Pflegeberater, Entscheider der Krankenkasse?

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Ein Pfle­ge­be­ra­ter der Kran­ken­kas­se, der vor Ort die Fami­lie mit schwerst­kran­ken Kind betreut, kann hel­fen, dass die Betreu­ung der Kran­ken­kas­sen ein­fa­cher, zügi­ger und ziel­ge­nau­er ver­läuft. Ein Arti­kel in der Ärz­te­Zei­tung stell­te dies Pro­jekt vor.

Den Beruf des Pfle­ge­be­ra­ters konn­te ich bis­her nicht gut ein­ord­nen. Vor­ges­tern las ich in der Ärz­te­Zei­tung, was die Novi­tas BKK und der MDK Nord­rhein hier­zu ein­ge­rich­tet hat­te für die Ver­sor­gung von schwer­kran­ken Kin­der. Gute Idee, fand ich, denn so könn­ten die Kin­der schnel­ler die benö­tig­te Hilfs­mit­tel und The­ra­pien geneh­migt bekom­men, bevor sich das “Zeit­fens­ter” dafür geschlos­sen hat. Bei vie­len Kran­ken­kas­sen dau­re der Pro­zess zur Geneh­mi­gung viel zu lan­ge, wie ich wie­der­ho­lend erfuhr. Wenn dann die Behand­lung erfol­gen kann, so sei­en die Kin­der schon (fast) wie­der aus dem Hilfs­mit­tel raus­ge­wach­sen oder die Behand­lung funk­tio­niert nicht mehr. Der Gesund­heits­zu­stand hat sich auf­grund der feh­len­den The­ra­pie ver­schlech­tert, was bei abbau­en­den Erkran­kun­gen schnell pas­sie­ren kann.

Der Pflegeberater der Krankenkasse

Ein Pfle­ge­be­ra­ter, wie er in dem Pro­jekt ein­ge­rich­tet wur­de, wür­de die War­te­zei­ten auf Geneh­mi­gun­gen deut­lich ver­kür­zen. Für die Fami­li­en sei er ein Ansprech­part­ner, wel­cher einen gesam­ten Über­blick bekä­me, was ein chro­nisch kran­kes Kind braucht, für die­ses sinn­voll und ange­bracht ist. Bei ihm lau­fen die Fra­gen und Pro­ble­me aller Betei­lig­ten der Ver­sor­gung ein und er wür­de ein „Bin­de­glied“ der ein­zel­nen Ver­sor­gungs­grup­pen wie Pfle­ge­dienst sein. Der Zweit­be­griff für den Pfle­ge­be­ra­ter klingt pas­sen­der: Case Manager.

Aber was mich stut­zig macht, bedarf es für einen ver­kürz­ten Geneh­mi­gungs­weg erst einen Pfle­ge­be­ra­ter und kann eine ein­zi­ge Per­son denn wirk­lich den gesam­ten Bedarf erfas­sen. Nein, so mei­ne Erfah­rung mit dem Inten­siv­kind. Für die Ver­kür­zun­gen von Geneh­mi­gun­gen kön­nen zum Bei­spiel Fra­ge­bo­gen ent­wi­ckelt wer­den, die alle rele­van­ten Fra­gen für ein Hilfs­mit­tel oder The­ra­pie beinhal­ten. Denn wenn eine Ableh­nung erfolg­te, fehl­te häu­fig mit dem Antrag die „rich­ti­ge“ Begrün­dung. Bei kost­spie­li­gen Hilfs­mit­teln oder The­ra­pien könn­te die Kran­ken­kas­se gleich nach Ein­gang eines Rezep­tes die­sen Bogen ver­sen­den statt einer Ableh­nung. Sol­che Bedarfs­er­mitt­lungs­bö­gen hat zum Bei­spiel reha­kind entwickelt.

Der Pflegeberater und sein Überblick

Ich ver­mu­te, der Pfle­ge­be­ra­ter kann nicht den gesam­ten Bedarf eines schwer­kran­ken und/​oder schwer­be­hin­der­ten Kind erfas­sen wie dem Inten­siv­kind. Häu­fig muss­ten wir selbst erfah­ren, wie Ärz­te oder The­ra­peu­ten ihre Gren­zen benann­ten in ihrem Wir­ken und Urteil dar­in. Dies erleb­te ich als rich­tig, denn uns eröff­ne­te sich damit ein neu­er Weg. Es wur­den wei­te­re, ande­re Pro­fes­sio­nen benannt, oder wich­ti­ge Gren­zen einer The­ra­pie und Pro­gno­se wur­den erklärt. Dadurch war mir bewusst, bei wem wel­che Pro­fes­si­on liegt. Ich sehe den Pfle­ge­be­ra­ter als eine Per­son, wel­cher Wege öff­nen und auf­zei­gen kann. Prü­fen und ent­schei­den müs­sen den Weg die Eltern zusam­men mit den Kin­der­ärz­ten und The­ra­peu­ten. Doch die Funk­ti­on des Pfle­ge­be­ra­ters bei der Novi­tas BKK und dem MDK Nord­rhein liest sich anders:

