Zum ersten ist es die Entlastung der Familie an sich, aber er gibt auch Antworten zu den Fragen, wie etwas funktioniert in der Pflege, wie man sie gestaltet und da können sich dann schon die ersten Fallstricke bilden.
Pflege, sei es die der Magensonde oder des Luftröhrenschnitts, über ihre Art und Weise gibt es verschiedene Erfahrungswerte. Doch möchte ich nicht über die Pflege reden, sondern über den Strick „Erwartung“ an den Pflegedienst. Denn diese, so erfahre ich es immer wieder, kann sehr unterschiedlich sein. Da ist es einmal die Frage der Eltern, was denn ein Pfleger oder die Schwester alles leisten sollte, was sie unterlassen sollte, und wie hat er oder sie sich zu verhalten und ja, stimmt denn auch das Zwischenmenschliche?
Der Strick “Erwarung” wird aber erst dann zur Falle, wenn keiner über die Erwartungen spricht, also nicht gesagt wird, was einen stört oder bestenfalls: „Was willst du eigentlich von mir?“
Nun Punkt eins ist für mich: Die Pflegekraft muss fachlich fit sein, sprich, sie muss das Absaugen beherrschen, sie muss die Beatmung verstehen und ja, Punkt zwei: Sie hat sich nicht zwischen mich und mein Kind zu stellen, wenn ich mit im Raum bin oder auch nicht. Der Pflegedienst hat nur das zu schaffen, was ich nicht leisten kann. So ist die Abmachung auf der ärztlichen Verordnung. Im Prinzip heißt dies, bin ich mit im Zimmer, muss die Schwester mitdenken können, was jetzt zu tun sei, aber sie muss es nicht sofort ausführen, sondern erst dann, wenn ich es wünsche. Eine Erwartung, über die auch gesprochen werden muss.
Pflegedienst — nun ich höre immer mal wieder, dass Eltern meinen, sie kommen nicht mehr an ihr Kind ran. Die Schwester oder der Pfleger geht soweit, dass sie oder er meinen, was dem Kind gut tut. Sie „pflegen“ über das vereinbarte Ziel hinaus, macht also mehr, als die Eltern wünschen und er oder sie sagt sogar der Mutter, wie sie sich zu verhalten hat gegenüber dem Kind. So etwas möchte und will ich nicht.
Ich verstehe den Pflegedienst als eine Hilfe für uns Eltern am Kind, eine Assistenz. Die Regie im IntensivZimmer liegt in unserer Hand. Etwas, was auch immer mal wieder deutlich ausgesprochen werden muss: „Ich möchte es aber so.“ Ja und jetzt kommen wieder die Stimmen: “Ihr seid doch vom Fach. Eltern, die das Thema Krankenpflege und Medizin nur in Verbindung mit den Klinikaufenthalten kennen, bei denen ist es anders.” Es mag anders sein, ja, aber wenn man über die Eltern entscheidet, dann entmündigt man sie.
Viele Eltern sind fit in ihrer Rolle als „Krankenschwester“, auch wenn sie vorher nie etwas mit Luftröhrenschnitt, Epilepsie & Co. zu schaffen hatten. Wenn man Eltern entmündigt, so muss man sich auch im Klaren sein, dass man mitverantwortlich ist nicht nur für die pflegerischen Problemfelder, sondern man hat auch die Last der unausgesprochenen Erwartungen zu tragen. Man ist zum einen ein Teil der Familie, also das Zwischenmenschliche zieht sich über das Fachliche. Zum andern ist der Pfleger, die Schwester der Regisseur. Wenn dieser während der Dreharbeiten geht, dann bricht das ganze Kunstwerk „Intensivkind“ zusammen, da den Eltern so die Hilfe zur Selbsthilfe abgenommen wurde, die wichtigste Säule an sich.