Es ist ein, wiederholt, ein heißes Eisen, mit den Begriffen behindert und Behinderung in den Diskurs zu gehen.
Es hat sich seit gut 20 Jahren nichts geändert, nehme ich wahr.
Das Eisen glüht dann tief rot, wenn Eltern mit ihren erkrankten oder „besonderen“ Kindern in dies „Spielfeld“ hineingezogen werden.
Sei als Autor:in, als Texter:in oder Berater:in ja vorsichtig, wenn du mit Eltern am Tisch sitzt, wenn du mit den Wörtern Behinderung oder behindert arbeitest.
Ihre Sicht, hier sensibel zu reagieren, es abzuwehren hat eine Berechtigung. Punkt!
Behinderung und Hoffnungslosigkeit
Allein schon unsere Sprache rund um Behinderung zeichnet ein Bild mit einem Balken, eine Mauer, wo du als Betrachter:in nicht weiterkommst, wo du dich von einem Plan verabschieden musst.
Der Autoverkehr wird behindert. Der Lastwagen auf dem Bahngleis sorgt für Behinderung. Dein Klingelton mitten in der Vorlesung behindert meine Konzentration.
Freue ich mich als Vater, wenn mir klar wird, hey, meine IntensivLady ist mit Behinderung?
Nein! Ich werde mich hüten.
Ich erlebte, wie von einigen Professionellen auch erwartet wird, hier ablehnend zu reagieren, zu bestätigen, wie schwierig und schwer unser Leben geworden ist wegen der Behinderung.
Wenn nicht, dann würde ich unsere Lebenssituation nicht akzeptieren, annehmen und was weiß ich. Ich würde nicht trauern um unseren verlorenen Lebensplan.
Behinderung und ein Leben mit Krankheit
Und ja, Eltern dürfen und sollen sensibel reagieren, wenn ihr Kind als behindert betitelt oder mit Behinderung verbunden wird.
Sie dürfen und müssen hoffen, zuversichtlich sein und sollen erleben, ihr Kind ist ein besonderer Schatz. Sie benötigen die Kraft daraus, um für das Wohl des Kindes und sich zu sorgen.
Wenn ich Menschen erlebe, mit ihnen spreche und arbeite, deren das Wort Behinderung angehängt wird, beeinträchtigt es mich selbst.
Es kann mir meinen Wunsch verbauen, mit ihnen einen guten Kontakt zu erleben, ihnen nahe zu sein. Zu aufgeladen ist dies Wort Behinderung, es versteckt in sich das Wort Krankheit und Erzählungen über den Verlust von Lebensqualität.
Das spult sich so weit, dass ein Leben mit schwerer Krankheit, mit Pflegebedarf als Last gesehen wird. Ich möchte dir keine Last sein.
Wenn ich krank bin, werden meine Mängel deutlich. Ich bin kraftlos, schaffe es nicht, ein Bild über mich zu zeichnen, wie ich gegenüber dir sein will. Ich werde nackt, ausgezogen liege ich vor dir und schäme mich, weil ich rufen will: Hilf mir bitte!
Doch weiß ich als Erkrankter nicht immer, welche Hilfe ich benötige. Manchmal möchte ich nur gesehen werden, ohne Bewertung wie Mitleid.
Ich bin meinem Kind nahe und wird es definiert von anderen über seinen Mangel, seiner Krankheit, dann definiert es auch mich als Vater.
Es etikettiert unser Leben für eine Schublade. Es zeichnet einen Cartoon den anderen, als seien wir unselbstständig, unser Leben sei leidvoll und verliert ständig an Wert.
Abhängigkeit und der Bittstellung
Ich als Vater, als Mann, möchte als selbstständig und belastbar gesehen werden. Einer, der für seine Familie sorgt und ihren Lebensunterhalt absichert, ihnen ein tolles Leben zaubert.
Doch rutsche ich damit in eine Krise. Mit der schweren Krankheit meiner Tochter schwindet meine Kraft. Ich erlebe Gefühle wie Traurigkeit und denke, ich als Familienversorger, das kannst du vergessen.
Wie stehe ich vor meinen Bekannten, Freunden oder meinen Eltern, Geschwistern da, wenn ich sage, mein Kind ist behindert?
Ich sehe, wie sie die Bilder sehen über Behinderung als ein Mangel, ein Leben, was daran kratzt, meine Lebensqualität tagtäglich zu hinterfragen, zu vergleichen mit anderen.
