Lebensbejahend und der Abschied

L
Lebens­be­ja­hend — was ich doch merk­wür­dig fin­de, ist, nie­mand hat mir bis­her mal die Fra­ge gestellt, ob ich denn zu mei­nen Leben Ja sagen kann. Also der gan­ze Auf­wand in der Pfle­ge, die Ärger­nis­se und dann heißt es noch: Durch­hal­ten für sich selbst, die Kri­sen aus­hal­ten; und stän­dig steht direkt neben einem der Tod. Nicht weil die Pro­gno­se beim Inten­siv­kind so ist, son­dern auch weil man im Inter­net auf Men­schen mit Kin­dern trifft, die auch eine lebens­li­mi­tie­ren­de Pro­gno­se haben, also wo mit jedem Tag auch der Tod der Krank­heit ein Ende set­zen kann. Erst ges­tern muss­te ich von dem Tod eines mir bekann­ten Kin­des erfah­ren, womit wie­der die Fra­ge den Raum füllt: Was hat das alles für einen Sinn?

Ich zumin­dest beant­wor­te die Fra­ge nicht. Nicht, weil ich viel­leicht auf eine Ant­wort kom­me, die mir nicht gefällt. Nein, son­dern weil ich es nicht beur­tei­len kann. Der Tod, die Krank­heit, die­se Din­ge strei­fen nicht nur unser Leben, sie gehö­ren dazu. Natür­lich wird man fra­gen, ob es sich nega­tiv aus­wirkt, wenn man stän­dig damit berührt wird. Ich den­ke, nega­tiv nicht, aber der Blick auf das Leben ändert sich ein Stück weit. Etwas, was frü­her für einen bedeu­tend war, kann mit dem Tod eines Men­schen, dem stän­di­gen Davor­ste­hen, bedeu­tungs­los wer­den. Eben, viel­leicht auch, weil die Fra­ge nach dem Sinn kommt. Aber nicht, ob denn das Leben einen Sinn hat, son­dern: Gibt es mir einen Sinn, so wie ich lebe? Und lebe ich wirk­lich, was ich bin, oder ver­drän­ge ich mein Leben nur, indem ich mich den gan­zen Tag mit bana­len Din­gen beschäf­ti­ge, um bloß nicht auf die Idee zu kom­men: Ich bin ja auch noch da, ein ein­sa­mes Ding.

Nun, der Tod, da heißt es Abschied neh­men, er ist ver­bun­den mit Schmerz, mit der Angst, viel­leicht etwas falsch gemacht zu haben, das Zusam­men­sein mit dem Gestor­be­nen, das Leben mit­ein­an­der nicht gut genug gelebt zu haben, also auch nicht alles getan zu haben für ihn oder ihr. Aber durch sei­nen Abschied wird nicht nur unter die­se Bezie­hung ein Ende gesetzt, son­dern es wer­den auch noch wei­te­re Abschie­de gefun­den, von Din­gen, die einen unab­hän­gig des Gestor­be­nen beweg­ten. Sie for­dern einen nicht mehr, sor­gen für kei­ne Freu­de und viel­leicht waren sie auch nur da, da es die­sen Men­schen gab oder man fin­det plötz­lich eine neue Kon­zen­tra­ti­on im Leben, ein neu­es Wis­sen von sich, wor­auf es ankommt im Leben, was man möchte.

Ist dies das Ja im Leben? Also aus dem Abschied eine Kon­zen­tra­ti­on der Din­ge vor sich zu fin­den, die einen auf­zei­gen, was man ist und was man möch­te. Viel­leicht? Ich kann es nicht beant­wor­ten für die Ande­ren. Mei­ne Ant­wort für mich ist: Wenn ich damit nicht ste­hen blei­be, son­dern aus dem Fun­dus, der Kon­zen­tra­ti­on der Din­ge durch den Tod etwas neu­es baue, die­ses Erleb­nis als etwas Wert­vol­les anse­he, was viel­leicht nie­mand mit einem tei­len kann, doch wenn man dar­aus etwas baut, kann man jeman­den dran teil­ha­ben las­sen, was wie­der neu­es und altes Leben an einem bindet.

Kate­go­rie: 



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by dirkstr

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