Hospiz: “Urlaub” mit dem Intensivkinde VI.

H
Hos­piz — wie ich schon mal woan­ders erwähnt hat­te, bedeu­tet eine Fahrt dort­hin auch, mit dem Ster­ben und dem Tod in Berüh­rung zu kom­men. Eigent­lich ist das Wort Berüh­rung sehr undeut­lich gefasst für uns und die ande­ren Fami­li­en dort. Denn alle haben die­ses The­ma schon sehr nah bei sich gespürt. Ein­mal, da das Kind schon sehr schwe­re Krank­heits­pha­sen durch hat und dies auch mit dem gan­zen Pro­gramm, wie Reani­ma­ti­on, Beatmung und einer medi­ka­men­tö­sen The­ra­pie bis zum Anschlag.

Notiz „Bis zum Anschlag“ meint, dass man eini­ge Medi­ka­men­te „hoch“ dosiert ver­ab­reicht, um die bes­te Wirk­sam­keit zu errei­chen, bis die inne­ren Orga­ne (Leber, Nie­re etc.) Zei­chen set­zen, dass sie dem nicht mehr Stand hal­ten. Dies wird meist über die Blut­wer­te erho­ben. Das Pro­blem bei einer Inten­siv­the­ra­pie ist dabei auch häu­fig noch, dass meh­re­re Medi­ka­men­te gleich­zei­tig gege­ben wer­den müs­sen, womit sich der Stress auf die Orga­ne und dem Kör­per erhöht. Pro­blem hier­bei ist dann, dass wich­ti­ge Medi­ka­men­te wie Anti­bio­ti­ka oder Mit­tel gegen Pil­ze und Viren nur mit hal­ber Kraft ver­ab­reicht wer­den kön­nen, die „Lebens­ret­tung“, also der Sieg über die schwe­re Pha­se ist dann meist nur noch mit viel Hoff­nung verbunden.

Bei ande­ren Eltern ohne die­se Erfah­rung heißt es: Das Kind ist unheil­bar erkrankt mit Todes­fol­ge, wie zum Bei­spiel ein Tumor oder ein abbau­en­des Gesche­hen von Mus­keln oder Ner­ven­zel­len. Den Fami­li­en stellt sich dann häu­fig die Fra­ge: Wie­viel Zeit hat mein Kind noch? Eine Fra­ge, wel­che zumeist schwer zu beant­wor­ten ist, da jede noch so schwe­re Erkran­kung immer einen indi­vi­du­el­len Ver­lauf hat.

Also, wenn man mit sei­nem Kind in ein Hos­piz fährt, so muss man ers­tens davon aus­ge­hen, Eltern dort ken­nen zu ler­nen, für die das The­ma schon prä­sen­ter ist, sogar so stark, dass sie auch dar­über reden wol­len. Und zwei­tens oder viel eher muss man sich gewiss sein, wenn man dort die Zeit ver­bringt, dass ein Kind oder Jugend­li­cher gera­de sei­ne letz­ten Lebens­pha­se bestrei­tet und stirbt. Bei­des, so kommt es, wie es kom­men muss, geschah in die­ser Zeit, als wir dort waren. Der nahe Tod eines Kin­des war an einem Abend ein The­ma und dies in der ers­ten Woche. Doch stör­te es nicht. Für mich war es sehr klä­rend, wie wich­tig es ist, sich dem zu stel­len. Dabei wur­de mir deut­lich, was man will für sich und sei­nem Kind. Neben­her erfuh­ren wir, etwas undeut­lich, dass ein Jun­ge im Ster­ben liegt. Am Ende der ers­ten Woche wur­de dann der Sau­er­stoff-Kon­zen­tra­tor auf dem Flur ange­stellt für ihn, womit für mich klar wur­de ohne die spä­te­re Bestä­ti­gung, das Ster­ben hat sei­nen letz­ten Weg begon­nen und zwei Tage spä­ter hat­te die­ser sein Ziel gefun­den. Der Kon­zen­tra­tor wur­de aus­ge­stellt und der Tod hat­te die End­lich­keit des Leben offen­bart. Das Wort End­lich­keit drück­te sich an dem Tag sehr stark in den Vordergrund.

Dass der Tod ein­ge­tre­ten ist, bedeu­te­te dort aber auch, sich bis zu einem gewis­sen Grad der betrof­fe­nen Fami­lie zu stel­len, nicht aus Zwang, aber aus einem Gefühl der Pflicht her­aus mit der Idee, den Schmerz ein Stück mit­tra­gen zu kön­nen. Wir Eltern der ande­ren konn­ten uns am Segens­kreis um den auf­ge­bahr­ten Jugend­li­chen betei­li­gen, was fast alle auch taten. Dabei wur­de mir bewusst, dass das Leben unse­rer klei­nen Madame auch nur von kur­zer Zeit ist. Eine abbau­en­de Erkran­kung, das ist das eine und dann die Epi­lep­sie mit Atem­still­stand oder dass ande­re Kin­der mit dem Syn­drom ganz plötz­lich gestor­ben sind. Gedan­ken, die nicht nur Schwe­re mit sich tra­gen, son­dern für mich auch heil­sam waren. Sie brach­ten mich zu einer beru­hi­gen­den Stil­le, in der mir wie­der klar wur­de, dass ein jedes Leben sei­ne eige­ne Zeit hat. Eine Zeit, die wir zwar mes­sen kön­nen und so als kurz erle­ben, doch wis­sen wir nicht, wie die Zeit die ist, die unse­re Madame erlebt. Sie hat ihre eige­ne Zeit.

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by dirkstr

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