Die Inkontinenz jagte mir wieder ein Stich in den Nacken. Zwei Monate, bevor unsere Intensiv-Lady 18 Jahre alt wurde, meldet sich der Lieferant für die Windeln, also dem geschlossenen Inkontinenzmaterial, kurz IKM.
Kein Geschenk, kein Geburtstagsgruß. Es war das Gegenteil.
Unsere Tochter soll ab ihren 18. Geburtstag für die Windeln zahlen. Sie nennen es eine wirtschaftliche Aufzahlung. Dies ist nicht zu verwechseln mit der gesetzlichen Zuzahlung, wie viele sie kennen bei Medikamenten.
Ich ging hier telefonisch in den Widerspruch beim Lieferanten, mit emotionalen Tamtam, und wir schrieben auch die Krankenkasse, die TK, an.
Wir sehen eine Aufzahlung als unrechtmäßig an.
Der Grund ist, weil die aktuellen Windeln zweckmäßig und notwendig sind. Sie entsprechen dem medizinischen Bedarf, was die Intensiv-Lady braucht, mit ihren Diagnosen.
Wirtschaftliche Aufzahlung bei der Windel ist Zuzahlung oder Eigenanteil oder wie?
Wirtschaftliche Aufzahlung bezeichnen die Sanitätshäuser, wenn die /der Versicherte ein Medizinprodukt wählt, was einerseits Kassenleistung ist, aber andererseits mehr kostet, als was die Krankenkasse zahlen will.
Der Grund ist simpel. Es besitzt „Eigenschaften“, die für eine medizinische Grundversorgung nach der Diagnose nicht notwendig sind.
Ein Beispiel: Ich zahle zum Preis, was die Kasse übernimmt, die Mehrkosten selbst, weil ich eine rosafarbige Windel mit Blümchenmuster will. Diese ist gerade wegen ihres Designs teurer. Aber dies Design braucht es nicht für die Behandlung der Inkontinenz.
Andere kennen es vom Schlupfsack für den Rollstuhl. Ja, auch dieser ist eine Leistung der Krankenkasse.
Möchte die/der Patient:in oder die pflegenden Eltern einen Sack aus Echtfell, dann müssen sie einen Aufpreis zahlen. Sie bezahlen das, was die Krankenkasse nicht finanziert.
Ich füge hier an: Gesetzliche Zuzahlung und Eigenanteil sind hiermit nicht gemeint.
Wir sind und bleiben bei wirtschaftlicher Aufzahlung. Also einem Aufpreis, den ich als Patient selbst leisten muss, weil ich eine Leistung nutzen möchte, die über das medizinische Notwendige hinaus geht.
Der Lieferant von Produkten gegen die Inkontinenz will für die notwendigen Windeln Geld von uns
Der Lieferant von diesen Mitteln gegen Inkontinenz meinte in seinem Schreiben:
Bei ihrer bisherigen Produktauswahl handelt es sich weiterhin um eine Versorgung, die über das Maß des Notwendigen hinausgeht. Den gesetzlichen Krankenkassen ist es untersagt, Kosten für einer über das Maß des Notwendigen hinausgehende Versorgung zu übernehmen.
Seit mehreren Jahren bekommt unsere Tochter diese Windel der Marke Molicare von Fa. Hartmann, die selbst, samt allen Merkmalen, im Hilfsmittelverzeichnis der gesetzlichen Krankenkassen gelistet ist. Hm.
Der Lieferant meinte weiter, dass er die Mehrkosten, welche die Krankenkasse nicht übernehme, unserem Fall die TK, von ihm selbst getragen würde.
Dies Schreiben wirkt so wie, als hätte er unserer Tochter die Jahre über was Gutes getan, sie unterstützt, doch jetzt ist damit Schluss.
Zuvor, also früher wurde nie geäußert, dass die Intensiv-Lady über das Maß des Notwendigen hinaus mit Windeln versorgt wird und sie als Lieferant „draufzahlen“.
Nie ein Brief lag dazu im Briefkasten, niemand schrieb eine Mail.
Kein Mensch vom Windelprovider sprach mit uns „jemals“ darüber, dass sie, unsere erkrankte Tochter mit dieser Windel als „überversorgt“ ansehen.
