Du steckst als Vater, als Mutter oder als „erwachsenes Kind“ in der häuslichen Pflege fest, Monate. Dein Blick verengt sich und langsam verstärkt es sich das Gefühl: Ich bin allein.
Nutzlos und abgehängt.
Du hast für die Pflege deinen Job aufgegeben und spürst jetzt, wie schnell du vergessen wirst. Dein Arbeitsumfeld, deine sporadischen, aber wichtigen Kontakten. Es fehlt dir das Feedback über dein Schaffen, über das, was du für andere geleistet hast.
Wie komme ich darauf?
Ich erlebte dies selbst und erfuhr es in Gesprächen mit Betroffenen, manchmal war es im Kinderhospiz, manchmal im Café. Es zeigt sich bei anderen pflegenden Eltern ähnlich.
Schnell, zu schnell kann ein jeder durch diese Last und der Belastung sein eigenes schwer erkranktes Kind zu pflegen, in psychische Krisen kommen.
Ich tappte, ich selbst saß in dieser Falle und dachte viele Jahre: Mir geht es mit dem Pflegeleben gut. Auch als Mann packst du das. Denkste, die Depression packte mich, drückte mich auf den Boden.
Niedergeschlagenheit, ständige Müdigkeit, überzogene Reizbarkeit gegenüber den anderen und Lustlosigkeit können den Pflegealltag bestimmen.
Kann man dem Vorbauen? Kommt man da wieder raus?
Wege, trotz der Pflege im Gesund zu bleiben
Viele, die die Pflege ihres schwer erkrankten Kindes oder Elternteils übernehmen, stellt sich die Frage: Kann ich hier gesund bleiben.
Pflege ist physisch und psychisch herausfordernd, anstrengend und belastet. Die körperliche Anstrengung ist nicht nur das Heben und Tragen, was beim kleinen Kind leicht fällt.
Viele pflegende Eltern kommen nicht auf ausreichend Schlaf oder werden in Nachtruhe ständig gestört. Sei es, weil das Kind Unruhephasen hat, die Überwachung alarmiert oder wenn es immobil ist, nachts umgelagert werden muss.
Da fällt es schwer zu glauben, bei allen Gesundheitstipps für pflegende Angehörige: Sie können trotz jahrelanger Pflege gesund bleiben.
Ich würde keine Garantie aussprechen. Doch gibt es Möglichkeiten, auch wenn du als Pflegende an der Belastungsgrenze bist, einen guten Weg zu gehen.
Meine fünf Topps, für eine Basis, um stabil zu bleiben und darin zu wachsen.
1. Nehme deine Lebenssituation an
Das erste, wichtige Thema ist und es wird immer bestimmend bleiben: Du hast dich entschieden, dass euer Kind, trotz des hohen Pflegebedarfs, zuhause versorgt wird.
Dies durch euch, dies mit der Hilfe von anderen.
Eine Hauptaufgabe wird immer bleiben, und ich sage immer: Nehme deine Lebenssituation an. Akzeptiere das, was du nicht ändern kannst und veränder das, was du ändern kannst.
Ich finde viel Wahrheit in dem Gelassenheitsgebet. Du kennst es vielleicht aus mancher Serie oder Filmen mit AA-Gruppen.
Und mit immer meine ich: Es wird wiederholt Momente geben, wo es schwerfällt, diese anzunehmen. Denn Pflege ist eng mit Trauer verknüpft.
Trauer über die Zeit, wo alles noch möglich war. Trauer über das, was ihr euch gewünscht habt, aber nicht möglich wird.
Sie wird mal schwächer, mal stärker in den Alltag „eingreifen“.
2. Verstehe den Dank in der Pflege
In der Pflege, so ist deren Natur, versteckt sich der Dank manchmal nur in kleinen Details, in einem Lächeln oder weil alle es geschafft haben, dass der Tag schmerzfrei war.
Als professionelle Pflegekraft lernt man über die Zeit, wie Patienten ihren Dank zeigen. Das unterscheidet sich auch, wie gut die Patienten kommunizieren können.
Bei einem Kranken im Koma kann die Herzfrequenz ein Indikator sein, wie gut es dem Menschen geht. Eine hohe Frequenz spricht für Probleme wie Schmerzen.