“Die Pfle­ge­be­ra­ter bera­ten die Fami­li­en vor Ort und ler­nen auch das Kind ken­nen. Auf die­se Wei­se kön­nen sie bes­ser ent­schei­den, wel­che Hilfs­mit­tel ein Kind benö­tigt, wel­che Reha-Leis­tun­gen sinn­voll sind oder ob eine Fehl- oder Unter­ver­sor­gung vor­liegt” (aus: Pfle­ge­be­ra­ter hilft Eltern kran­ker Kin­der. Ärz­te­Zei­tung. http://​www​.aerz​te​zei​tung​.de/​p​o​l​i​t​i​k​_​g​e​s​e​l​l​s​c​h​a​f​t​/​p​f​l​e​g​e​/​a​r​t​i​c​l​e​/​8​2​9​3​6​4​/​n​o​r​d​r​h​e​i​n​-​p​f​l​e​g​e​b​e​r​a​t​e​r​-​h​i​l​f​t​-​e​l​t​e​r​n​-​k​r​a​n​k​e​r​-​k​i​n​d​e​r​.​h​tml. zuletzt abge­ru­fen: 11.1.2013 )

Der Pfle­ge­be­ra­ter ent­schei­det. Für mich klingt sein Ent­schei­dungs­raum sehr groß und ich fra­ge mich, hat er wirk­lich die fach­li­che Kom­pe­tenz die z.B. eines neu­ro­lo­gi­schen Kin­der­arz­tes, um über Reha-Leis­tun­gen zu ent­schei­den? Wenn ich den Arti­kel der Ärz­te­Zei­tung rich­tig inter­pre­tie­re, gehört der Pfle­ge­be­ra­ter zur Kran­ken­kas­se, was ich wie­der­um auch als schwie­rig sehe. Ein Case Mana­ger soll­te von allen “Sei­ten” unab­hän­gig sein. Die Kran­ken­kas­sen haben häu­fig einen hohen Druck, Kos­ten zu spa­ren. Wenn die­sen Druck auch der Pfle­ge­be­ra­ter abbe­kommt, so lässt sich ver­mu­ten, dass er in dem Sin­ne die Ent­schei­dun­gen trifft. Aber viel­leicht ist in die­sem Fall der Pfle­ge­be­ra­ter der Sach­be­ar­bei­ter der Kran­ken­kas­se, wel­cher die Geneh­mi­gun­gen für das Kind aus­stellt. Dies geht aus dem Arti­kel für mich nicht wei­ter hervor.

Die Arbeit des MDKs

In dem Arti­kel der Ärz­te­zei­tung steht weiter:

“In regel­mä­ßi­gen Fall­kon­fe­ren­zen bespre­chen die Kas­sen­mit­ar­bei­ter der ver­schie­de­nen Abtei­lun­gen mit dem Arzt des MDK offe­ne Fra­gen und erar­bei­ten kon­kre­te Lösun­gen für jedes ein­zel­ne schwer­kran­ke Kind.” (aus: sie­he ebenda)

Die­se Aus­sa­ge wirkt für mich befremd­lich. Gehö­ren zu sol­chen Fall­kon­fe­ren­zen nicht auch die behan­deln­den Ärz­te, The­ra­peu­ten und pro­fes­sio­nell Pfle­gen­den vom Kind. Es ist eine schwie­ri­ge Aus­sa­ge mit dem Zitat. Deut­lich wird, wie eng der MDK in der Kran­ken­kas­se “sitzt”. Pole­misch könn­te man fra­gen: Ist der MDK ein Mit­ar­bei­ter der Kran­ken­kas­se? Ich will die­se Fra­ge nicht beant­wor­ten, son­dern fra­ge wei­ter: Hat ein MDK-Arzt bei jeder fach­li­chen Fra­ge die aus­rei­chen­de Kom­pe­tenz? Neh­me ich das Inten­siv­kind als Bei­spiel, zum einen braucht es ver­schie­dens­te ortho­pä­di­sche Hilfs­mit­tel, es braucht Ent­schei­dun­gen in der Beatmungs­the­ra­pie, im Umfang der Behand­lungs­pfle­ge, der Heil­mit­tel (Physio‑, Ergo­the­ra­pie, Logo­pä­die), Kie­fer­or­tho­pä­die, ente­r­alen Ernäh­rung, Epi­lep­sie­be­hand­lung etc.