Sie haben kein Gutachten mit der Krankenkasse eingeleitet oder uns interviewt, wie sich die Inkontinenz zeigt.
Im Gegenteil. Sie haben das letzte Rezept für ein Jahr und das davor über die Versorgung mit den Inkontinenzen angenommen. Sie haben die vereinbarte Wahl der Windel und die Menge geliefert.
2019 bestätigten sie sogar per Mail den jetzigen Bedarf.
Arbeiten Sanitätshäuser und Windellieferanten wirtschaftlich, oder nicht?
Wir als pflegende Angehörige, die Patienten und das Pflegepersonal werden vom Sozialgesetzbuch aus angehalten, wirtschaftlich zu handeln.
Dies bedeutet, alle von der Krankenkasse, der TK, finanzierten Medizinprodukte, Heilmittel oder Medikamente sind zweckmäßig und nur für den notwendigen Bedarf zu verwenden.
Bei den Hilfsmitteln gilt, das Medizinprodukt ist für den bestimmungsgemäßen Gebrauch zu nutzen, nach der Anleitung des Handbuches und der Einweisung durch das Sanitätshaus.
Wir als pflegende Eltern, wie auch die Pflegefachkräfte sind angehalten, die Hilfsmittel sorgsam und respektvoll einzusetzen.
Da frage ich mich, will das Sanitätshaus oder der Lieferant nicht wirtschaftlich arbeiten?
Er muss seine Angestellten bezahlen und braucht einen Gewinn für neue Investitionen oder als Rendite für seine Eigentümer.
Deshalb wird dieser doch nicht „einfach“ die letzten Jahre die Windeln für unsere Tochter finanzieren, bloß weil sie noch keine 18 Jahre alt war.
Der Lieferant nahm den Auftrag zur Windelversorgung an. Er hat einen Vertrag mit der Krankenkasse, der die Kostenübernahme regelt, und ist vermutlich verpflichtet, die ärztlich verordneten und notwendigen Windeln zu liefern.
Ich vermute auch, der Lieferant wird die Jahre sein Gesamtgeschäft mit den Produkten zur Inkontinenz positiv, somit kostendeckend gestaltet haben. Sonst hätte er ja uns und andere Kunden kündigen müssen.
Oder ticken Unternehmen im Gesundheitswesen anders?
Dies wäre uns aufgefallen, da wir auch andere Familien kennen, die beim gleichen Lieferanten sind.
Ich glaube kaum, dass er für unsere Tochter freiwillig diese „Mehrkosten“ übernommen hat, sondern weil es seine Aufgabe ist. Weil es, vermutlich, im Vertrag mit der Krankenkasse verankert ist und wir begründet hatten, warum diese Windel nötig ist.
Dafür schrieben wir 2019 zuletzt ein Protokoll über die Ein- und Ausfuhrmenge. Wir testeten andere Windeln und bewiesen, warum genau diese Molicare-Windel (oder eine gleichwertige Windel nach dem Hilfsmittelverzeichnis) zweckmäßig und notwendig ist.
Bekommt das Sanitätshaus für die Windeln genug Geld von der Krankenkasse?
Die Sanitätshäuser wie auch der Lieferant bekommt für die Inkontinenzversorgung eine Pauschale pro Patient. Dies ist meine Kenntnis.
Diese Pauschale ist eine Mischkalkulation, wie bei der Telefonflatrate.
Ein Telefonprovider verdient bei einer Flatrate dort hervorragend, wo der Kunde wenig telefoniert und zahlt dort darauf, wo viel telefoniert wird.
Werden am Ende des Monats alle Ein- und Ausgaben zusammen gezogen, dann sieht der Provider (bei uns Windellieferant), wie sein Geschäft lief in dem Monat. Wenn der Telefonprovider viele Kunden hat, die kaum telefonieren, blinkt ein Pluszeichen auf dem Geschäftskonto.
Da stört es nicht, wenn ein paar Kunden sehr viel telefonieren.
Genauso ist es beim Sanitätshaus, welche Produkte wegen Inkontinenz liefern.
Wenn diese viele Kund:innen haben, mit einer leichten Blasenschwäche, die nur eine einzige Einlage am Tag brauchen und wenige, die ein geschlossenes Windelsystem, dann macht dieses Unternehmen einen guten Gewinn.
