Kinderhospiz und Hospizpflege gleich Terminalphase vs. Finalphase

Es ist schon merk­würdig oder eben auch erquick­end oder eben auch nicht. Der Wider­spruch­sauss­chuss der BKK für Heil­berufe hat­te getagt. Mit ihm wurde die Ablehnung der Hos­pizpflege für den let­zten Aufen­thalt im Kinder­hos­piz “Regen­bo­gen­land” bestätigt. Aber es hat­te auch nie­mand von uns erwartet, dass sie unseren Wider­spruch anerken­nen wür­den. Erquick­end daran ist: Es gibt neue Argu­mente. Nicht von uns, son­dern von der Kasse oder eben deren Wider­spruch­sauss­chuss. Ein gewichtiges Argu­ment für die Ablehnung ist, dass es sich um einen im Voraus geplanten Hos­piza­ufen­thalt han­delt mit begren­zter Dauer. Das spräche gegen das Vor­liegen ein­er Final­phase. Ja, hier muss ich der Kasse Recht geben, wenn man ver­schiedene Def­i­n­i­tio­nen darüber dur­char­beit­et: Die Final­phase begren­ze sich auf die let­zten 72 Stun­den im Leben. 

Aber die Final­phase ist laut Rah­men­ver­trag für die Hos­pizpflege gar nicht notwendig. Hos­pizpflege gäbe es eben auch dann, wenn eine begren­zte Lebenser­wartung von Wochen oder weni­gen Monat­en zu erwarten sei. Also wenn ein Schw­erkranker nach ärztlich­er Mei­n­ung noch wenige Monate vor sich hat, so kann er trotz­dem wohl auf sein. Dies gilt natür­lich unter den Ein­schränkun­gen durch seine Erkrankung und dem Erfolg ein­er Symp­tombe­hand­lung. Nichts da mit Final­phase. Auch hier kann ein Schw­erkranker einen Aufen­thalt pla­nen, wenn es bei ihm zu Hause so ist, wie es im Rah­men­ver­trag heißt:

“Eine ambu­lante Ver­sorgung im Haushalt oder in der Fam­i­lie reicht nicht aus, weil der pal­lia­tiv-medi­zinis­che und pal­lia­tiv-pflegerische Ver­sorgungs­be­darf, der aus dieser Erkrankung resul­tiert, in sein­er Art und von seinem Umfang her die Möglichkeit­en von Laien­helfern (Ange­hörige, Ehre­namtliche) und (fam­i­lien-) ergänzen­den ambu­lanten Ver­sorgungs­for­men (ver­tragsärztliche Ver­sorgung, häus­liche Krankenpflege, ambu­lante Hos­piz­be­treu­ung etc.)   …  regelmäßig über­steigt. aus: Rah­men­vere­in­barung nach §39a Satz 4 SGB V von 1998 / Fas­sung 1999.

Nun gut, dort wo die Punk­te von mir geset­zt sind, da ste­ht noch:

“sowie die Finalpflege und Ster­be­be­gleitung in sta­tionären Pflegeein­rich­tun­gen” aus: ebd.

Die Sache mit dem Sowie

Also doch Final­phase? Nun da ist die Frage, wie man das Wort “sowie” ver­ste­ht. Bedeutet es ein ein­schließen­des “Und”, ist es also eine Grund­vo­raus­set­zung, oder ist es eben eine Aufzäh­lung: Es gibt Hos­pizpflege also auch dann. Oder ste­ht “Sowie” ganz ein­fach dafür: Wenn der Aufwand so hoch ist wie bei der Finalpflege. Ein ein­schließen­des “Und” würde ich verneinen. Dies ganz ein­fach aus dem Grund, wie das Wort “sowie” im All­t­ag gebraucht wird: Eine Stadt ist Metro­pole sowie der Regierungssitz. Bei­des ste­ht unab­hängig voneinan­der. Eine Stadt kann auch ohne den Charak­ter ein­er Metro­pole Regierungssitz sein. Ziehen wir dann das Wort “sowie” auseinan­der zum “so wie”, dann kommt doch dem Ver­gle­ich sehr nah: “Die Finalpflege Schw­erkranker so wie die Pflege ihres eige­nen kranken Kindes bere­it­ete Schwest­er Ger­da viel Mühe, aber brachte ihr auch viel Lob ein.” Also bedeutet dies für mich “Bei der Pflege im Final­sta­di­um sowie bei ein­er über­lasteten ambu­lanten Ver­sorgung zu Hause von Schw­erkranken gibt es die Hos­pizpflege, wenn …” Dass ich dies “Sowie” so ver­ste­hen darf, bestätigt mir das näch­ste “Und”: “und Ster­be­be­gleitung in sta­tionären Pflegeein­rich­tun­gen”. Wäre diese Aus­sage mit “ein­schließende” Bedin­gung für die Hos­pizpflege, so würde kaum ein Ster­ben­der Hos­pizpflege bekom­men und alle Hos­pize müssten auf die Leis­tun­gen der Krankenkassen verzicht­en. Denn die Bewohn­er von Pflegeein­rich­tun­gen haben nur in Einzelfällen Anspruch auf Hos­pizpflege laut dem Rahmenvertrag.

