Du pflegst dein erkranktes Kind und kommst in eine Schieflage, da es zu deinem Job wird. Dein Beruf oder dein Studium, dein Job für den Lebensunterhalt drückt sich in den Hintergrund mit fatalen Folgen.
Als unsere erkrankte Tochter geboren wurde, war alles klar. Wir als Paar wechseln uns ab für die Betreuung.
Für uns wussten wir: die berufliche Karriere und die Familie, das Kinderglück können miteinander vereinbart werden.
Wir wohnen im Osten Deutschlands, in Jena, wo es Kitaplätze gibt, die Ganztägig geöffnet sind. Hier gehört es zum Alltag, dass beide Elternteile von einem Kleinkind arbeiten gehen.
Für uns war und ist der Beruf, der Job, damals noch Studium, ein wichtiger Teil für unsere Lebensplanung. Wir denken, damit erfüllen wir unseren Lebenssinn.
Pflege des Kindes stört Vereinbarkeit mit Beruf
Aber unsere Tochter zeigte uns im ersten Lebensjahr schnell.: Es wird schwierig die Kinderbetreuung oder Pflege und Berufsleben zu verbinden. Der Pflegeaufwand frisst alle Zeit für die berufliche Arbeit.
Etwas, was ich auch bei anderen Familien mit erkrankten oder behinderten Kindern in der Selbsthilfe erlebte.
Häufig nahmen die Mütter Elternzeit und blieben selbst danach mit dem Kind zu Hause. Ein Zurück in die Arbeitswelt wurde diskutiert und bei einigen wurde schnell klar: Das funktioniert nicht. Ich kann meine Arbeitsstelle nicht antreten:
- Wir bekamen noch keinen Kitaplatz, weil unsere Tochter /Sohn eine zusätzliche Begleitung braucht. Die ist noch nicht genehmigt. Oder die Kita meint, die besondere Pflege können sie nicht leisten.
- Unser Kind kann durch die Erkrankung wieder und wieder nicht in die Kita gehen. Die vergüteten Kindkranktage reichen nicht.
- Wir sind ständig im Krankenhaus.
- Ich muss mein Kind rund um die Uhr überwachen. Wenn es in die Kita oder Schule geht oder vom Kinderkrankenpflegedienst betreut wird, wartet der Haushalt auf mich.
- Der Kinderkrankenpflegedienst oder Intensivpflegedienst deckt wegen Personalmangel viele Dienste nicht ab.
Dilemma der Pflege des Kindes
Es wird nichts mit einem Job, wenn ich mein erkranktes Kind pflege, es pflegen muss. Auch nicht, wenn ich einen Kitaplatz habe oder das Kind in die Schule geht.
Oder der Pflegedienst, selbst wenn dieser „eigentlich“ täglich 24 Stunden da sein sollte, deckt diese 24 Stunden nicht ab. Die offene Pflegezeit übernehmen wir Eltern, selbst wenn wir damit überfordert sind und schneller Pflegefehler machen.
Wir müssen diese Pflegezeit übernehmen und sehen keine Alternative.
Einige Eltern, die beruflich aktiv sind und dazu zu Hause pflegen, erleben: Mein Job, mein Arbeitsleben rückt an zweiter Stelle. Ich habe keine Kraft mehr, berufliche Herausforderungen anzunehmen.
Das Wort Kinderglück wird verschluckt von dem Traum über das gesunde Kind, was nicht da ist.
Zum Glückserleben mit dem Kind gehört, dass meine Bedürfnisse und Wünsche als Vater auch gesehen werden. Ich wünsche mir und brauche, dass der Raum der Familie mir Kraft „schenkt“ für meine berufliche und persönliche Entwicklung.
Pflege und gestalte dein Leben
Gibt es Wege, um aus dem Dilemma „Pflege des Kindes und mein beruflicher Weg“ herauszukommen?
Ich kann und will hier nichts versprechen. Ich kann dir als Vater zeigen, was andere Familien und uns vorangebracht hat:
- Erkenne, was du selbst gestalten kannst und was nicht.
- Gestehe dir ein, es ist okay, dass es Zeiten und Dinge gibt, wo du ohne Macht bist. Mir hat es häufig geholfen zu sagen: Ich bin ohnmächtig.
- Gestalte, das was du gestalten kannst. Ändere, was du ändern kannst und willst. Hole dir diese Räume zurück. Auch wenn es nur einzelne, kleine Dinge sind wie: Ich gehe dreimal die Woche joggen oder einmal die Woche ins Kino.
- Hadere nicht mit den Dingen, die du nicht ändern kannst. Da gilt der Satz: Es ist, wie es ist.
- Prüfe, ob du andere Familien in ähnlicher Lebenssituation kennenlernen kannst, zum Beispiel in einer Selbsthilfegruppe oder Verein. Bei uns ist es der Verein INTENSIVkinder zuhause e. V. und das Forum zur Erkrankung von Linn.
- Mache ein Väter- oder Männerseminar, ein Kurs über dein Hobby, um eine andere „Landschaft“ zu erleben.
- Bleibe im Gespräch mit anderen wie Freunden, der “Großfamilie”, mit den eigenen Eltern, Geschwister. Ich selbst erlebte, wie gut mir die Begleitung durch einen psychologischen Therapeuten half.
Wir hatten zum Beispiel aus mehreren Gründen beschlossen, die Intensivpflege von Linn selbst als Arbeitgeber zu gestalten. Dies über das persönliche Budget.
Andere Eltern entscheiden, ihr Kind in eine Intensivpflege-WG oder Heim zu geben. Es ist okay und jeder Weg hat seine Berechtigung. Denn was nützt es, wenn die Eltern durch die ständige Überforderung oder Belastung krank werden.
Einige Eltern schauten explizit nach Teilzeitstellen. Andere nahmen die Pflegesituation an und machten sich selbstständig oder wurden freischaffend.
Sie gestalteten ihre berufliche Karriere mit dem Blick: Was ist von zu Hause möglich? Kann ich im Homeoffice arbeiten?
Andere gaben ihre berufliche Arbeit auf. Sie entschieden, dass ein Elternteil arbeiten geht und das andere übernimmt die Pflege.
Manche, die ihren Job aufgaben, wurden ehrenamtlich aktiv. Das bringt zwar kein Geld, doch kann es den späteren beruflichen Wiedereinstieg erleichtern oder es entwickelt sich daraus eine neue berufliche Laufbahn.
Das Ehrenamt kann sinnstiftend sein und helfen, das Bedürfnis der Selbstwirksamkeit zu erfüllen: Ich gestalte mein Leben.
Das Pflege vom Kind gestalten — bei uns war es zum Beispiel die Schulform von unserem Intensivkind.
Selbst als wir entschieden, wie unser erkranktes Kind in die Schule geht, war es nicht die Abwägung: Geht sie auf die Förderschule oder einer integrativen /inklusive Schule aus politischen Gründen (Inklusionsdebatte). Es war eine Abwägung, wie hilft die Schulform dem Kind und was gewinnen oder verlieren wir.
Sie ging und geht integrativ in die Schule, weil wir für den Schulweg keinen Fahrdienst brauchten.
Das Schulhaus ist ein paar hundert Meter von unserer Wohnung entfernt. Es ist optimal für den Kinderkrankenpflegedienst (Schulbegleitung) und wir erlebten für den Übergang von Kita zur Schule eine sehr gute Unterstützung durch die Pädagogen und Schule.
Was denkst du?