Doch schmälern Patienten, wie unsere Tochter, vermutlich den Gewinn. Oder auch nicht? Denn bisher konnte ich keine Geschäftszahlen sehen.
Oder die Lieferanten machen Gewinn mit allen, weil die “teuren” Patient:innen eine unrechtmäßige wirtschaftliche Aufzahlung präsentiert bekommen vom Sanitätshaus, diese ohne Widerspruch akzeptieren und bezahlen.
Aber weder wir pflegenden Eltern noch unsere Tochter haben sich mit dem Lieferanten dies Geschäftsmodell ausgedacht und die Preise für diese Mischkalkulation verhandelt.
Die Preise für die Inkontinenz-Produkte verhandelt das Sanitätshaus oder der Lieferant direkt mit der Krankenkasse.
Dies nennt sich nach den Sozialgesetzen Sachleistungsprinzip. Dies soll für eine sichere Versorgung von Versicherten und Bedürftigen sorgen, eben dass sie benötigte, zweckmäßig und notwendige Sozialleistungen sofort bekommen, ohne damit finanziell belastet zu werden.
Wenn das Sanitätshaus meint, sein Geschäft mit den Inkontinenz-Produkten läuft schlecht und es wirft kein Gewinn ab, dann muss der Lieferant entweder mit der Krankenkasse neu verhandeln.
Genauso wie der Telefonanbieter den Preis seiner Telefonflatrate anpasst.
Oder das Sanitätshaus kündigt alle seine Patient:innen, lässt die Versorgung auslaufen und nimmt keine Rezepte mehr an. Oder es verkauft diesen Bereich an andere Lieferanten und überlässt deren dies Geschäftsfeld.
Frei nach: Wenn ein Monopol entsteht bei den Inkontinenz-Produkten, dann steigt die Macht gegenüber den Krankenkassen, Preise zu erwirken.
Es gilt: Nicht die Patient:innen haben bei einem notwendigen medizinischen Bedarf das Minus im Windelgeschäft zu finanzieren. Ihnen steht eine qualitätsgerechte Versorgung ohne Mehrkosten zu.
Da der Lieferant der Molicare-Windeln weiterhin versorgt, scheint wohl das Geschäft zu laufen, oder wie soll ich es deuten?
Ein Stich fürs Windeltrauma, ein Widerspruch und Rechtsberatung
2019 kämpften wir auch für die Inkontinenzversorgung unserer Intensiv-Lady, da auch zu der Zeit uns der Windeltyp und die Menge streitig gemacht wurde.
Warum gilt es nicht mehr 2022? Vielleicht darf und soll meine posttraumatische Belastungssituation durch den Windel-Lieferanten, dem Mitspieler Krankenkasse, nicht heilen?
Pflegende Eltern oder Angehörige, dürfen diese wirklich, ja wirklich psychisch gesund bleiben?
Gilt die Vereinbarung von 2019 nicht mehr, weil die Intensiv-Lady 18. Jahre geworden ist und damit die Inkontinenz sich automatisch heilt? Weil es keine Rechtssicherheit geben darf im Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen?
Mit dem Windelversorger haben wir, telefonisch, eine erste Lösung Ende Februar gefunden. Es gab für die erste Lieferung nach dem 18. Geburtstag keine wirtschaftliche Aufzahlung. Sie verbuchte es am Telefon unter „Rabatt“.
Wir haben für diesen Kampf eine Rechtsberatung in Anspruch genommen, um unsere Argumente aufzustellen, eben dass uns dieser Bedarf laut dem Sozialgesetzbuch zusteht und die geforderte Windel sogar im Hilfsmittelverzeichnis der gesetzlichen Krankenkasse steht.
Auch schrieben wir wieder ein Protokoll für die Ein- und Ausfuhr und testeten zwei Windeln, deren Qualität für unsere Intensiv-Lady nicht ausreichte. Diese sind ausgelaufen.
Eine andere uns bekannte Familie hatte dieses Thema auch vor über einem Jahr einem Anwalt übergeben. Dies mit Erfolg.
Die Krankenkasse hat sich bisher auf unser Schreiben zu dieser Sachlage nicht gemeldet. Dies ist wohl ein eigener Blogbeitrag.