Vielleicht nicht, denn ich erwarte ja nicht mehr, dass der Widerspruch bei der Krankenkasse einen Erfolg hat. Na gut, insgeheim schon, sonst macht man sich doch nicht die Mühe, oder?
Doch beleuchten wir es einmal von einer anderen Seite, von der sportlichen. Drei Stunden hat das Werk in der Erstfassung gedauert und es ist harte, geistige Arbeit. Es trainiert das Textverständnis, das Schreiben und die Rhetorik. Manch andere setzen sich eben drei Stunden vor einer Spielkonsole und trainieren den Umgang mit dem Joystick oder der nächste übt sich in der Bonsaikunst. Doch egal wie man es nimmt, ein Widerspruch kann auch zum Gehirnjogging dienen, weshalb ich dafür auch gerne in die Bibliothek gehe, mich unter die Studierenden mische und loslege.
Der Pluspunkt für den neuen Widerspruch, was ihm ganz neue Facetten verleiht: Das letzte MDK-Gutachten, welches in der Post war am Wochenende, besteht aus drei Seiten und bei der Menge an Text findet man garantiert Neues, was man noch nicht besprochen hat.
Doch kommen wir zum Punkt eins: Textverständnis. Sie erinnern sich sicherlich noch an Ihre Schulzeit. Zuerst mal schaut man, was will uns denn der Autor, hier der Sachbearbeiter von der Kasse oder dem medizinischen Dienst, sagen. Also Text durchlesen und den ersten Eindruck notieren, wie auch eine Zusammenfassung in einem Satz. Bei uns ist es ganz einfach: Hospizpflege wurde abgelehnt und dies ist nicht nett, milde gesagt.
Aber dann kommt man zum schwierigen Teil der Textarbeit: Man versucht die wichtigen Argument heraus zu filtern, vergleicht sie miteinander und fragt dabei: Gibt es Widersprüche in sich? Gibt es Unstimmigkeiten mit dem eigenen bestehenden Wissen über die Sachlage, wie auch der vorliegenden Literatur wie Gesetzestexte, Rahmenverträge und andere Schriften?
Ist man an diesem Teil der Textarbeit gelandet, dann ist man mitten in einer Textanalyse und Interpretation drin. Dabei schaut man auf, sieht die arbeitenden Studenten und fühlt sich wie in einer Prüfung, man weiß endlich, warum man dies in Deutsch geübt hat und dann folgt Punkt zwei: Das Schreiben des Widerspruchs. Zuerst einmal braucht eine logische Struktur: was will man sagen und wie reiht man seine Gegenargumente an, dass es möglichst schlüssig klingt. Dafür gibt es verschiedene Techniken, doch die einfachste ist wohl immer die: Man nimmt sich eine These oder dem Beweis vom Autor und setzt sein Gegenargument dagegen.
Eine logische Struktur zu basteln, damit der Widerspruch schlüssig ist, nun da könnte es knifflig werden. Aber auch für solche Dinge gibt es eine Lösung: Sprechen Sie am Anfang alle Thesen an, kurz, wogegen Sie halten wollen, und nummerieren diese frei nach a, b und c. Und wenn Sie im Text dann den Punkt a oder b mit ihren Argumenten ansprechen, sondieren Sie ihn zu einem eigenen Absatz und setzen davor ihre Nummerierung.
Sie meinen, es sei alles Quatsch, es sei egal, wie man den Widerspruch schreibt, denn den liest sich eh keiner durch. Täuschen Sie sich nicht, spätestens im Widerspruchsausschuss wird er gelesen, also einen Leser haben sie garantiert.
Aber zurück zu meiner Person und dem Gefühl beim Schreiben: Man sitzt mitten in einer Prüfung. Letztendlich ist also der Widerspruch wie eine Klausur, insbesondere wenn man den ganzen erzeugten Stress nimmt, der mit dem Erhalt des ablehnenden Bescheides beginnt. Der Lehrer, der die Klausur dann kontrolliert, ist dann das Amt oder die Kasse. Doch muss man sich davor hüten, den Erfolg eines Widerspruchs abhängig zu machen von dessen Qualität. Die Kasse entscheidet nach ihren eigenen Kriterien, so meine Erfahrung, und nicht, wie gut und schlüssig man gegen die Ablehnung hält. Aber auch beim Scheitern gibt es ein Trostpflaster, damit nicht die ganze Mühe scheinbar für den vorbeirauschenden Wind war: Das Gericht, wenn die Kasse die eigene Argumentation nicht überzeugt hat, wobei andere meinen, es sei schon richtig so, wie man die Sachlage betrachtet.
Aber jetzt fragen Sie sicherlich: Ist es nicht doch sinnlos, wenn man keinen Erfolg hat mit dem Widerspruch? Ich sage Ihnen: Nein. Denn bitte, wann haben Sie denn die Chance frei Haus effektiv Ihre grauen Zellen zu aktivieren. Sie nicken ab, ein Widerspruch, das regt zu sehr auf, da braucht man Fachwissen und Zeit. Okay, ich versteh schon, es gibt sicherlich auch nettere Hobbys und Möglichkeiten, seine Gehirn auf Trab zu halten. Stimmt schon, ich wüsste auch bessere Themen als mich über die Genehmigung der Hospizpflege zu streiten, nämlich zu verstehen, um einer heftigen Krise vorzubauen, wie es mir ergeht, wenn das Intensivkind stirbt. Aber das nur am Rande.