Charlott 2 (q)

Let­ztens stand ich vor dem Spiegel und wollte wis­sen, ob man sie zählen kann, die Fal­ten. Sie wer­den mehr, so hat­te es mir die Hilde erk­lärt. “Wie mehr?” fragte ich sie. Sie schaute mich nur an und ich wusste, was sie mir sagen wollte. Doch ich legte meinen Fin­ger auf ihren Mund. Die Wahrheit, die brauch ich nicht, diese. Denn davon habe ich schon genug, dachte ich nur. Ich löste den Fin­ger wieder von Hildes Lip­pen. Ihre Augen waren größer als son­st. Ich will es gar nicht wis­sen, Hilde, ich will nicht, meinte ich. Doch sie schrie: “Was denn? Dass du leb­st wie in ein­er Gefan­gen­schaft, ist es das.” Sie krallte sich ihren Man­tel und ging. Gefan­gen­schaft. Es war mein Zuhause, auch wenn ich mit Fritz nicht raus kam, wenn ich immer an ihn gebun­den bin. Gefan­gen­schaft ist anders. Das ist die Klinik, wenn ich weit weg bin von Fritz, von Wern­er und es in mir drückt, ich müsse fort, ich muss zu ihnen.

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Charlott 2 ℗

An manchen Tagen, wenn es mir mit Fritz zu viel wurde, die Schwest­ern vom Pflege­di­enst auch nur mein Dasein als ihre eigene Ent­las­tung sahen, stieß ich schnell an die Frage, ob ich nun ein­fach gehen oder die Luft anhal­ten solle. Doch diesen Gedanke zer­schnitt ich sofort mit dem “Es geht nicht.”. Ich kochte mir einen Kaf­fee und set­zte mich neben der Schwest­er, egal ob diese Frau was sagt oder nicht, egal, Haupt­sache Fritz war entspan­nt und ruhig. Schnell ver­sucht­en dann die Gedanken Anschluss zu find­en an die Frage, ob ich die Haustür öffne und gehe oder ob es mich nicht mal aus dem Leben, aus dem All­t­ag wer­fen kön­nte, ein­fach so.

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Charlott 2 (o)

Fernse­her. Über­all gibt es diese Kisten, selb­st in der Klinik. Doch komme ich ein­fach nicht mehr ins Pro­gramm rein. Entwed­er, ich denke bei jed­er kleinen Serie, es ist mir zu lang­weilig oder ich habe Angst vor ein drama­tis­ches Ende. Die Sto­ry ein­fach als eine erfun­dene Geschichte zu betra­cht­en, daran scheit­ere ich. Es ist für mich zu real, die Gefüh­le, welche im Appa­rat aufge­bauscht wer­den, die sind mehr ein­fach zu heftig. Und Kri­mi, denn kann ich gle­ich vergessen.

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Charlott 2 (g)

Sie brauchen sich gar nicht so darin rein­hän­gen. Es bringt eh nichts, hat­te mir die Frau am Tele­fon gesagt. Beratung nen­nt sich das, Beratung für das behin­derte Kind. Ich glaub, da hätte ich mir die Mühe sparen sollen. Suchst dir die Num­mern zusam­men, ruf­st einen Vere­in an den näch­sten an und willst es wis­sen, ob das wirk­lich mit dem Ausweis richtig ist: Fritz ist nur noch achtzig Prozent schw­er behin­dert, als ich dies las, da machte es nur klack im Kopf, die Frage tickt sich durch den Schädel, der Kom­men­tar: Geht’s noch?

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Charlott 1 (e)

Fieber und bitte keine Rede von, jet­zt geht doch endlich mal in die Klinik. Der Kinder­arzt war da und star­rte auf den Jun­gen als wollte er sagen: dass der noch lebt. Ich frage mich jedes mal bei sein­er Anwe­sen­heit, ob ich gehen soll, damit er endlich sein Stethoskop aus­packt, doch wenn ich mich dann der Tür zu bewege oder meine Stimm­bän­der aus­packe für das erste Wort, greift er zu sein­er Tasche und holt die Uten­silien raus. Fieber, Lunge frei, Bauch ist entspan­nt und, die Aufzäh­lung endete. Er pack­te seine Werkzeuge ein, redete von Kul­turen mit Bak­te­rien, wenn mor­gen sich die Tem­per­atur nicht unter 38 absenkt wäre ein Antibi­otikum empfehlenswert. 

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Charlott 1 (d)

“Schau mal, zu der Zeit, wo alles begann und ver­giss …” Ich legte den Hör­er auf. Ich lass mich doch hier nicht bequatschen, was gut war, was nicht und dies von mein­er Mut­ter. Was habe ich, wir alles erre­icht, bewältigt und da müsse es mir doch gut gehen. Nee, nicht mit mir. Es läuft ger­ade nicht toll, milde gesagt, und da hil­ft auch nicht, wenn ich es schön male mit dem, was gewe­sen ist. 

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Charlott 1 ©

Unzufrieden­heit, manche mein­er Nach­barn geben mir immer wieder zu ver­ste­hen, ich sei doch unzufrieden. Die blühende Unzufrieden­heit. Ich fragte meine Mut­ter, was sie meint. Sie zün­dete sich eine Zigarette an, blick­te auf mich und ging nach fünf Minuten fort. Abends rief sie mich dann an und meinte: “Ich sehe das ein wenig anders, doch könne ich dir nicht bescheini­gen, dass du zufrieden bist. 

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