Ein dankbarer Tag ist es dann, wenn solche Krisen unterbunden wurden und es schöne, kleine Erlebnisse gestaltet werden konnten. Seien es nur die Sonnenstrahlen ins Gesicht.
Der Erfolg guter Pflege zeigt sich in kleinen, einzelnen Erlebnissen, aber auch großen Erfolgsschritten. Ich sehe es deshalb als wichtig an, auch als Angehöriger, sich Ziele in der Pflege zu setzen.
Die professionelle Pflege gestaltet dafür eine Pflegeplanung, wo sie Pflegeziele einpflegen. Das ist wichtig, damit Veränderungen beim Erkrankten erkannt werden und Erfolge gemessen werden können.
Es ist wichtig, um zu erkennen, welche Maßnahmen, welche Therapien hilfreich waren.
Du siehst darüber, was sich über lange Zeit wie nach sechs Monaten oder einem Jahr entwickelt hat.
Schreibt eure Ziele in der Pflege auf und vergleicht es nach ein, zwei Monaten, wo ihr steht.
3. Bleibe im Gespräch
Neben deiner gesamten Pflege zuhause, versuche deinen Freunden treu zu bleiben.
Gehe nie davon aus: Gute Freundschaften überstehen eine längere Ruhephase.
Es lebt sich schnell auseinander, so dass man sich nichts mehr sagen kann. Pflege die Themen, die dich mit anderen verbinden.
Auch die anderen haben ihre Krisen. Sei es eine eigene Krankheit, eine Scheidung oder die/der Ex zieht mit den Kindern weg.
Baue dazu neue Kontakte auf. Komme mit anderen Eltern ins Gespräch, die ein Kind haben mit gleicher Diagnose oder Behinderung.
Das Internet bietet hier Möglichkeiten. Seien es die verschieden Gruppen in den sozialen Medien, Foren oder auch die Videochats für alte Bekannte.
Wenn du nicht mehr arbeitest, aber du und dein/e Chef:in hattet eine gute Ebene miteinander. Pflege den Kontakt. Sende immer mal Updates. Vielleicht ergibt sich dadurch ein kleiner Auftrag fürs Homeoffice oder später wieder ein Start in dieser Firma.
4. Wandle die Last der Pflege in Fitness
Auch wenn es schwerfällt: Bleibe der körperlichen Fitness treu oder starte neu durch.
Regelmäßiger Sport ist ein Vitamin für deine körperliche und seelische Gesundheit. Es hilft, einseitige Belastungen abzufedern und du erlebst deinen Körper, bleibst ihm nah.
Außer deinen Schweinehund gibt es heute durch das Smartphone keine Ausrede mehr. Denn du brauchst kein Sportstudio oder einen Verein, wenn deren Zeiten mit der Pflege nicht passen.
Es gibt viele gute Apps, die auch für Einsteiger einen guten Weg in den Sport setzen.
Neben dem Sport achte auf die Entspannung. Wenn du gut auf Meditation, Achtsamkeitstraining oder Autogenes Training reagierst, dann baue es in deinen Alltag ein.
5. Die Last der Pflege und nutze die Psychotherapie
Unterschätze nie die Last der häuslichen Pflege. Das ist mir passiert. Dabei bin ich Pflegeprofi, also ausgebildete Pflegefachkraft, führe und führte andere Pflegefachkräfte.
Ich kannte früh die Fallstricke, welche Belastungen einen stolpern lassen und wie schnell eine/r ausbrennt.
Unterschätze nichts, und falls doch. Okay, es passiert. Du hast in jeder Situation dein Bestes gegeben, was dir in dieser Zeit möglich war.
Wenn dich die Pflege belastet, sie deinen Alltag Fallstricke baut. In dieser Lebenssituation kann ein Gespräch mit einem Professionellen helfen, abzukippen in eine schwere psychische Störung.
Klar, du als Mann, warum solltest du zu einer /einem Therapeut:in rennen. Du kannst deine Probleme selbst lösen.
Vergiss es! Wir sind gute Meister darin, uns selbst alles so passend zu reden, zu bauen, als bräuchten wir Hilfen von anderen nicht.