Instabilität gleich Terminalphase?

Es gibt von unser­er BKK also keine Hos­pizpflege, da die Final­phase nicht beste­he. Sie sei nicht in den let­zten Stun­den ihres Lebens. Ein Grund dafür sei, da die Ter­mi­nal­phase noch nicht begonnen habe. Sie sei laut dem Schreiben nicht einge­treten, da unser Kind in einem sta­bilen Krankheit­szu­s­tand sei, der mit tech­nis­chen Hil­f­s­mit­teln aufrecht gehal­ten würde. Ja, aber was ist denn nun wieder die Ter­mi­nal­phase? Von der Zeit her beschreibt sie die let­zten Wochen oder Monate, die dem Patien­ten laut sein­er Prog­nose noch verbleiben bis zum Tod. Darunter kann auch zählen, wenn eine oder mehrere lebens­bedrohliche Kom­p­lika­tio­nen beste­hen. Sprich, bei unserem Inten­sivkind ist es das ständi­ge aspiri­eren von Spe­ichel (und anderem) in die Atemwege. Oder eben die Epilep­sie mit ihrer Aus­prä­gung wie Atemstillstand.

Aber was mir hier noch ein Rät­sel bleibt, ist die Frage, was dass heißen möge: Tech­nis­che Hil­f­s­mit­tel hal­ten einen sta­bilen Krankheit­szu­s­tand aufrecht, somit gäbe es keine Ter­mi­nal­phase? Tech­nis­che Hil­f­s­mit­tel, nun bei unserem Inten­sivkind ist es das ganze Sys­tem zur Ernährung über die PEG, also von But­ton bis zur Nahrungspumpe. Dann fol­gt die Tra­chealka­nüle bis hin zur Absaug­mas­chine für das Lun­gensekret. Als Höhep­unkt ste­ht die Beat­mungs­mas­chine, Mon­i­tor und Medika­menten­vernebler. Heißt dies nun, wir müssen dies alles “abset­zen” und dann beginne die Ter­mi­nal­phase oder heißt es, wenn dies das Kind nicht mehr bräuchte, dann wäre sie in der Ter­mi­nal­phase? Wir erin­nern uns, die Ter­mi­nal­phase reiche über Monate hin­weg. Lassen wir die Nahrungspumpe weg, so würde sie ver­hungern. Lassen wir die Absaugung weg, so würde sie erstick­en am Sekret. Lassen wir die nächtliche Beat­mung weg, so wäre ihre Leben­squal­ität mas­siv eingeschränkt.

Längeres Leben durch technische Hilfsmittel

Jet­zt mag man sich natür­lich darüber stre­it­en, ob die Aus­sage dahin geht, wir wür­den ihr Leben ver­längern. Sicher­lich, denn ohne diese tech­nis­chen Hil­f­s­mit­tel würde sie nicht lange über­leben. Doch hat sie das Tra­cheostoma erhal­ten in ein­er schw­eren Krise mit Beat­mung, in der sie son­st gestor­ben wäre. Dies zu ein­er Zeit, wo ihre Erkrankung noch keinen Namen hat­te. Ihre schlechte Prog­nose war uns bei der Entschei­dung zum Tra­cheostoma nicht bekan­nt. Genau­so wenig war nicht vorher zu sehen, dass sie von der Beat­mung abhängig bleibt. Und dazu gilt: Die Todesur­sache bei dieser Erkrankung kommt häu­fig spon­tan und unangekündigt. Ein schw­er­er epilep­tis­ch­er Anfall, nicht zu behan­del­ndes Fieber oder das Herz bleibt ein­fach ste­hen. Eine Folge der schw­eren Gehirn­fehlbil­dung und dem fortschre­i­t­en­den Abbau dessen. Anders wäre der Fall “Inten­sivkind” gelagert, wenn sie eine Wachko­ma-Pati­entin wäre. Keine abbauen­den Prozesse, welche den Kör­p­er mehr und mehr schwächen und das Leben bedro­hen. Im Wachko­ma ste­ht die Gehirn­schädi­gung in ihrem Sta­tus quo, wenn der Patient sta­bil ist. Ist er oder sie beat­met oder wird kün­stlich ernährt, kön­nte man sich über die Aus­sage stre­it­en: Ein sta­bil­er Krankheit­szu­s­tand wird mit tech­nis­chen Hil­f­s­mit­teln aufrecht gehalten.

Wenn die Hil­f­s­mit­tel, wie die für die Son­den­ernährung, wegge­lassen wer­den, so begin­nt das Ster­ben. Ich selb­st halte diese Aus­sage für ethisch beden­klich. Und ob man durch die fol­gende Insta­bil­ität von ein­er Ter­mi­nal­phase sprechen kann, ist für mich auch fraglich. Bei ein­er abbauen­den Erkrankung, ins­beson­dere wenn es das Gehirn bet­rifft, tritt die Krise “Ster­ben und Tod” ein, ob man nun tech­nis­che Hil­f­s­mit­tel ein­set­zt oder nicht. Wenn das Gehirn als Organ ver­weigert dem Leben seinen Dienst, so hil­ft auch keine Beat­mung mehr. Die Schädi­gung durch ein Fieber sowie der ein­tre­tende Gehirntod …

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