Die Geschichten der Anderen, wie diese bei Spiegel-Online, haften öfters mal auf meiner Todo-Liste. Ich solle sie lesen und doch scheitere ich immer wieder mit den Start. Die ersten Zeilen angelesen und dann quäle ich mich durch den Text. Das Schwere: Es sind die Parallelen, die Hoffnung oder das Scheitern und:
“Seit Julian so krank ist, bin ich immer unruhig. Jetzt überlege ich ständig, was alles schief gehen könnte“ aus: Immer unter Strom. Leben mit einem behinderten Kind. http://www.spiegel.de/schulspiegel/wissen/0,1518,640169,00.html: 05.08.09
Es ist zu viel Bekanntes, was die eigenen Story kennzeichnet: Reaktionen von Ärzten, die Medikamente, deren fehlende Wirkung und das ganze et cetera, dem, wie man selbst damit lebt:
„Äußerlich funktionierten wir wie Roboter. Wir gingen arbeiten und einkaufen, räumten die Wohnung auf und wuschen Wäsche. Wir stritten darüber, ob wir ihm nach fünf, acht oder zehn Minuten Anfallserie Diazepam verabreichten.“ aus: ebd.
Es ist also nicht nur eine Geschichte. Sie liegt näher, man fühlt eine Verbundenheit und eine Konstante, eine Angst. Die Angst auf eine Wahrheit zu treffen, die man gerade in seiner Schnell-Rückschau, mit dem Blick auf das Heute, nicht haben möchte. Einmal, weil man so hofft, der Krise vorbauen zu können, was mal mehr, mal weniger gut funktioniert. Und es stellte sich mir die Frage, gibt es eine Chance auf ein “Ausweichen” von Erfahrung oder Lebenssituationen, wenn die scheinbare Stabilität im Alltag sich wirklich als Illusion entpuppt:
“Innerlich waren wir echte Wracks. Dieser unfassbare Schmerz. Bei jedem Anfall litten wir mit ihm — und tun das bis heute.” aus ebd.
Wenn es kein Ausweichen gibt, so hoffe ich zumindest immer wieder ein erträgliches Aushalten zu finden, was aber ohne einer Unterstützung und Hilfe, wie der Kinderhospizarbeit, für mich sehr schwierig wäre.
Und auch wenn es eine andere Geschichte, eine andere Story ist von: Leben mit dem behinderten Kind. Ein Zitat lässt sich auch wieder auf unsere Geschichte übernehmen:
“Und er schläft so furchtbar schlecht. Mindestens einmal in der Nacht wacht er brüllend auf. Manchmal hat er Hunger, manchmal Schmerzen … Manchmal wissen wir auch einfach nicht, warum er brüllt. Anfälle? Alpträume? Kein Arzt kann es uns sagen.” aus: Immer unter Strom. Leben mit einem behinderten Kind.http://www.spiegel.de/schulspiegel/wissen/0,1518,640169 – 2,00.html .05.08.09
Und der Sonnenschein? Man möchte unser Intensivkind nicht missen oder anders gesagt, es gibt kein Grund, zu sagen, der Weg sei falsch, nicht möglich oder solch ein Leben kann man nicht führen. Ohne Momente der Entlastung, ohne ein Umfeld, was einen stützt und Hilfe und Antworten gibt, ihr seid nicht allein, so lässt sich dieser Weg gehen. Es gibt Erfahrungen, die ich so nie gemacht hätte und der Weg hat mich geprägt mit vielen positiven Momenten, wie aber auch die tiefen Täler.
Es bleibt aber immer eine offene Frage, wie lange schafft man es, wenn man so viel Zeit an seinen seelischen und körperlichen Grenzen lebt. Es bleibt immer eine offene Frage, wie man die (kommenden) wirtschaftlichen Belastungen durch die Erkrankung und die schwere Behinderung trägt. Und ob man durch eine psychischen Kollaps vielleicht nicht ganz abstürzt. Wie schnell dies geschieht, hört, liest und erlebt man in der „Szene“. Ohne die unterschiedlichen Leistungen, wie die tägliche häusliche Krankenpflege, Hospizpflege und der Betreuung im Kindergarten, wäre der schnelle Absturz gewiss.