Es bringt uns aber nicht weiter. Wir können auf diesen Weg scheitern.
Ich habe Angst, auf das zu schauen, was mich verletzt hat. Ich will keine Schmerzen erleben. Ich will nicht wissen, was ich versäumte, welche Chancen ich ablehnte wegen der Pflege meiner Tochter.
Doch ist dies vielleicht nur ein Hirngespinnst.
Für mich war das Wichtigste, warum ich wiederholt ins psychotherapeutische Gespräch ging: Die Pflege meiner Tochter will ich gestalten. Ich brauche meine Familie.
Ich erlebte eine Last, eine Dunkelheit. Ich verstand diese nicht. Was nacht sie hier und kann ich damit leben.
Ich kippte ab und saß in einem Tunnel. Okay, die Pflege konnte ich weiterhin leisten. Irgendwie. Und dann lernte ich wieder, durch zu starten mit professioneller Hilfe, mit vielen Gesprächen.
Psychotherapiestunden nicht festlegbar
Und letztens las ich, dass die Politik vom Bundesgesundheitsministerium vor hatte, für einen Typ psychischer Störung nur eine bestimmte Stundenzahl an Psychotherapie festzusetzen.
Oder anders: Du hast eine leichte Depression, dann gibt es dafür 25 Stunden Psychotherapie. Dann ist Schluss.
Funktioniert das: Eine psychiatrische Diagnose und davon leitet sich sofort ab, wie viel Therapie der Erkrankte zu erhalten hat.
Nein. Es klappt auch nicht bei vielen körperlichen Problemen wie hoher Blutdruck.
Und was ist eine Diagnose bei psychischen Störungen und Erkrankungen? Spiegelt eine Diagnose 100% oder 80 % wirklich das wieder, unter dem, was der Mensch leidet, wohin sein Weg führt. Ich glaube nicht.
Eine Petition für eine Psychotherapie nach Bedarf
Da schließe ich mich der Petition an, die sich gegen Rasterpsychotherapie wendet. Psychische Erkrankungen und Störungen sind zu komplex und verändern sich durch den Alltag, durch die Therapien.
Es zeigt sich allein in unserer Lebenssituationen mit dem Intensivkind, was wiederholt durch lebensbedrohliche Krisen bestimmt wird.
Im letzten halben Jahr standen wir zweimal am Pflegebett mit einer aufgeräumten Klarheit und schwerer Traurigkeit: Stirbt unsere Linn jetzt? Viele Zeichen sprachen dafür.
Doch rappelte sie sich wieder auf.
Das zieht Energie, das drückt mich runter und es fehlte mir die Orientierung. Wie können wir den Alltag leben, wenn jederzeit unser Leben einen Bruch erfahren kann?
Der Tod unserer schwer erkrankten Tochter den Alltag umstürzt.
Wie kann ich mich sicher fühlen, wenn ich jederzeit zum Pflegebett gerufen werde, der Monitor spinnt oder doch nicht? Die Körpertemperatur ist wieder weit unter 36 Grad.
Eine Krise und das Ende der Psychotherapie
Bin ich gerade in Psychotherapie, in den letzten Therapiestunden und dann stirbt das Kind. Und dann fällt man in eine neue Krise …
Wie ist mir dann geholfen, wenn ich durch eine lebensbedrohliche Krise in einem Tunnel gefangen bin?
Wenn dann die letzte Therapiestunde läuft. Schweige ich der /beim Therapeut:in darüber, fokussiere den Blick auf das, was sich entwickelt hat.
Ich schneide aus, was meine Welt demnächst bestimmen wird: Der Tod meiner Tochter. Wollen wir darüber reden? Oh, nein, stimmt ja, mit ihrer Diagnose gelten sie nach 50 Stunden Gespräch als geheilt.
Ich muss dann aus dem Tunnel allein finden, wenn die Psychotherapie ambulant nicht mehr läuft. Es bleiben mir dann die Kliniken noch offen, mit Wartezeit.
Doch das klappt wieder nicht, wenn ich zuhause in der Pflege eingebunden bin.
Es braucht die Flexibilität in Krisen auch ambulante psychologische Hilfe zu bekommen.