“müssen behinderte ins heim”

Das Behin­derung und Heim in Deutsch­land eng mit einan­der verknüpft sind, ist vie­len Men­schen klar. Dies ist in den Köpfen schein­bar so fest drin, dass es über­haupt nicht mehr hin­ter­fragt wird. Ein Wis­sen um andere Wohn­for­men gibt es bei vie­len nicht mal in der Vorstel­lung. Doch komme ich auf die Frage zu sprechen: “Müssen Behin­derte ins Heim?” Eine Antwort lautet durch die gegebe­nen Struk­turen der Ver­sorgung: “Ja”, wenn der Betrof­fene einen hohen Pflegeaufwand hat, so dass er sich nicht mehr selb­st ver­sor­gen kann.

Ein Ja aber auch dadurch, wenn er oder sie und die Ange­höri­gen keinen Willen oder Kraft haben für eine häus­liche Ver­sorgung zu kämpfen, ins­beson­dere, weil sie um diese Möglichkeit nicht ein­mal wis­sen. Ein Muss ins Heim ist also durch die weit bekan­nten Struk­turen und Unwis­sen gegeben.

Doch gibt es die Sit­u­a­tion wie in Schwe­den, wo es die Betreu­ungs­form Heim nicht mehr gibt. Dem­nach müssten Men­schen mit ein­er Behin­derung also nicht ins Heim? Dies würde ich auch mit Ja beant­worten und hinzu drückt das Wort “müssen” einen Zwang für den Betrof­fe­nen aus: Er kann über seine Lebensvorstel­lung nicht selb­st entscheiden.

Neben dieser Frage kann ich auch nicht erken­nen, was das Heim für Vorteile hat gegenüber anderen, kleineren, Wohn­for­men, wie zum Beispiel eine Wohnge­mein­schaft mit Men­schen unter­schiedlich­ster Behin­derung und dementsprechen­der Betreu­ung. Also eine Wohnge­mein­schaft mit­ten unter uns im Wohnge­bi­et, oder der Betrof­fene lebt mit seinen Assis­ten­ten “allein” zu Hause,  wie es dem Inten­sivZ­im­mer bei uns zu Hause ähn­lich wäre.

Mir erk­lärt man immer, Heime seien kostengün­stiger. Ein Argu­ment, was ich nicht begreife. Zum einen, wenn man eine gute Pflege leis­ten will, braucht man auch im Heim einen guten Per­son­alschlüs­sel und dies bieten viele Heime nicht. Zum anderen haben solche Ein­rich­tun­gen nicht nur Per­son­alkosten, son­dern es muss auch ein ganzes Gebäude unter­hal­ten wer­den. Dies heißt, es beste­ht immer das Inter­esse dies Haus mit Men­schen zu füllen, damit sich die Investi­tion “Heim” auch lohnt. Eine bar­ri­ere­freie Woh­nung dage­gen ist von jedem anderen Men­schen beziehbar, wenn sie nicht mehr benötigt wird von der, sagen wir mal, Behindertenhilfe,

Doch möchte ich mich gar nicht auf die Diskus­sion um die finanziellen Vor- oder Nachteilen ein­lassen, son­dern ein anderes Argu­ment ein­fü­gen: Inte­gra­tion und die Nähe zur Fam­i­lie. Heime, wie für unsere Tochter, sind auch häu­fig weit­er weg, gegeben auch dadurch, da man sich eine Ein­rich­tung mit guter Betreu­ung wün­scht. Dies “Weit­er-Weg” kann eine Ent­fer­nung sein, bei der Ange­hörige eine Tages­reise brauchen um ihren “Schüt­zling” zu besuchen. Etwas, was mit dem Beruf­sleben und dem Geld­beuteln nicht  vere­in­bar sein kann. Am Ende macht diese Lebenssi­t­u­a­tion das Fam­i­lien­band kaputt und der Besuch wird dabei mehr und mehr als eine Belas­tung emp­fun­den, ein Muss eben. Würde eine betreute Wohnge­mein­schaft oder Woh­nung im Leben­sum­feld der Fam­i­lie ver­wirk­licht wer­den, dann kön­nten sie sich sog­ar täglich besuchen. Let­z­tendlich kön­nen so die Ange­höri­gen ein wichtiges Stück Pflege oder Betreu­ung für sich selb­st erhal­ten oder den beru­flichen Pfle­gen­den abnehmen. Die Fam­i­lie bleibt somit erhal­ten und sie wird geschützt vor ein­er Über­las­tung der Angehörigen.


Notiz: Überlastung? Ja, denn wenn das "angestrebte" Heim weiter weg ist, wird der Schritt dorthin erst gegangen, wenn die Pflegenden wirklich meinen, sie packen es nicht mehr. Die Hilfe, der Schutz vor der Überlastung, kann dabei zu spät kommen. Die Trennung der Familie wird als schrecklicher empfunden, als die schwere Pflegesituation.

Inte­gra­tion? Nun, wenn ein Heim am Stad­trand seinen Ort gefun­den hat, dann sind die dor­ti­gen Bewohn­er nicht unter uns. Die Behin­derung, da die Bewohn­er auch kaum das Stadt­bild dann prä­gen, wird so als eine Ran­der­schei­n­ung wahrgenom­men. Was anders aus­ge­drückt heißt: Behin­derung ist nicht etwas alltäglich­es, wodurch jed­er betrof­fen sein kann. Leben die Men­schen mit einem Hand­i­cap mit­ten im Wohnge­bi­et, so gehen ihre alltäglichen Wege nicht nur in den Park oder Hin­ter­hof, son­dern auch in den Dis­counter, ob mit oder ohne Betreuer.

Wenn der Weg ins Heim ein Muss ist, so wer­den Men­schen bevor­mundet in ihrer Vorstel­lung vom Leben. Denn eine Behin­derung bedeutet nicht gle­ich eingeschränk­te Lebensvorstel­lun­gen, als hät­ten Behin­derte keinen Leben­straum, über das, was alles im Leben möglich wäre und wie sie leben möchten.

Kat­e­gorie: 
Frage des Tages



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