Vie­le ärzt­li­chen Ent­schei­dun­gen ori­en­tie­ren sich an aktu­el­len wis­sen­schaft­li­chen Erkennt­nis­sen und prak­ti­scher Erfah­rung. Der MDK-Arzt, so mei­ne Wahr­neh­mung, ist ein “Gut­ach­ter-Arzt”, wel­cher nicht mehr prak­tisch am Pati­en­ten tätig ist. Bei schwerst­kran­ken Kin­dern mit sel­te­nen Erkran­kun­gen ist die prak­ti­sche Erfah­rung wich­tig. Der “Gut­ach­ter-Arzt” ist wie­der­um wich­tig, da er mit empi­ri­schen Blick die Fra­ge der The­ra­pie­wirk­sam­keit gegen­über ande­ren (Nicht-)Behandlungen beant­wor­ten soll­te und ob es eine Leis­tung der Kran­ken­kas­se sein kön­ne. Wenn dies gut läuft, dann erfolgt die­se Beur­tei­lung des MDK-Arz­tes im Dia­log mit dem behan­deln­den Arzt.

Wie wäre es, wenn der MDK-Arzt bei einer Fall­kon­fe­renz im sozi­al­päd­ia­tri­schen Zen­trum teil­nimmt oder es eine sol­che Bera­tung zusam­men mit allen, also auch mit der Fami­lie, Hilfsmittel‑, Medi­zin­pro­dukt­be­ra­ter und Kran­ken­kas­se gibt. Zum einen könn­ten dann die Ent­schei­dung der jewei­li­gen Sei­te ver­stan­den wer­den. Der Ange­stell­te der Kran­ken­kas­se kann äußern, was die Ver­si­che­rung leis­ten kön­ne. Ande­re Wege der Behand­lung könn­ten dadurch betrach­tet wer­den. Anders­her­um könn­te der Ange­stell­te bes­ser ver­ste­hen, war­um z.B. die­ser Steh­trai­ner gebraucht wird und eine gut begrün­de­te Ent­schei­dung tref­fen. Ich ver­mu­te, eine sol­che Fall­kon­fe­renz ist wirt­schaft­lich, da hier Ent­schei­dun­gen getrof­fen wer­den über The­ra­pien, die meh­re­re tau­send Euro kos­ten und auch die „Schä­den“ betrach­tet wer­den, wenn die The­ra­pie nicht erfolgt.

Fazit

Der Ein­satz eines sach­kun­di­gen Pfle­ge­be­ra­ters in der Kin­der­ver­sor­gung fin­de ich gut und hilf­reich. Doch braucht es eine Unab­hän­gig­keit des Bera­ters von der Kran­ken­kas­se und er soll­te kei­ne Ent­schei­dun­gen tref­fen. Die­se Ver­ant­wor­tung liegt bei den sor­ge­be­rech­tig­ten Eltern, wel­che die (emo­tio­na­len) Aus­wir­kun­gen von (Fehl-)Entscheidungen tra­gen müs­sen, die auch der Tod des Kin­des bedeu­ten kön­nen. Ist der Pfle­ge­be­ra­ter der Ent­schei­der für die Kran­ken­kas­se, was ich aus dem Arti­kel ver­mu­ten könn­te, dann wäre viel­leicht der Begriff Case Man­ger der Kran­ken­kas­se ange­brach­ter. Es spricht nichts dage­gen, einen direk­ten, ein­zi­gen Ansprech­part­ner der Kran­ken­kas­se der Fami­lie zur Sei­te zu stel­len. In man­chen Situa­ti­on beim Inten­siv­kind hät­te ich es als sehr hilf­reich emp­fun­den. Ich zwei­fel­te oft dar­an, ob die Ange­stell­ten der Kran­ken­kas­se die Erkran­kung des Inten­siv­kin­des mit samt den Aus­wir­kun­gen ver­stan­den haben und somit die Not­wen­dig­keit von Hilfs­mit­teln und Therapien.

Und was ich ger­ne erfah­ren wür­de, wie sieht es mit dem Daten­schutz aus.

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by dirkstr

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