In den letzten Wochen hatte unsere Lady schwerste Schmerzen, was aber kein Grund darstellte, den Notarzt zu rufen und sie in die Klinik einzuweisen. Dafür riefen wird das SAPV-Team für Kinder und Jugendliche an (SAPV = spezialisierte ambulante Palliativversorgung). Es erfolgte ein Hausbesuch und die Schmerzkrise wurde mit guten Erfolg behandelt. Ein Krankenhausaufenthalt wurde verhindert.
Dies freute uns. Doch jetzt erhielten wir vom Team die Nachricht, die Krankenkasse hat die Finanzierung der Behandlung durch das SAPV abgelehnt. Wir staunten.
Es gab ein Gutachten vom MDK Thüringen und siehe da, unsere Tochter ist neuerdings nicht mehr lebenslimitiert erkrankt. Spannend. Dazu sei sie durch die Behandlungspflege vom Pflegedienst und den Aufenthalten im Kinderhospiz ausreichend versorgt. Weiterhin spannend, wenn man bedenkt:
- die Behandlungspflege ist eine pflegerische Maßnahme
- unser letzter Kinderhospizaufenthalt war im Frühjahr und hinzu ist Hospizpflege primär auch eine pflegerische Leistung zur Stabilisierung der häuslichen Situation — keine ärztliche Leistung.
- Die Krise trat in einer Zeit auf, wo wir nicht im Kinderhospiz waren und somit besteht keine „Doppelversorgung“ von möglicherweise zwei gleichartiger Leistungen. Ein Zugriff auf die Ärzte des Kinderhospizes besteht nicht außerhalb des Kinderhospizes.
Bei der SAPV handelt es sich um eine ärztlich-medizinische Leistung, welche angefordert wird zur Krisenbewältigung, wenn die allgemeine palliative Versorgung durch die ambulanten Ärzte nicht mehr greift. Hmmm.
Überlebe deine Prognose und du bist geheilt
Komme ich zu der Diagnose der Grunderkrankung von der Lady. Die ist genetisch gesichert und nennt sich PCH 2 und dort wird von einer lebenslimitierenden Erkrankung gesprochen. Nach der letzten Studienlage liegt die prognostische Lebenserwartung bei sieben Jahren. Ihre Grund-Diagnose wird in dem Gutachten gar nicht benannt, obwohl sie auch in der Akte beim MDK bekannt sein sollte., mindestens durch die Pflegegutachten.
Sicherlich, sie hat mit über 13 Jahren diese Prognose überlebt, dies bedeutet aber nicht, lieber MDK, dass sie geheilt wurde und dann die Lady eine neue Diagnose bekam.
Weiterhin meinte die Ärztin vom MDK, sie hätte keine abbauende Erkrankung. Okay, vielleicht kennt die Ärztin die Erkrankung und die neuesten Studien besser als wir. Ich weiß es nicht, aber bekannt ist mir, dass es eine Erkrankung ist mit abbauenden Phasen. Ein Widerspruch? Es mag vielleicht sein, dass man aufgrund der fortgeschrittenen Schwere der Erkrankung nur schwer einen weiteren Abbau erkennt. Außerdem, lieber MDK, für mich stellt sich die Frage, wie man dies per Aktenlage beurteilen will.
Letztendlich gilt aber laut Richtlinie:
„sind insbesondere bei Kindern die Voraussetzungen für die SAPV als Krisenintervention auch bei einer länger prognostizierten Lebenserwartung erfüllt (vgl. § 3 Abs. 3 Satz 2 SAPV-RL).“ aus https://www.dgpalliativmedizin.de/images/Palliativ_Empfehlungen_Kinder_Jugend_2013-06 – 12.pdf Abruf 28.09.2017
Und neben dieser Prognose ist deutlich, die Erkrankung zeigt Auswirkungen mit lebensbedrohlichen Charakter, wodurch sich jederzeit ihr Leben beenden kann. Kurz gesagt, es ist ein Wunder und in Krisen passendes medizinisches Handeln, dass sie bis heute „überlebt“ hat.
Nebenbei: Spannend finde ich, welche Breite an medizinischen Fragestellungen eine einzige Ärztin vom MDK beantwortet, wo wir Spezialistin brauchen. Angefangen über Sinn und Zweck von Hilfsmitteln über Pflegegutachten bis hin zu spezialisierten Palliativversorgung.
Jetzt geht es ab in den Widerspruch. Und was ist wirtschaftlicher? Das Rufen eines Notarztes samt Rettungsteam und ein anschließender stationärer Aufenthalt auf Intensivstation mit Verlegung mit Arzt (wegen Beatmung) auf eine weit entfernte Kinderpalliativstation oder die Leistung vom SAPV-Team?
Update 2017-10-24: Der Widerspruch ist bei der Krankenkasse eingegangen und es wurde ein neues MDK-Gutachten eingeleitet. Ich hoffe, nächste Woche gibt es ein Ergebnis.