Damit steht es mir zu, es zu verneinen. Ja, meine Tochter hat hier und dort zu kämpfen und sie ist etwas Besonderes. Sie machte es einfach toll.
Ich möchte als Vater raus aus der Falle, unser Leben sei defizitär.
Denn es ist eine Falle.
Betrachte ich unser Leben nur über das, was wir nicht können, saugt es mein Selbstwert aus, bis dahin, dass ich Angebote der Hilfe ablehne.
Wenn ich Anträge schreibe für Hilfen (Leistungen) von der Krankenkasse oder Kommune, dann schreibe ich nicht: Ich beantrage. Ich bitte darum. Ich forme mich selbst zum Bittsteller.
Denn ich weiß wiederum von anderen, dass sie von Mitarbeiter:innen dieser Ämter und Behörden, von Politiker:innen, auch als Bittsteller:innen betrachtet werden.
Die Leistungen der Ämter und Sozialkassen werden nicht mit einem Rechtsanspruch durch einen Gesellschaftsvertrag verbunden wie die Rente.
Oh nein, es wird gleich mit dem Antrag unterstellt, als würden wir uns etwas „erschleichen“, hochstapeln, und die Sozialkassen ausnehmen wollen.
Der Wortgebrauch „im Ermessen des Leistungsträgers“ im Sozialrecht für das Recht auf eine Leistung, zeigt mir wiederholt: Die Bittstellung ist real.
Unser Kind ist nicht behindert
Ich brauche und will das Recht als Vater, mich zu wehren, wenn mein Kind behindert sein soll.
Ja, ich weiß, sie ist schwer erkrankt, sie ist Rollstuhlnutzerin, abhängig von Medikamenten, von Technologien. Sie benötigt assistierende Hände und Köpfe, um einen tollen Tag zu meistern.
Assistenzen, die die Behinderungen wegräumen, welche produziert werden von anderen. Assistenzen, die es ermöglichen, dass sie in die Norm der 90 % der Bevölkerung passt.
Es beseht das Recht zu sagen und zu urteilen, behindert wird man. Es besteht das Recht zu meinen, euer Umfeld behindert meine Tochter, ihre Persönlichkeit zu entfalten. Sie trägt besondere Bedürfnisse mit sich. Ja. Diese werden von anderen als Defizit, als Behinderung betrachtet.
Soll dies die Norm sein, wie wir mit Menschen und ihren Bedürfnissen umgehen?
Wenn ich „Behinderung“ ablehne, ist es zu kurz betrachtet, ich sei in einer Trauerphase, würde unser Leben nicht annehmen.
Die Akzeptanz, das Annehmen unserer Lebenssituation ist eine Haltung, die sich nicht an Worte bindet. Denn ich weiß, ich kann nicht mit Worten, Vergleichen und Metaphern unsere Lebenssituation so bildlich malen, dass andere unsere Last sehen und nachspüren können, wie ich es erlebe.
Sicherlich kann ich nicht für andere sprechen. Ich kann nur Schlüsse ziehen aus ihrer Reaktion zu uns.
Es ist okay. Denn ich bin selbst begrenzt, „nacherleben“ zu können, wie andere ihre Last im Leben tragen. Sei es eine psychische Baustelle, der Jobverlust oder die Pflege der Oma.
Ich als Mensch muss jeden Tag akzeptieren, annehmen, dass Pläne scheitern, ich im älter werden an Attraktivität verliere und auf mehr Barrieren treffe.
Trauer und das Wissen um die Endlichkeit und Zartheit des Lebens ist eine Haltung, eine tägliche Frage. Sie sorgt dafür, zu verstehen, was ist für mich wichtig im Leben, was schenkt mir Sinn.
Das ist eine Säule, die uns trägt.
Es ist nicht nötig und helfend mir zu sagen, mein Kind ist mit Behinderung. Es ist als Eltern wichtig zu verstehen, welche (besonderen) Bedürfnisse hat mein Kind. Ich muss erkennen, welche Barrieren bestehen gegenüber meinem Kind, welche Ressourcen hat es und welche Hilfen, Assistenz braucht es, damit es seine Persönlichkeit und sein Können frei entwickeln kann.
Diese Haltung unterscheidet nicht, ob mein Kind mit oder ohne Behinderung ist. Sie dient den Menschen, diesen zu akzeptieren und zu verstehen, wie sie oder er ist. Einfach so!