die sta­tio­nä­re Hos­piz­pfle­ge nicht, das Inten­siv­kind hat doch eine schlech­te, lebens­li­mi­tie­ren­de Pro­gno­se? Nimmt man die bei­den letz­ten Gut­ach­ten zur Hand, da sei die “Ursa­che”: Unser Kind befän­de sich nicht in der Final­pha­se, also sie wür­de in den nächs­ten 72 Stun­den nicht versterben.

Wie konn­te der MDK-Arzt denn per Akten­la­ge den aktu­el­len “Lebens­zu­stand” unse­res Kin­des ein­fach so erfas­sen? Dies fra­ge ich mich schon län­ger, da er zum einen kei­nen Arzt vor Ort vom Kin­de gespro­chen hat­te und er war auch nicht aus Nord­rhein-West­fa­len ange­reist, um das Inten­siv­kind zu sehen. Bei die­ser Fra­ge muss ich auch immer an die Zeit mit mei­nen alten Auto zurück den­ken, vor über 15 Jah­ren, und es war alt, sprich: kurz vor dem Aus. Und da hieß es bei Pro­ble­men am Tele­fon von der Werk­statt immer nur: “Aus der Fer­ne kön­nen wir da nichts sagen. Sie müs­sen es schon vor­bei brin­gen.” Also nichts da mit der Kris­tall­ku­gel und den Blick hin­ein, wie man­che auch sol­che Fern­dia­gno­se beti­teln, was könn­te denn nun schon wie­der am Motor sein.

Sie, lie­be Leser, mei­nen, man kön­ne doch einen Men­schen nicht mit einem Auto ver­glei­chen. Viel­leicht haben Sie recht, doch dann haben Sie viel­leicht noch nicht so man­chen Pati­en­ten erlebt. Da gibt es wel­che, die kom­men in die Kli­nik mit der Ein­stel­lung: Mir geht es nicht gut, gebt mir eine Dia­gno­se, macht mich wie­der ganz und dann gehe ich wie­der. Werk­statt­ment­a­li­tät hat­te es mal ein Kol­le­ge von mir beti­telt. Mit die­ser Erwar­tung hat man viel­leicht Glück beim Chir­ur­gen, der schnei­det ein­fach das “Böse” weg und Mensch ist wie­der repa­riert. Aber an sich bedarf es häu­fig einer akti­ven Mit­ar­beit des Kran­ken sel­ber, um die Gene­sung vor­an zu treiben.

Sie sind immer noch nicht über­zeugt von mei­nen Ver­gleich? Nun, dann sage ich es anders: Um fest­zu­stel­len in wel­cher Pal­lia­tiv­pha­se (Ster­be­pha­se) sich ein tod­kran­ker Mensch befin­det reicht nicht der Blick auf die Dia­gno­se und der Pro­gno­se “aus dem Lehr­buch”. Man muss sich schon den Men­schen vor Ort anschau­en. Mal als Bei­spiel: Ein AIDS-Kran­ker. Jeder, der die Erkran­kung kennt, weiß, dar­an stirbt man. Wann, nun dies ist zum einen abhän­gig, ob man einen Zugriff auf die Medi­ka­men­te hat, was in armen Län­dern ein Pro­blem dar­stellt, und zum ande­ren ver­läuft AIDS in ver­schie­den Pha­sen. Ein Arzt kann mei­nes Wis­sens aus der Fer­ne ein­fach nicht beur­tei­len, ob die Immun­schwä­che aktu­ell kör­per­li­che Pro­ble­me macht und ob die­se so gra­vie­rend sind, dass der Pati­ent mög­li­cher­wei­se dar­an stirbt. Er braucht dafür zumin­dest ein Mehr an Infor­ma­tio­nen als nur die Dia­gno­se, letzt­end­lich auch einen aktu­el­len “Sta­tus”, was min­des­tens ein Rück­spra­che mit einem ärzt­li­chen Kol­le­gen vor Ort not­wen­dig macht.

Aber zurück zur Fra­ge: Soll­ten wir auf­ge­ben? War­um? Solan­ge kein Gericht dar­über ent­schie­den hat, besteht kein Grund, auch nicht, da ande­re Kin­der mit der glei­chen Dia­gno­se wie dem Inten­siv­kind bei ande­ren Kran­ken­ver­si­che­run­gen die Hos­piz­pfle­ge geneh­migt bekom­men haben. Und noch ein Wort zu Tam­bach-Diet­harz: Wir freu­en uns schon auf das Haus und hof­fen, dass wir auch noch einen Auf­ent­halt dort mit dem Kin­de ver­brin­gen kön­nen. Das Objekt in sei­ner Roh­fas­sung konn­ten wir schon innen wie außen “begut­ach­ten”. Es hat sei­ne “beson­de­re” Note, mit durch die Lage, dem Ort, wie sicher­lich jedes Kin­der­hos­piz, aber auch durch die Ideen, den Men­schen, die die­ses Pro­jekt ver­su­chen zu verwirklichen.

Über den Autor

Kommentar

by dirkstr

Kategorien

Neueste Beiträge

pflegezirkus