Nun an sich arbeitet unser gesamter Körper im Multitasking: Das Herz schlägt, egal was ich mache. Ich höre und sehe gleichzeitig. Dies heißt doch, er erledigt mehrere Aufgaben gleichzeitig. Ja, das schon. Doch schaut man ein Stück tiefer in die Biologie, da wird auch klar, so richtig gleichzeitig im Sinne von Multitasking agiert der Körper nicht. Denn wo etwas gleichzeitig arbeitet bei uns, da kann man auch schnell eine physiologische Trennung erkennen: Nehmen wir das Herz. Es hat sein „eigenes“ Nervengerüst zur Steuerung und ist so autonom, oder bei den Reflexen die Rückenmark verschaltet werden, unabhängig vom Gehirn. An sich, also wenn man den Menschen als organische Einheit sieht, dann ist er ständig im Multitasking. Beginnt man den Menschen als Roboter nachzubauen, da löst sich das zeitgleiche Lösen von Aufgaben entweder in das super schnelle Lösen von einzelnenen Schritte hintereinander auf oder man braucht mehrere „eigenständige“ Rechner, die unabhängig von einander agieren und miteinander kommunizieren, womit sie eine Einheit bilden: Die Pumpe für die Energieversorgung arbeitet schneller bei erhöhter Anstrengung.
So viel dazu. Nun, wie schon erwähnt, man meint aber mit dem Begriff Multitasking beim Menschen, dass er bewusst mindestens zwei Dinge gleichzeitig bewältigt. Also er liest konzentriert einen Text über die Bauschlosserei und hört konzentriert „Moby Dick“ dazu. Dabei schaltet er aber nicht zwischen den beiden Sachen hin und her. Also er oder sie liest einen Satz und dann hört er oder sie zu, dann wieder lesen etc..
Nun, bei mir klappt das nicht. Vielleicht ist es meine persönliche Einstellung dazu, da ich nicht überzeugt bin, dass der Mensch sich gleichzeitig auf mehrere einzelne Dinge konzentrieren kann und diese so mit Bravour schnell und gut bewältigt. Da denke ich nur an unsere Konzentrationsfähigkeit und schon sehe ich einen Strich durch die Rechnung „Multitasking“. Denn um effektiv eine Aufgabe lösen zu können, da muss ich mich voll und ganz auf diese einlassen, was allein schon eine Anstrengung für sich sein kann. Und denke ich an meinen Pflegealltag, da wird die Unfähigkeit „Multitasking“ deutlich: Gerne würde ich bei den morgendlichen und abendlichen Pflegerunden ein Hörspiel oder Feature hören. Doch vergiss es, das klappt nicht. Auch wenn die Madame nicht mit einem redet, so muss man neben dem Waschen, Zähne putzen etc., auf dies und jenes achten bei ihr. Und wenn ich mal Hören und Pflegen zusammen probierte, dann dauerte die Pflegetätigkeit zum einem länger oder ich vergaß etwas. Am Ende hatte man dann das Gefühl, in beiden Dingen nichts ordentlich geschafft zu haben. Kurz: Ich bin unzufrieden, nicht nur alleine, da die Zeiger der Uhr schon über das gesetzte Ziel hinaus gewandert sind.
Und am Tag ist es nicht anders mit ihr. Man kann sie halt nicht irgendwo hinstellen und ihr sagen, jetzt spiele mal. Nein, das klappt nicht, nicht mal wenn sie im Bett liegt und schläft. Man muss sie immer im Blick haben, immer im Ohr. Da sind es zum Beispiel zum einen die epileptischen Anfälle, bei denen sie keine Luft mehr holt und man mit dem Beatmungsbeutel im Standby geschaltet wird oder sie muss abgesaugt werden. Macht man dann etwas nebenher, wie diesen Text schreiben, da zeigt sich mir schnell: Es dauert alles zum einen länger als geplant und man muss den Text mehr Male als üblich überarbeiten, wie in den Punkten Rechtschreibung und Grammatik. Am Ende des Tages hat man dann häufig das Gefühl, nichts ganzes oder halbes geschafft zu haben, obwohl man viele Dinge irgendwie getan hat, sei es im Haushalt, in der Schreiberei oder an der Linux-Installation. Multitasking, klar, das wäre sicherlich der Schlüssel meines Erfolges als „Nicht-nur-Pflegeperson“ und guter Pflege ohne Überlastung.
Nun einmal hieße die Lösung von dem Gefühl „Nichts Ganzes oder Halbes“, setze dir Zeiten. Ein halbe Stunde dies und dann das. Notiere dir schriftlich die Aufgaben und die Ergebnisse. Setze dir kleine Ziele und so weiter und so fort. Kenne ich und probierte ich auch und doch es löst nicht das Problem: Immer halb am Kinde zu sein, sekundenschnell aufspringen zu müssen, wenn die Kanüle raus ist und so weiter und so fort. Kommt man nach seinem Pflegeeinsatz zurück ans Notebook, zu diesem Text, so muss man sich erneut wieder rein denken. Hat man wieder verstanden, was man hier eigentlich schreibt und formuliert den nächsten Gedanken im Kopf, da heißt es plötzlich wieder aufspringen zu müssen und zum Absauger greifen. Jetzt brodelt sie so, dass sie einem am liebsten das Sekret durch die Kanüle direkt ins Gesicht husten würde.
Eine Aufgabe anfangen, unterbrechen, erneut anfangen und kurz dran arbeiten, unterbrechen … Dies ist dann bei den Tätigkeiten im Haushalt nicht anders. Selbst bei der großen Pflege, also dem Waschen oder Zähneputzen, muss die einzelne Tätigkeit häufig kurz pausiert werden, da das Kind sich andere Sachen „ausdenkt“, also nicht kooperativ mit arbeitet.
Und früher, vor dem Kinde: Nun, da war man zufrieden mit sich und der Welt, wenn man sich mal richtig in eine Aufgabe reinhängen durfte, dabei sogar das Zeitgefühl verlor. Denn nicht alleine das Erreichen des Zieles macht zufrieden, sondern auch der Weg dort hin, kurz gesagt.
Fazit: Wo ist mein Coach für den Pflegealltag und warum gibt es immer Probleme mit der Anerkennung, auch im Sinne der Überforderung und Entlastung, von der Pflegetätigkeit der Eltern behinderter Kinder?